Sozialhilfe – Regierung gab "Startschuss" zur geplanten Reform

Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ), Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) und NEOS-Klubobmann Yannick Shetty stellten die groben Eckpunkte der geplanten Reform vor. Das Vorhaben ist nach wie vor recht vage, im Zentrum steht die bundesweite Vereinheitlichung, eine Integrationsphase und der Fokus auf Kinder. In Kraft treten soll die Reform 2027.
Die Pläne der Regierung für die "Sozialhilfe NEU" wurden bereits im Regierungsprogramm grob skizziert. Wesentliche Botschaft der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag im Bundeskanzleramt war, dass nun die Verhandlungen mit den Ländern starten. "Wir stehen jetzt da, um zu sagen: Es geht los", sagte Ressortchefin Schumann auf die Frage, was nun gegenüber den bisher kolportierten Plänen neu sei.
Reform soll Anfang 2027 in Kraft treten
Die Umsetzung wird freilich Zeit brauchen. Ziel sei es, die Reform bis Anfang 2027 in Kraft zu setzen, hieß es. Die Sozialhilfereform sei "eine wirklich große Reform, die macht man nicht von heute auf morgen", so Schumann. "Jetzt geht die Knochenarbeit an, sich gemeinsam auf den Weg zu machen und gemeinsame Lösung zu finden. Ich bin wirklich hoffnungsfroh, dass es zu einer guten gemeinsamen Lösung kommen wird." Bereits diese Woche soll ein Ministerratsvortrag beschlossen werden, kommenden Donnerstag (25. September) soll es zu einer "Auftaktsitzung" mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer und der Sozialsprecher kommen.
Bei dieser Sitzung werde man auch die rechtliche Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes vorlegen - zu verfassungs- und kompetenzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Reform. Das Gutachten liege nun seit zehn Tagen vor, den Inhalt werde man aber zunächst den Bundesländern vorstellen, "dann geben wir die weiteren Schritte bekannt", so Schumann.
Bundesweite Vereinheitlichung als Ziel
Vorgesehen ist eine bundesweite Vereinheitlichung der derzeit je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen, ebenso die schon zuvor angekündigte geplante Betreuung arbeitsfähiger Bezieherinnen und Bezieher über das Arbeitsmarktservice (AMS). Man müsse vom "Fleckerlteppich wegkommen", sagt Schumann. Die Sozialleistungen sollen "bedarfsgerecht, integrationsfördernd und zukunftsorientiert" sein und ein "Sprungbrett in die Selbsterhaltung" sein, hieß es darüber hinaus in einer Presseunterlage der Regierung. Gleichzeitig müsse der Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit gewahrt bleiben - in Relation zu im Rahmen einer Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen. Schumann betonte hier aber gleichzeitig, es gelte, besondere Schwerpunkte auf jene zu legen, die etwa aus Alters- oder Behinderungsgründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können.
Integrationsphase als zentraler Punkt
Geplant ist auch die Einführung eines verpflichtenden Integrationsprogramms "ab Tag 1": Dieses soll Schwerpunkte beim Deutscherwerb, der Arbeitsvermittlung und der Wertevermittlung umfassen - sowie Sanktionsmöglichkeiten (etwa Leistungskürzungen) bei Nichteinhaltung. In dieser Zeit der "Integrationsphase" sollen jedenfalls weniger Leistungen im Vergleich zur vollen Höhe zur Verfügung stehen - die Rede ist von einer "Integrationsbeihilfe".
Einmal mehr klargestellt wurde von Integrationsministerin Plakolm, dass diese Integrationsphase nicht für österreichische Staatsbürger gelten wird. Bei diesem Punkt gab es in der Vorwoche noch anderslautende Aussagen aus dem Sozialministerium, wonach die Phase für alle gelten hätte sollen, was für Verwunderung bei den Koalitionspartnern ÖVP und NEOS sorgte.
NEOS-Klubchef Shetty sprach von einem "echten Mammutprojekt, einer riesigen Reform". "Das ist ein Startschuss für einen Systemwechsel in der Sozialhilfe", diese solle bundeseinheitlicher, fairer und treffsicherer werden.
Schumann: Kinder im Fokus
Vorgesehen sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut und Verbesserung der "Chancengerechtigkeit" aller Kinder und Jugendlichen - ein Punkt, den vor allem die SPÖ stets einforderte (Stichwort "Kindergrundsicherung").
Gesprochen wird hier nun von einer "Zukunftssicherung für Kinder". Schumann sagte dazu, es gehe darum, den Kindern "Möglichkeiten und Chancen" zu geben, mit Transferleistungen aber gleichzeitig einem "starken Fokus auf Sachleistungen", etwa betreffend Kinderbildungseinrichtungen, der Elementarpädagogik, Nachmittagsbetreuung, Ferienbetreuung - und einer "gesunden Mahlzeit in einer Bildungseinrichtung". Auch die Gesundheitsversorgung der Kinder soll laut Regierung verbessert werden.
Plakolm: Sozialhilfe muss "gerecht" sein
Integrationsministerin Plakolm betonte bei der Pressekonferenz, die Sozialhilfe müsse "gerecht und unmissverständlich" sein. Man habe "bisher" Milliarden für die Sozialhilfe und Mindestsicherung ausgegeben - und dies leider "viel zu oft für Menschen, die bisher keinen Cent ins System eingezahlt haben, die Sozialleistungen als bequemen Ersatz für Erwerbstätigkeit sehen", schlug sie deutlich schärfere Töne an als Schumann. Es müsse "unmissverständlich klar sein", dass die Sozialhilfe nur vorübergehend und als ein "letztes Netz" zur Verfügung steht.
Menschen, die arbeiten und sich bemühen für ihre Familie selbst zu sorgen, müssten jedenfalls ein gutes Stück mehr haben, sprach sie auch die immer wieder aufkeimende Diskussion um sehr hohe Leistungen für Familien mit vielen Kindern an - etwa eine syrische Familie, die 6.000 Euro Sozialhilfe und 3.000 Euro an Familienleistungen erhalten habe. "Genau solche Beispiele zeigen, dass das System völlig aus den Fugen geraten ist."
Daher habe es auch den Auftrag gegeben zu prüfen, ob die Anrechnung von Familienleistungen auf die Sozialhilfe verfassungskonform sei, laut Verfassungsdienst sei dies möglich, so Plakolm. "Mit der Sozialhilfe sollen und müssen alle Kosten für Kinder abgedeckt sein, deswegen ist es aus meiner Sicht nicht nötig, dass man hier noch 3.000 Euro oben drauf gibt." Sozialleistungen gebe es (für Zuwanderer, Anm.) erst nach drei Jahren und die volle Höhe Integrationsgeld nur dann, wenn alle Auflagen erfüllt werden, betonte sie.
Shetty: Keine "Rückendeckung" bei "mutwilliger" Blockierung von Integration
Shetty betonte, Österreich sei immer solidarisch gewesen, wenn es um Hilfe ging. "Aber es wird keine Rückendeckung für diejenigen geben, die Integration mutwillig blockieren." Auch werde es einen "Fast Track" Richtung Arbeitsmarkt geben für Asylberechtigte. Diese sollten "möglichst schnell dazu gebracht werden, Steuern zu zahlen und nicht Steuern zu kosten", so der NEOS-Klubobmann. Gleichzeitig betonte er, dass die von Plakolm genannte Familie mit 9.000 Euro ein "Extrembeispiel" sei - deswegen sei es aber gut, "dass wir auf Sachleistungen setzen".
Schumann betonte, für sie sei bei der Sanktionsfrage auch die bessere Verbindlichkeit wichtig, denn damit komme es auch zu einer besseren Form der Möglichkeit der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, das sei ihr als Arbeitsministerin besonders wichtig.
VfGH kippte Staffelung der Kindersätze 2019
Ein zentrales Ziel der Bundesregierung ist die Neuregelung der Kindersätze bei der Sozialhilfe. Denn derzeit gelten für diese je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) waren ursprünglich Höchstsätze für Kinder vorgesehen - und hierbei eine Staffelung.
Während das erste Kind 25 Prozent der Ausgleichszulage erhielt, war für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind 5 Prozent vorgesehen. Diese Regelung wurde im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt, da dies als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet wurde. Die Kinderrichtsätze werden daher aktuell von den Ländern selbst festgelegt, es gibt keine Vorgabe des Bundes mehr.
FPÖ ortet "Mogelpackung", Grüne sehen "nichts Neues"
Kritik kam von der FPÖ. Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sprach von einer "reinen Augenauswischerei und einer gefährlichen Mogelpackung". Anstatt die Zuwanderung in das heimische Sozialsystem "endlich zu stoppen" werde mit dem Vorhaben ein "neuer Magnet für Sozialtourismus" geschaffen. Während die Bürger unter der Rekordteuerung "ächzen" bastele die Regierung an einem "neuen Integrationsprogramm für Asylforderer - nicht die Erschwernis des Zugangs in unser Sozialsystem steht im Vordergrund, sondern die Integration in dieses". Insbesondere die Ankündigung "verpflichtender Integration ab Tag 1" sei eine "reine Nebelgranate".
Unzufrieden zeigten sich auch die Grünen, wenn auch aus anderem Grund: "Wieder einmal wenig Konkretes und nichts Neues - dafür jede Menge Altbekanntes aus dem Regierungsprogramm", sagte der grüne Arbeits- und Sozialsprecher Markus Koza in einer Aussendung. Statt sich "ständig in Ankündigungen zu verlieren" sei die Regierung "dringend aufgerufen, sich mit den Sozialorganisationen an einen Tisch zu setzen und eine Gesamtreform auszuarbeiten, die diesen Namen auch verdient", forderte er u.a. Mindest- statt Höchstsätze sowie eine eigenständige Kindergrundsicherung außerhalb der Sozialhilfe.
(APA)
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