Die geplante Schließung der Geburtenstation am Landeskrankenhaus Bludenz zum 1. Jänner 2026 ist offenbar das Ergebnis jahrelanger Diskussionen und organisatorischer Mängel. Diese Probleme wurden nun in einem Gutachten angeführt, das von der KHBG selbst in Auftrag gegeben wurde. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, ob die Geburtenstation in Bludenz angesichts einer erwarteten Geburtenzahl von rund 300 pro Jahr überhaupt noch sicher und effizient betrieben werden kann. Die personellen und organisatorischen Anforderungen sind enorm. Die Schließung kleiner Geburtenstationen entspricht einem internationalen Trend, der sich bereits in anderen österreichischen Bundesländern wie Tirol, Niederösterreich und der Steiermark sowie in Südtirol (ITA) und der Schweiz zeigt.
Obwohl offiziell eine "medizinische Entscheidung" kommuniziert wurde, offenbart das Gutachten von Priv. -Doz. Dr. med. univ. Manfred Georg Mörtl tiefer liegende Probleme – insbesondere die gescheiterte Zusammenführung der Krankenhäuser Bludenz und Feldkirch im Rahmen des "Spital-Campus"-Projekts.
Mangelnde Kooperation im Fokus
Das Gutachten, das VOL.AT vorliegt, bestätigt die Schließung zwar als einzige sinnvolle Option, nennt jedoch die mangelhafte Kooperation seit der Zusammenlegung der Abteilungen im Jänner 2022 als Hauptgrund. Schriftliche Vereinbarungen oder Organigramme zur Regelung der Zusammenarbeit wurden nicht erstellt, stattdessen hätten gegenseitige Vorwürfe lösungsorientierte Ansätze ersetzt. Nach zweieinhalb Jahren sei die Zusammenführung gescheitert und eine Verbesserung der Zusammenarbeit misslungen, heißt es deutlich im Gutachten.

Personalmangel verschärft die Lage
Ein weiterer kritischer Faktor ist der Personalmangel in der Geburtshilfe. Die Bludenzer Geburtenstation konnte nur unter größten Anstrengungen betrieben werden. Zudem stehen wichtige Leistungsträger in Geburtshilfe und Anästhesie vor der Pensionierung.
Gefahr für werdende Mütter
In dem Gutachten wird ausdrücklich vor einer "Kette ständig wechselnder Vertretungsärzte" gewarnt, die erhebliche Gefahren für Mutter und Kind mit sich bringen würden. Bei einer geringen Geburtenzahl von rund 300 pro Jahr sei keine ausreichende Routine für Notfallsituationen gewährleistet.

"Rein politische Entscheidung"
Bemerkenswert ist, dass das Gutachten ein Szenario der vollständigen Schließung (Modell C) der geburtshilflichen und gynäkologischen Tätigkeit in Bludenz als "rein politische Entscheidung" bezeichnet. Damit wird deutlich, dass die Entscheidung zur Schließung der Geburtenstation keineswegs ausschließlich medizinisch begründet sein muss, sondern oft maßgeblich von politischen und organisatorischen Faktoren beeinflusst wird.
"Herkulesaufgabe"
Die vom Gutachten empfohlene Verlegung der Kreißsaalaktivität nach Feldkirch und die Fortführung ambulanter gynäkologischer und geburtshilflicher Angebote, wie der Still- und Schwangerschaftsambulanz, in Bludenz wird als "die einzig realistische Option" bewertet. Die Umsetzung dieses Modells sei jedoch eine "Herkulesaufgabe", die ausschließlich durch intelligente, einfühlsame und bindende Vereinbarungen sowie durch "aus der Not entstehende Einsicht und beiderseitigen Willen" erreicht werden könne. Kirchturmdenken und politische Klientelbefriedigung müssten dabei explizit vermieden werden. Auch wenn die Schließung der Kreißsäle in Bludenz für die Zukunft der Perinatalmedizin in der Region als unumgänglich gilt, sei der bisherige Weg dorthin laut Gutachten durch interne Konflikte, mangelnde Führungsqualität und gescheiterte Zusammenführungsversuche geprägt.

Landesrätin Martina Rüscher betonte in einer Stellungnahme, dass ihr Ziel ursprünglich gewesen sei, die Geburtshilfe in Bludenz dauerhaft zu sichern – finanziell und personell seien dafür alle Voraussetzungen gegeben gewesen. Letztendlich habe man jedoch aus Gründen der medizinischen Sicherheit und Qualität keine andere Wahl gehabt. Gleichzeitig verspricht Rüscher, den Frauen in der Region weiterhin "eine verlässliche Anlaufstelle vor und nach der Geburt" anzubieten, etwa durch spezialisierte Sprechstunden. Das Gutachten macht indes deutlich, dass dieser Schritt nicht nur medizinisch, sondern vor allem organisatorisch zwingend erforderlich wurde. Es mahnt ausdrücklich, dass der Weg zur dringend notwendigen Schwerpunktbildung in der Perinatalmedizin in Feldkirch nur dann erfolgreich sein werde, wenn sich die Verantwortlichen konsequent von "Kirchturmdenken" und politischen Eigeninteressen verabschieden – eine Aufgabe, an der sie bislang offensichtlich gescheitert sind. (VOL.AT)
Zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens
- Langfristige Planung nicht praktikabel: „Die Planung einer Weiterführung der Kreißsaalaktivität im LKH Bludenz für die nächsten 10 Jahre erscheint in der Zusammenschau nicht praktikabel.“
- Risiko durch Vertretungsärzte: „Eine Krankenhausstruktur mit einer Kette ständig wechselnder Vertretungsärzte von auswärts ist gerade in einem sensiblen Bereich wie der Geburtshilfe höchst problematisch und mit erheblichen Gefahren verbunden.“
- Dringende Fallzahlerhöhung notwendig: „Die Übernahme der Kreißsaalaktivität ins LKH Feldkirch würde zur dringend benötigten Fallzahlerhöhung führen, deren Bewältigung auch erst geprüft werden müsste.“
- Standortsicherung durch Schwerpunktbildung: „Mit der Zusammenführung der Ressourcen in Feldkirch könnte die für den äußersten Westen Österreichs notwendige Schwerpunktbildung in der Perinatalmedizin wesentlich vorangetrieben werden. Nur so kann auch der Standort Feldkirch auf Dauer gesichert werden.“
VOL.AT-Interview mit Dir. Dr. Gerald Fleisch (KHBG)

VOL.AT: Der Gutachter wählt teilweise sehr scharfe und kritische Formulierungen. Wie beurteilen Sie diese Aussagen?
Gerald Fleisch: Das Gutachten ist sicherlich deutlich formuliert. Allerdings empfinde ich es nicht als Gefälligkeitsgutachten, sondern als ausgewogene Bewertung. Natürlich enthält es klare Kritikpunkte, und das hilft uns auch, unsere Prozesse und Strukturen zu verbessern. Dennoch ändert die Schärfe der Formulierungen nichts am Kern der Entscheidung, die aus medizinischen Gründen notwendig ist.
VOL.AT: Im Gutachten steht unter anderem auch, dass die vollständige Schließung als "rein politische Entscheidung" zu werten sei. Wie ist diese Aussage genau zu interpretieren?
Gerald Fleisch: Das bezieht sich auf ein anderes Modell, das Modell C. Wir setzen aber das Modell B um, also nur die Schließung der Geburtshilfe. Diese Entscheidung basiert eindeutig auf medizinischen Gründen und nicht auf politischen Überlegungen. Das Gutachten formuliert hier sehr frei, aber wir stellen klar, dass es sich bei der Geburtshilfe um eine hochsensible Disziplin handelt, bei der die Sicherheit und Qualität im Vordergrund stehen müssen. Man muss den richtigen Zeitpunkt finden, um einen Betrieb zu beenden, bevor es zu riskanten Situationen kommt.
VOL.AT: Kritiker sagen, diese Entscheidung hätte man bereits vor drei Jahren treffen können. Warum kommt sie erst jetzt?
Gerald Fleisch: Vor drei Jahren war die fachärztliche Situation noch weniger kritisch. Mittlerweile stehen wichtige Leistungsträger kurz vor der Pensionierung, und die Geburtenzahlen sind leicht rückläufig. Das macht den aktuellen Zeitpunkt für die Schließung richtig und notwendig.
VOL.AT: Der Gutachter bemängelt organisatorische Mängel bei der Zusammenführung der Abteilungen, wie fehlende Organigramme. Müssen Sie sich hier selbstkritisch hinterfragen?
Gerald Fleisch: Wir sind geübt in der Zusammenführung von Abteilungen und haben damit grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Der Gutachter hat aber recht, manche Aspekte hätten besser umgesetzt werden können. Allerdings hätte auch eine bessere organisatorische Umsetzung letztlich nichts an der Notwendigkeit der Schließung geändert.
VOL.AT: Was passiert mit dem Personal in Bludenz?
Gerald Fleisch: Ein Teil des Personals bleibt in Bludenz, etwa für die Tagesklinik, Schwangerenambulanz und Hebammenstation. Andere werden nach Feldkirch oder an andere Standorte verteilt. Es wird keine Kündigungen geben, sondern nur Personalverschiebungen, selbstverständlich immer in Absprache mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
VOL.AT: Gibt es Maßnahmen, um das Personal bei diesem Übergang zu begleiten?
Gerald Fleisch: Ja, natürlich. Wir bieten umfangreiche begleitende Maßnahmen wie Teambuilding, Mediation oder auch Einzelcoaching an. Diese werden individuell abgestimmt und durchgeführt, um die Integration bestmöglich zu unterstützen.
VOL.AT: Zum Abschluss noch die Fahrzeiten: Wie problematisch ist die Lage von Feldkirch, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrssituation?
Gerald Fleisch: Die Lage des Landeskrankenhauses Feldkirch mitten in der Stadt ist durchaus ein Thema, vor allem mit Blick auf die Verkehrssituation rund um die Bärenkreuzung. Dennoch genießen Rettungsorganisationen – ob bodengebunden oder Luftrettung – immer Vorrang. Als das Krankenhaus Feldkirch 1973 eröffnet wurde, war es optimal gelegen, noch bevor die Rheintalautobahn existierte. Heute ist die Verkehrssituation komplexer geworden, aber wir würden von der geplanten Tunnelspinne profitieren. Klar gibt es Herausforderungen, aber grundsätzlich sind die Fahrzeiten in Vorarlberg überschaubar.
VOL.AT: Und was bedeutet die Schließung für Frauen aus entlegeneren Orten wie Partenen oder St. Gallenkirch im hinteren Montafon?
Gerald Fleisch: Bludenz bleibt für Notfälle selbstverständlich anfahrbar, auch wenn dort keine geplanten Geburten mehr stattfinden werden. Etwas scharf formuliert: Es gibt keine wirklich entlegenen Gegenden in Vorarlberg aus spitalsplanerischer Sicht. Eine Gebärende aus Warth fährt heute auch nach Bregenz – ebenfalls eine beträchtliche Strecke. Vorarlberg ist schlicht zu kompakt, um von einer wirklich entlegenen Region sprechen zu können. Man könnte sogar sagen, dass wir in Vorarlberg in dieser Hinsicht sehr verwöhnt sind.
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