Sebastian Kurz wird hofiert. Jüngst ist er vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei einer Veranstaltung unweit von Budapest begrüßt worden; wie unter anderem auch Alice Weidel, die Chefin der deutschen AfD. Und die „Neue Zürcher Zeitung“ hat gerade ein großes Interview mit dem ehemaligen Kanzler und ÖVP-Chef veröffentlicht, in dem es weniger um sein unternehmerisches Tun als um seine politischen Ansichten ging. Insbesondere zu Flucht und Migration, was er nützte, um Rechtspopulismus zu pflegen und mehr Härte zu fordern.
Einmal mehr zeigt sich: Der Mann ist nicht fertig mit Politik. Und seine Comeback-Chancen steigen. Erstens: Hierzulande wächst das Potenzial für einen Mann oder eine Frau mit einer eigenen neuen Liste. Das kann man zum Beispiel daraus ableiten, dass Herbert Kickl (FPÖ) bei einer Kanzlerdirektwahl haushoch gewinnen würde. Laut einer aktuellen „Standard“-Umfrage würde er mit 30 Prozent ähnlich viel Zuspruch erhalten wie Amtsinhaber Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neus) zusammen (33 Prozent).
Das ist insofern bemerkenswert, als ihm laut APA/OGM-Index vergleichsweise wenig Vertrauen bzw. extrem viel Misstrauen entgegengebracht wird. Dass er trotzdem so hoch im Kurs ist, hat damit zu tun, dass die Abneigung gegenüber den Mitbewerbern so groß ist, ja dass er sich dafür anbietet, ihnen eine Absage zu erteilen oder sie gar zu demütigen. Immerhin verspricht er, das bestehende politische System zu zerschlagen.
Zweitens: Naheliegender als eine eigene Liste zu gründen ist es für Sebastian Kurz noch immer, ein weiteres Mal nach 2017 die ÖVP zu übernehmen. Parteiintern mag es Vorbehalte und Widerstände geben. Dem steht jedoch eine regelrechte Notlage gegenüber: Stocker macht nichts falsch, aber zu wenig wirklich gut. Bei einer Kanzlerdirektwahl müsste er sich mit 13 Prozent begnügen, also nicht einmal halb so viel wie Kickl. Die ÖVP hält als Partei kaum über 20 Prozent bzw. gut ein Drittel weniger als die FPÖ.
Kein Wunder, könnte man sagen, Stocker und seine ÖVP haben gerade ein unpopuläres Sparpaket vorlegen müssen. Stimmt. Ihr Problem ist jedoch, dass es keine Aussicht auf bessere Zeiten gibt, sondern dass eher weitere Sparpakete notwendig werden.
Es ist auch kein Trost für sie, dass erst in zwei Jahren wieder Wahlen stattfinden. Ändert sich nichts an ihrer misslichen Lage, ist es dann zu spät: Dann wird zunächst in Oberösterreich und anderen Ländern sowie letzten Endes auf Bundesebene gewählt, besteht überall die Gefahr, dass sie verlieren und Freiheitliche abräumen.
Das ist so absehbar, dass man es in der ÖVP eher nicht darauf ankommen lassen wird, sondern Kurz um ein Comeback bitten wird. Offene Affären wie jene um Inserate stehen dem nicht im Weg. Kurz bleibt für relevante Teile der Partei die letzte Hoffnung auf Machterhalt. Zumal er zumindest von reichweitenstarken Boulevardmedien nach wie vor wie ein Superstar behandelt wird. Grund: Er bringt Klicks, weil er die einen aufregt und andere beeindruckt, aber kaum jemanden kalt lässt. Wie Kickl, der momentan ohne Konkurrenz ist.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.