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"Mama, stirbst du jetzt?", fragt ihr Kind nach der zweiten Krebsdiagnose

Mit Baby im Bauch bekommt Judith Müller die Schockdiagnose Krebs – fast 19 Jahre später trifft sie das Schicksal erneut. Doch dieses Mal verwandelt sie ihre Angst in Kraft und Vertrauen.

"Genau so hat es damals angefangen"

Als Judith Müller im Dezember 2023 aus der Dusche steigt, bemerkt sie beim Eincremen der Brust eine Verhärtung. "Genau so hat es damals auch angefangen", sagt sie. Die Dornbirnerin ist 45 Jahre alt, Mutter von drei Kindern – und bereits einmal an Brustkrebs erkrankt gewesen – 2006, im sechsten Monat schwanger. Was folgte, waren Arzttermine, Operationen und eine Chemotherapie, die noch während der Schwangerschaft begonnen wurde. Und ein Datum, das sich einbrennt: 30. Dezember 2023 – die Diagnose Brustkrebs. Zum zweiten Mal.

Video: "Die Krankheit war nicht mein Feind, sondern eine Chance"

Zweite Krebsdiagnose: "Die Panik war sofort wieder da"

Nach der tastbaren Verhärtung geht alles schnell: Hausärztin, Überweisung, Mammografie, Biopsie kurz vor Weihnachten. "Als die Ärztin anrief, war es wieder dieser riesige Schock", erinnert sich Judith. Die ersten Tage verbringt sie weinend, schlaflos, "die Panik war sofort wieder da".

Und doch gibt es einen Satz, der die Richtung ändert. Eine Freundin sagte ihr: "Es ist nicht dieselbe Situation. Du stehst heute an einem anderen Punkt im Leben." Judith beschreibt diesen Moment als "Klick", der ihr wieder Mut machte.

Krebs mit Baby im Bauch: "Bin froh, dass es gut ausgegangen ist"

Judiths Baby musste per Kaiserschnitt früher geholt werden. ©handout/privat

Der erste Kampf liegt fast 19 Jahre zurück. Mitte Dezember 2006, im sechsten Monat schwanger, erhält Judith die Diagnose. Zuerst habe niemand geglaubt, es sei Krebs: "Man vermutete hormonelle Veränderungen."

Die Realität holt sie in der Klinik in Innsbruck ein: kurz vor Weihnachten die Operation, in welcher die komplette Brust entfernt wurde. Chemotherapie während der Schwangerschaft, dann ein vorgezogener Kaiserschnitt – das Baby kam einen Monat früher. Glücklicherweise gesund.

Chemo und Bestrahlung

Direkt nach der Geburt ging es weiter mit Chemo und Bestrahlung. "Wenn ich heute daran denke, dass man während der Schwangerschaft nicht einmal Salami essen soll – und ich damals mitten in dieser Zeit eine Chemotherapie bekommen habe, dann erscheint es mir bis heute unglaublich, wozu der menschliche Körper fähig ist", sagt sie. Ein Jahr nach der Geburt wurde die Brust in Innsbruck mit Eigenhaut und Eigenfett wieder aufgebaut.

"Alles drehte sich ums Kind"

Damals folgte die Dornbirnerin dem medizinischen Plan, "ohne viel zu hinterfragen". "Es war richtig für diese Zeit. Ich war jung, alles drehte sich ums Kind. Ich habe mich an den Ablauf gehalten und bin froh, dass es gut ausgegangen ist", erzählt sie.

Während der ersten Schwangerschaft bekam Judith die Brustkrebsdiagnose. ©handout/privat

"Ich habe heute eine andere Stabilität"

Zwischen der ersten und der zweiten Erkrankung liegen nicht nur 17 Jahre, sondern auch ein völlig anderes Leben. 2006 war Judith schwanger, jung und voller Vertrauen in die Entscheidungen der Ärzte – sie funktionierte einfach, wie im Überlebensmodus.

Heute steht sie mitten im Leben: Ihre älteste Tochter – damals das Baby im Bauch – ist inzwischen 18 Jahre alt, dazu kommen zwei jüngere Kinder im Alter von 8 und 11 und ihr Mann, mit dem sie seit 15 Jahren verheiratet ist. "Ich habe heute eine andere Stabilität, mehr Verantwortung – und auch andere Werkzeuge", sagt sie. Bei der zweiten Diagnose wollte sie nicht mehr nur Patientin sein, sondern aktiv mitbestimmen und ihren eigenen Weg wählen.

Der Tag nach der Tumor-Entfernung 2024 im Krankenhaus Dornbirn: "Mein Mann und meine Kinder haben bei ihrem Besuch auf dem Kissen unterschrieben, damit ich sie immer bei mir habe." ©handout/privat

Eine weitere Chemotherapie wäre für Judith nicht mehr infrage gekommen. "Ich wollte den Knoten einfach raus haben." Am 1. Februar 2024 wurde der Tumor also entfernt. Ein Test zeigte ein erhöhtes genetisches Risiko. Die Ärzteschaft empfiehlt, Lymphknoten und Eierstöcke zu entfernen. Ende April 2024 folgt die zweite Operation.

"Im Krankenhaus wurde zuerst eine andere Sequenz vorgeschlagen. Ich habe gesagt: Ich möchte zuerst operiert werden. Das war schwer – aber es war mein Weg." Im Dezember 2024 bringt die Jahreskontrolle Entlastung: "Alles gut, keine Auffälligkeiten. Ich kann sagen: Ich bin gesund."

"Das eine schließt das andere nicht aus": Medizin und Energiearbeit

Judith fuhr bei ihrem Heilungsprozess zweigleisig – und genau darin liegt ihr Punkt. Operationen, onkologische Kontrollen, klare medizinische Schritte und eine begleitende, energetische Ebene: Arbeit mit einer Humanenergetikerin, Meditation, achtsame Routinen. "Heilen muss für mich nicht nur der Körper, sondern auch Geist und Seele."

Heute ist die 45-jährige Mutter wieder kerngesund und vor allem glücklich. ©VOL.AT/Emilia Waanders

Sie betont, dass energetische Behandlungen keine Wunderknöpfe seien: "Sie stoßen Prozesse an, die man dann selbst – oft auch psychologisch begleitet – weiterbearbeitet. Es braucht beides. Das eine schließt das andere nicht aus. Und jede Person hat das Recht, ihr eigenes stimmiges Paket zu finden." Anderen Betroffenen will sie nichts vorschreiben: "Ich würde nie sagen: Mach es wie ich. Aber ich ermutige, gut hinzuhören: Was ist für mich heilsam?"

"Mama, stirbst du jetzt?"

Als Judith ihren Kindern von der zweiten Diagnose erzählt, kam als Erstes die Frage: "Mama, stirbst du jetzt?" Die 45-Jährige erzählt: "Das geht natürlich nicht so spurlos an einem vorbei, weil im Endeffekt weißt du es ja nicht."

"Mein Mann hat in dieser Zeit viel getragen", sagt sie. Man habe als Paar "gut zusammengearbeitet" und sich gemeinsam Unterstützung geholt – auch psychologisch. "Das gehört auch dazu und kann auch offen gesagt werden."

Natur als Heilkraft: "Ich habe gelernt, mich dort wieder aufzuladen"

Judith mit Hündin Mila nach der zweiten Brustkrebsdiagnose am Spazieren im Wald.

Ein Ort, der Judiths Heilungsweg täglich begleitete, war der Wald. "Ich hatte einen Lieblingsbaum", sagt sie und lächelt. "Wenn ich keine Kraft mehr hatte, bin ich dorthin. Ich habe gelernt, mich dort wieder aufzuladen." Jeden Tag ging sie dort mit ihrer Hündin Mila spazieren. "Die Natur ist eine große Heilkraft – wenn wir sie an uns heranlassen", erklärt sie.

"Ich wollte etwas schaffen, das anderen Frauen Mut macht"

Ihr Buch "Zurück auf meinen Weg" ist mehr als eine Krankheitsgeschichte – es ist ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht über das Wiederfinden der eigenen Stimme. Judith beschreibt darin nicht nur ihre beiden Diagnosen, Operationen und Therapien, sondern auch den inneren Weg, den sie gegangen ist: von der Angst zur Klarheit, vom Funktionieren zum Fühlen.

Eine persönliche Geschichte. ©VOL.AT/Emilia Waanders

Sie schreibt offen über Zweifel, über alte Muster, die sie loslassen musste, und über die Frage, was Heilung wirklich bedeutet. "Ich wollte etwas schaffen, das anderen Frauen Mut macht", sagt sie. "Vielleicht kann meine Geschichte helfen, die Perspektive zu verändern – und zu zeigen, dass Krankheit manchmal auch eine Einladung ist, sich selbst wiederzufinden."

Lesung in Wolfurt: "Ich freue mich, wenn Menschen mit mir ins Gespräch kommen"

Judith Müller liest am 18. und 19. Oktober 2025 auf der Messe "Hauptsache Gesund" im Cubus in Wolfurt aus ihrem Buch "Zurück auf meinen Weg". "Ich freue mich, wenn Menschen mit mir ins Gespräch kommen – über Erfahrungen, Fragen oder einfach übers Leben."

(VOL.AT)

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