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50 Jahre Dialyse in Vorarlberg

©VLKH
Meilenstein in der Geschichte der Nephrologie und Inneren Medizin.

Am 13. Juni 1975 wurde in Vorarlberg die erste Hämodialyse, also die erste künstliche Blutwäsche dieser Art durchgeführt. Seit dem Tag ist dieses lebensrettende und lebenserhaltende Verfahren kontinuierlich weiterentwickelt und eine verlässliche, professionelle Versorgungsstruktur im Land aufgebaut worden: „Dieses Ereignis vor 50 Jahren markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte der Nephrologie und Inneren Medizin in Vorarlberg“, betont der heutige Primar Priv.-Doz. Dr. Emanuel Zitt, Abteilungsleiter „Innere Medizin III“ (Nephrologie, Dialyse und Hypertensiologie) am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch.

Primar Dr. Zitt fungiert auch als ärztlicher Leiter der „Privaten Dialyse Vorarlberg GmbH“ (PDV), die in Zusammenarbeit mit dem LKH Feldkirch derzeit noch an den Standorten in Nenzing und Bregenz angeboten wird. Eine Modernisierung auch im extramuralen Angebot wird die Kompetenzen in naher Zukunft an einem neuen, zentralen Standort in Rankweil bündeln.

Lebensnotwendige Blutwäsche seit 1975 im Land
Wenn Nieren nur noch schwach oder nicht mehr funktionieren, können sie Schadstoffe nicht ausreichend aus dem Körper filtern – es sind Ersatztherapien nötig, zumeist die Hämodialyse. „In den frühen 1970er Jahren gab es in Vorarlberg noch keine Nephrologie“, erinnert sich Dr. Ulrich Neyer, Leiter der Dialysestation der ersten Stunde in Vorarlberg. „Chronische Nierenpatientinnen und -patienten fuhren bis dahin zur Dialysebehandlung nach St. Gallen, Chur, Zürich oder Innsbruck.“ Teils mussten Patient:innen auch drei Mal in der Woche zu Behandlungen nach Linz oder Wien ausweichen: „Da wurde von Prof. Dr. Gert Mähr und der damaligen Vorarlberger Gebietskrankenkasse eine Dialysestation im Krankenhaus der Stadt Feldkirch geplant.“
Im Juni 1975 konnten die ersten sieben Plätze eröffnet werden, Dr. Ulrich Neyer wurde mit der Leitung betraut. Er stand dem Fachbereich am LKH Feldkirch insgesamt 33 Jahre vor. „Zur Behandlung mit Akutdialyse bei akutem Nierenversagen wurden noch im selben Jahr die ersten zentralen Venenkatheter in Vorarlberg gelegt“, erinnert sich der Medizinier an die Anfänge.

Pionierarbeit mit Weitblick
Ebenfalls ab 1975 wurde bei dialysepflichtiger Nierenerkrankung neben der Hämodialyse – bzw. auch alternativ dazu – die Bauchfelldialyse angewandt, so der Pionier weiter: „Die hatte ich in Freiburg und Zürich erlernt. Im selben Jahr erfolgte die erste Nierentransplantation in Innsbruck bei Prof. Dr. Raimund Margreiter. Von da an waren wir am LKH Feldkirch auch bei der Organisation der Organspende aktiv.“ Dr. Neyer selbst führte noch im Jahr 1975 die erste perkutane Nierenbiopsie in Vorarlberg durch, also eine punktgenaue Entnahme von Nierengewebe durch die Haut zur Diagnose. Seither sind über 1.600 Biopsien erfolgt.
Trotz des Aufschwungs der Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse, (C)APD) als „Heimdialyse“ Ende der 1970er-Jahre war die Zentrumsdialyse Feldkirch bereits in den ersten Jahren derart gut ausgelastet, dass zwei private Dialysestationen in Bregenz und Nenzing eingerichtet wurden.  
Ab dem Jahr 1980 wurde die Nephrologie in Feldkirch zunächst als Department der „Internen Abteilung“ und ab 1994 schließlich als eigenes Primariat geführt. Dr. Ulrich Neyer war als erster Abteilungsleiter bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 im Amt.

Früherkennungsprogramme und Mobile Dialyse

„Neben der klassischen Hämodialyse stand für Patientinnen und Patienten mit Nierenversagen also von Anfang an auch die Bauchfelldialyse als alternative Behandlung zur Verfügung“, führt Dr. Karl Lhotta weiter aus. Er stand der der späteren Abteilung „Innere Medizin III“ bis zum Jahr 2022 als Primar vor: „Dieses einfache Verfahren führen die Betroffenen nach entsprechender Einschulung zu Hause selbständig durch. Im Jahr 2010 haben wir das Projekt Mobile Dialyse Vorarlberg ins Leben gerufen. Dabei werden Patientinnen und Patienten daheim von Pflegekräften der Dialyse Feldkirch in der Durchführung der Bauchfelldialyse unterstützt.“ Nach Corona bedingter und infolge reduzierter personeller Ressourcen verursachter Pause konnte das Programm heuer im September wieder aufgenommen werden.
Als weiteren besonderen Schwerpunkt nennt Dr. Karl Lhotta die stetigen Bemühungen der Abteilung, Früherkennungsprogramme von Nierenerkrankungen zu initiieren bzw. diese voranzutreiben: Zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes oder Bluthochdruck: „Dies ist aktueller denn je, da heute Medikamente zur Verfügung stehen, die, wenn frühzeitig eingesetzt, das Fortschreiten der Nierenerkrankung weitgehend verhindern können. Als Leiter der Abteilung war es mir immer wichtig, dass neue innovative Therapien unseren Patient:innen möglichst rasch zu Verfügung stehen und dass die verschiedenen Möglichkeiten der Nierenersatztherapie wie Hämodialyse, Bauchfelldialyse und Transplantation im Sinne eines integrativen Behandlungskonzeptes zum besten Nutzen der Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommen.“

Deutlicher Anstieg vor allem im vergangenen Jahrzehnt

Die Zahl der Dialyse-Patient:innen ist vom allersten Jahr an rasch gestiegen. Die chronischen Dialyseverfahren haben in den vergangenen 50 Jahren bis heute über 1.500 Menschen in Vorarlberg ein jahre- und jahrzehntelanges Überleben ermöglicht. Immerhin zeigen hierzulande bis zu zehn Prozent der Bevölkerung Hinweise auf eine Nierenerkrankung. Epidemiologisch dürfte diese Zahl in den kommenden Jahren aufgrund der Altersstruktur im Land weiter noch etwas ansteigen.
Neben den Patient:innen der regelmäßigen Hämodialyse werden auch jene mit akuten Nierenschädigungen betreut, die eine dringliche und lebenserhaltende, aber vorübergehende Dialysebehandlung benötigen. Bei den meisten dieser Akut-Patient:innen kann damit eine weitgehende Erholung der Nierenfunktion erzielt werden.
Derzeit sind im Land insgesamt etwa 500 Menschen (Stand 2024: 498 Patient:innen) auf eine Art der Nierenersatztherapie in Form einer Dialyse oder auch auf eine Nierentransplantation angewiesen: die Generation der „Babyboomer“ sorgt für neue Rekordwerte und einen Anstieg um 24 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. „Vorarlberg hat österreichweit übrigens den höchsten Anteil an nierentransplantierten Patientinnen und Patienten“, weiß Dr. Karl Lhotta: „Es war immer schon ein Anliegen der Abteilung, möglichst viele Patientinnen und Patienten möglichst rasch auf die Warteliste zu bringen. Auch in der Organisation von Nierentransplantationen durch Lebendspenden war und ist die Abteilung Vorreiter in Österreich“, betont der ehemalige medizinische Leiter.

Knowhow entwickelt sich stetig weiter

Die Patient:innen kommen drei Mal in der Woche für jeweils vier Stunden zur Blutwäsche: „Bei der Dialyse wird eine Teilmenge des Blutes aus dem Körper geleitet“, erklärt Primar Dr. Emanuel Zitt das Verfahren. „Über einen Filter werden Giftstoffe, die normalerweise über die Nieren ausgeschieden werden, ausgewaschen. Das gereinigte Blut wird wieder zurückgeleitet.“ Gesunde Nieren vollziehen diesen maschinell nachgemachten Schritt mit jedem Herzschlag. „Zu 100 Prozent ersetzen kann man den natürlichen Vorgang mit einer Dialyse nicht, aber man kann gut damit leben. Es ist eine Prozedur, die dem einzelnen viel abverlangt.“

Aber innerhalb der vergangenen Jahrzehnte ist die Hämodialyse stetig weiterentwickelt und verfeinert worden, was große Erleichterungen für Patient:innen und Mitarbeiter:innen gebracht hat. Hier kommt dem Dialyse-Pflegepersonal eine große Bedeutung zu, das neben der Grundausbildung (DGKP) auch über eine spezifische und hochspezialisierte Zusatzausbildung verfügt: “Die markantesten Unterschiede vom Gestern zum Heute aus Sicht der Pflege stellen mit Sicherheit die Patientinnen und Patienten selbst und die zur Verfügung stehende Technik dar“, bilanziert DGKP Rita Kühne, langjährige Stationsleitung der Dialysestation am LKH Feldkirch: “Zum einen haben die Menschen durch die erstklassige medizinische Versorgung erfreulicherweise eine deutlich höhere Lebenserwartung. Dieser Umstand bringt einen komplexeren und auch deutlich höheren Pflegeaufwand mit sich. Zudem ist die Technik in der Dialyse ausgefeilter und auch sicherer geworden – das trägt einerseits zur Erleichterung unserer Arbeit bei, andererseits sind dadurch auch mehr Leistungen möglich geworden. Und schlussendlich hat auch eine neue Generation an Mitarbeitenden die Erwartungen an unseren Beruf grundlegend verändert. Auch dieser Umstand fließt in die Entwicklung und langfristige Sicherstellung der Patientenversorgung mit ein.“

Modernisierung von Technik und Raum
Allein am Landeskrankenhaus Feldkirch wurden 2024 knapp 18.000 Behandlungen durchgeführt. Im Jahr 2020 sind die Dialyseräumlichkeiten adaptiert und auf den neuesten medizintechnischen Stand gebracht worden. Im Jänner 2024 ist die Zahl an Plätzen zudem aufgestockt worden, seither verfügt die Abteilung über 25 Behandlungsplätze: In komfortablen Kojen ist Platz für bis zu vier Dialysepflichtige gleichzeitig. Das Team arbeitet mit der neuesten Technik: über eine zentrale Dialysat-Aufbereitung können alle Dialysegeräte direkt mit Dialysat-Flüssigkeit versorgt werden: „Die Räumlichkeiten bieten angenehme Platzverhältnisse, sie sind offen und hell mit viel natürlichem Licht. Gleichzeitig bleibt eine gewisse Intim- und Privatsphäre durch den jeweils großzügigen Abstand zwischen den Dialyseplätzen gewahrt“, erklärt Prim. Dr. Emanuel Zitt. Die Dreier- und Vierer-Kojen bieten die Möglichkeit der individuellen Unterhaltung (TV-Bildschirm, Radio) sowie eine moderne Be- und Entlüftung.

Derzeit ist auch die die extramurale Dialyseversorgung in Vorarlberg in einem Modernisierungsprozess: Aufgrund der zunehmenden Inanspruchnahme der Dialyseversorgung auch außerhalb des Spitals in Vorarlberg planen Land, Sozialversicherung und Vorarlberger Landeskrankenhäuser eine Neustrukturierung. Derzeit befinden sich in Nenzing und Bregenz zwei private Außenstellen, die fachärztlich von den Nephrolog:innen des Referenzzentrums am LKH Feldkirch mitbetreut werden. Dieses extramurale Dialyseangebot stößt inzwischen zunehmend an seine räumlichen Grenzen. Daher werden die Standorte in den kommenden Monaten an einem Standort in Rankweil zusammengeführt und modern ausgebaut, die Arbeiten dazu haben bereits begonnen. Bis Herbst 2026 soll die neue Struktur durch die gemeinsame öffentliche Trägerschaft aufgebaut sein. Eine Zusammenlegung der Standorte verspricht für die Zukunft eine Erleichterung in der medizinischen Versorgung – nicht nur für die Patient:innen, sondern auch für das Fachteam. Denn ein gebündelter Standort mit größeren Schichten ermöglicht auch ressourcenschonenderes Arbeiten.

Fünf Jahrzehnte engagierte Zusammenarbeit

„Die somit also auch künftig weiter fortschreitende Entwicklung der Dialyse in Vorarlberg ist nicht nur Zeichen des kontinuierlichen medizinischen Wandels, sondern vor allem auch das Ergebnis einer engagierten und interdisziplinären Zusammenarbeit“, betont Prim. Priv.-Doz. Dr. Emanuel Zitt. Als interdisziplinäre Berufspartner sind hier vor allem die Abteilung für Gefäßchirurgie (Shunt-Chirurgie/Gefäßzugang für Hämodialyse), die Abteilung für Allgemeine Chirurgie (Katheter-Anlage zur Bauchfelldialyse) sowie die Abteilung für Interventionelle Radiologie (Gefäßinterventionen an den Shunts zur Aufrechterhaltung der Funktionalität) zu nennen.

Auch außerhalb des Krankenhausbetriebes arbeiten Organisationen – dazu zählen etwa das „Rote Kreuz“ und diverse Taxiunternehmen – seit Jahrzehnten daran mit, dass das Angebot „Dialyse in Vorarlberg“ auf so hohem Niveau funktionieren kann. So trug etwa der 1980 gegründete Patient:innen-Selbsthilfeverein „Niere Vorarlberg“ zum gemeinsamen Erfolg bei. „Medizin per se ist komplex“, fasst Emanuel Zitt die Notwendigkeit einer gut funktionierenden Zusammenarbeit aller involvierten Berufsgruppen und Träger zusammen: „Nephrologie und Dialyse insbesondere sind sehr komplex und nur im Miteinander spezialisierter Fachpersonen zu betreiben; dazu benötigt es ein klares und unterstützendes gesundheitspolitisches Bekenntnis zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung nierenkranker Patientinnen und Patienten.“

Statements:  

«50 Jahre Dialyse in Vorarlberg sind ein herausragender Meilenstein in der Versorgung von Menschen mit Nierenerkrankungen. Als Patientenvertretung des Vereins Niere Vorarlberg und als Präsident des Dachverbands ARGE Niere Österreich möchte ich mich herzlich bei der Nephrologie am LKH Feldkirch – und ganz besonders bei Primar Dr. Ulrich Neyer – für sein unermüdliches Engagement seit der Gründung der Patientenvertretung im Jahr 1980 bedanken. Dieses Engagement wurde in bewährter Weise von Prof. Dr. Karl Lhotta und heute von Prim. Priv.-Doz. Dr. Emanuel Zitt fortgeführt. Wir sind überzeugt, dass diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit auch in Zukunft nachhaltig zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten weitergeführt, intensiviert und stetig verbessert wird. Auf viele weitere Jahre erfolgreicher Kooperation!»

Andreas Mathies I Präsident ARGE Niere Österreich, Obmann Verein Niere Vorarlberg

«50 Jahre Dialyse in Vorarlberg: Ein beachtliches Jubiläum und ein eindrucksvolles Beispiel für gelebte medizinische Spitzenleistung in unserem Land. Mein Dank gilt dem engagierten Team, das mit hoher Professionalität und großem Einsatz seit Jahrzehnten für eine umfassende Versorgung der Patientinnen und Patienten sorgt. Mit dem neuen, modernen Dialysezentrum in Rankweil wird ein weiterer Meilenstein gesetzt, der die Zukunft der nephrologischen Versorgung in Vorarlberg nachhaltig stärkt. Ich gratuliere dem gesamten Team rund um Prim. Priv.-Doz. Dr. Emanuel Zitt zu diesem besonderen Anlass.»

Martina Rüscher, MBA, MSc I Gesundheitslandesrätin

«Die Geschichte der Dialyse ist geprägt von einem ganz besonderen Engagement führender Medizinerinnen und Mediziner sowie vieler anderer Berufsgruppen. Für ein relativ kleines Bundesland ist es gelungen, stets am Puls der Zeit eine fachlich und menschlich hervorragende Betreuung unserer Dialysepatientinnen und -patienten zu gewährleisten.»
Dir. Dr. Gerald Fleisch und Dir. Priv.-Doz. Dr. Peter Fraunberger I Geschäftsführer VLKH

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