Geheimbericht weitergegeben? Anklage gegen Peterlik erhoben

Peterlik wird zur Last gelegt, als Generalsekretär des Außenministeriums ohne Erfordernis einen als "geheim" klassifizierten Bericht u.a. zum Nervengift Nowitschok angefordert zu haben und dem ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott interne Dokumente zugänglich gemacht zu haben.
Peterlik soll Bericht zu Nowitschok-Fall angefordert haben
Konkret soll Peterlik, der unter der von der FPÖ nominierten Außenministerin Karin Kneissl zum Generalsekretär aufgestiegen war, den als geheim klassifizierten Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu einem Giftanschlag im Jahr 2018, der auch die Formel des Nervengifts Nowitschok zum Inhalt hatte, angefordert haben. Dadurch missbrauchte er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wissentlich seine Befugnis mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihrem Recht auf strengste Geheimhaltung zu schädigen, wie die Behörde am Donnerstag mitteilte.
Die Nowitschok-Formel soll am Ende bei Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek gelandet sein, der sich damit jedenfalls brüstete, wie von den Ermittlungsbehörden gesicherte Dokumente belegen. Marsalek ist seit Jahren flüchtig und dürfte seit längerem für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB tätig sein. Dass Marsalek in den Besitz gleichermaßen geheimer wie besonders heikler Informationen gelangte, ließ beim heimischen Staatsschutz die Alarmglocken schrillen. "Die widerrechtliche Weitergabe von sensiblen und klassifizierten Informationen und Dokumenten, die letzten Endes ihren Weg zu Jan Marsalek fanden, wirft Österreich bei der internationalen Zusammenarbeit erneut massiv zurück und schädigt das Ansehen unserer Republik in einem schweren Ausmaß", hieß es in einem internen Papier, das Teil des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakts ist.
Weitergabe der Dokumente an Ott
Eine Schiene von Peterlik zu Marsalek ist nicht belegbar. Der nunmehr beim Landesgericht für Strafsachen eingebrachten, nicht rechtskräftigen Anklage zufolge soll Peterlik im Oktober 2018 aber Egisto Ott mehrere OPCW-Dokumente zu den Nowitschok-Vorfällen gezeigt haben, die ihm ausschließlich kraft seines Amtes zugänglich waren. Dadurch sei das Interesse der Republik Österreich an der Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit internationalen Behörden gefährdet worden, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.
Gegen Ott wurde zuletzt Anklage wegen geheimer nachrichtendienstlicher Tätigkeit zulasten der Republik Österreich und Amtsmissbrauchs erhoben. Auch der ehemalige Chefinspektor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll Tätigkeiten für den russischen Geheimdienst entfaltet haben, was der frühere Staatsschützer freilich bestreitet.
Einer der Anklagepunkte in der anstehenden Hauptverhandlung - die Anklage ist rechtskräftig, Verhandlungstermin gibt es noch keinen - gegen Egisto Ott und einen mitangeklagten IT-Spezialisten des von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) abgelösten BVT betrifft Peterlik. Ott soll ihm personenbezogene Daten von BVT-Beamten geliefert haben, die mit der Erstellung des Ibiza-Videos in Zusammenhang gebracht wurden. Peterlik war zu der Zeit unter der damaligen, von der FPÖ nominierten Außenministerin Karin Kneissl Generalsekretär im Außenministerium.
Einbeziehung von Peterlik in Ott-Verhandlung unwahrscheinlich
Dass die Anklage gegen Peterlik in die anstehende Hauptverhandlung gegen Egisto Ott einbezogen wird, ist unwahrscheinlich. Zwar ist in beiden Anklageschriften das Naheverhältnis zwischen dem Ex-Verfassungsschützer und dem ÖVP-, später FPÖ-nahen Diplomaten Thema und Gegenstand strafrechtlich relevanter Vorgänge, "aber es gibt keine Konnexität", erläuterte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, auf APA-Anfrage. Ott werde im Peterlik-Verfahren als Zeuge geführt: "Wir haben nicht feststellen können, dass er angestiftet hat." Dasselbe gelte umgekehrt im Ott-Verfahren, wo sich eine allfällige Beitrags- oder Bestimmungstäterschaft Peterliks nicht belegen habe lassen.
Peterlik zunächst für ÖVP, später für FPÖ tätig
Peterlik wurde zunächst mit ÖVP-Funktionen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Er war von 1995 bis 2004 Pressesprecher für Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, nach einem Intermezzo als Botschafter in Asien fungierte er von Dezember 2013 bis August 2015 als Kabinettschef für Familienministerin Sophie Karmasin. Nach seiner Zeit als Generalsekretär im Außenministerium war Peterlik Botschafter in Indonesien, wurde aber Ende 2021 suspendiert und abberufen, als bekannt wurde, dass das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) gegen Peterlik Ermittlungen aufgenommen hatte.
Peterlik dürfe mit Ott grundsätzlich ein gutes Gesprächsklima gehabt und diesen wiederholt um Gefälligkeiten gebeten haben - auch in seiner Funktion als Generalsekretär im Außenamt. In der Ära Kneissl soll dort eine Art Verfassungsschutz außerhalb des BVT angedacht gewesen sein - unter Einbindung von Ott und jenes Ex-BVT-Beamten, der vor kurzem gemeinsam mit Ott wegen Amtsmissbrauchs angeklagt wurde. Als Privatperson soll Peterlik Ott um eine Intervention bei einem ranghohen Polizeibeamten ersucht haben, um an einen Waffenpass zu kommen. Als Generalsekretär wandte er sich an Ott, als der österreichische Journalist Max Zirngast im September 2018 in der Türkei verhaftet wurde. Er bat Ott herauszufinden, ob Zirngast ein "Agitator" sei. Ott vermeldete wenig später, der türkische Geheimdienst MIT habe gegen Zirngast ermittelt.
Diese Vorkommnisse sind allerdings nicht Teil der nun vorgelegten Anklage und dürften für Peterlik auch nicht zu weiterer Unbill führen. Wie Staatsanwaltschaft-Sprecherin Bussek auf APA-Anfrage erklärte, gibt es in Bezug auf seine Kontakte zu Ott keine weiteren offenen Ermittlungen. "Diese sind abgeschlossen", sagte Bussek. Die Strafdrohung in der anstehenden Hauptverhandlung gegen Peterlik beträgt sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Sollte Peterlik die Anklage nicht binnen 14 Tagen beeinspruchen, erlangt diese Rechtskraft. Mit einem Prozess wäre dann in der ersten Jahreshälfte 2026 zu rechnen.
Grüne wollen Russland-U-Ausschuss
Für die Grünen ist die Anklage ein Anlass, die vergangene Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen zu kritisieren. "Der Fall Peterlik bestätigt, was wir im U-Ausschuss zum rot-blauen Machtmissbrauch im Vorjahr bereits aufgezeigt haben: FPÖ-geführte Ministerien standen im Zentrum des größten Spionageskandals der Zweiten Republik", sagte die außenpolitische Sprecherin Meri Disoski in einer Aussendung. Sie forderte einen eigenen Russland-Untersuchungsausschuss. Zudem kündigte Disoski eine parlamentarische Anfrage an das Außenministerium an. Sie soll auf die Aktivitäten Peterliks und mögliche entstandene Sicherheitslücken abzielen.
(APA/Red)
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