Zwischen Wien und Bregenz
Ralf Stoffers steht seit dem 1. September an der Spitze der evangelisch-reformierten Kirche in Österreich. "Als Landessuperintendent bin ich derjenige, der für die evangelischen Gemeinden der reformierten Kirche in Österreich Ansprechperson und Repräsentant ist – sozusagen der oberste Theologe", erklärt er.
Sein Amtssitz liegt in Wien, seine Heimat bleibt Bregenz. "Momentan ist es so, dass ich einmal im Monat für eine längere Zeit nach Wien fahre und das dann mit Terminen verbinde", sagt Stoffers. Eine zweite Fahrt pro Monat sei bei Bedarf vorgesehen.
Trotz seiner neuen Funktion bleibt er Gemeindepfarrer in Bregenz. "Wenn ich nach Wien muss, kommt die Kollegin, die die zusätzliche Pfarrstelle innehat, nach Bregenz, damit die Gemeinde versorgt ist, wenn ich abwesend bin."
Glaube als zweifelnde Überzeugung
Was bedeutet Glaube für ihn persönlich? "Glaube ist für mich die zweifelnde Überzeugung, dass ich kein Zufallsprodukt bin, dass meine Talente und Begabungen einen Sinn haben und eingesetzt werden sollen."
Wichtig sei ihm ein offenes Gottesbild, das Freiheit ermögliche: "Wir sind aufgerufen, das auch in der Gesellschaft zu bezeugen und für diejenigen einzutreten, die keine Stimme haben – wo die Gefahr besteht, dass sie übersehen werden."
Vielfältige Gemeinden in Vorarlberg
Die evangelische Kirche in Vorarlberg beschreibt Stoffers als lebendig und bunt. "Die Gemeinden sind sehr unterschiedlich, aber das ist auch das Wesen der reformierten Kirche. Es gibt das Prinzip der Gemeindeautonomie."
In Bregenz liege der Schwerpunkt bei Bildung, Kultur und Ökumene. "Wir sind stark im Bereich Bildung und Kultur unterwegs, etwa mit der Reihe der Bachkantaten, mit Bildungsfahrten oder ökumenischen Gesprächen."
Ökumene als Zukunftsweg
Die Zusammenarbeit zwischen Konfessionen hält Stoffers für entscheidend: "Ich denke, das ist ein Weg in die Zukunft hinein – dass wir bei aller Unterschiedlichkeit die Gemeinsamkeiten noch stärker betonen und in die gesellschaftliche Debatte einbringen."
Gesellschaftliche Verantwortung
Obwohl die reformierte Kirche mit rund zwei Prozent der Bevölkerung eine Minderheitenkirche ist, sieht sie ihre Aufgabe klar: "Wir können in unseren Gemeinden Ansprechstation sein." Während der großen Fluchtbewegung habe seine Gemeinde "eine Gruppe von über 20 Personen betreut und begleitet".
Doch auch hier gebe es Grenzen: "Da kommt man als kleine Gemeinschaft manchmal an die Grenzen dessen, was personell und finanziell machbar ist."
Haltung zu modernen Lebensformen
In Fragen der Gleichstellung gilt die reformierte Kirche als liberal. "Die Synode hat 1999 in Bregenz beschlossen, dass Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften möglich sind", erinnert sich Stoffers.
"2019 wurde einstimmig beschlossen, dass gleichgeschlechtliche Paare auch getraut werden können. Entscheidend ist, dass zwei Menschen einander auf möglichst lebenslange Dauer Liebe, Vertrauen und Fürsorge versprechen – und das ist nicht an das Geschlecht gebunden."
Kirche als Ort der Ruhe
In einer Zeit voller Krisen will Stoffers mit der Kirche Räume der Ruhe schaffen. "Wir sind krisenmüde geworden", sagt er. "Ich glaube, es ist wichtig, Räume zu haben, wo man sich dem ein Stück weit entziehen kann. Einfach einmal hinsetzen, ankommen, nichts leisten müssen."
Ebenso zentral sei die Gemeinschaft: "Mit anderen gemeinsam schweigen, singen, beten, hören – ich glaube, dass dem eine stärkende Dimension innewohnt."
Hoffnung und Zukunft
Für die kommenden Jahre hat Stoffers eine klare Vision: "Ich wünsche mir eine Kirche, die bunt ist, vielfältig, lebendig, die finanziell, personell und strukturell gute Lösungen gefunden hat."
Seine Hoffnung schöpft er aus dem Glauben – und aus den Menschen: "Da sind viele, die sich engagieren, ihre Ideen einbringen, anpacken und denen andere Menschen nicht egal sind." Besonders zuversichtlich stimme ihn die Jugend: "Ich finde, da erkennt man, dass es sehr viel Engagement gibt. Viele sagen: Hört auf uns, wir sind die nächste Generation – und sie haben recht."
(VOL.AT)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.