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Anstieg bei psychiatrischen Zwangsunterbringungen

Die Zahl der Psychiatrie-Unterbringungen variiert je nach Bundesland.
Die Zahl der Psychiatrie-Unterbringungen variiert je nach Bundesland. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Rund 770 Personen sind in Österreich täglich gegen oder ohne ihren Willen in psychiatrischer Behandlung. Neue Daten zeigen, dass Ort, Dauer und Maßnahmen stark variieren – besonders betroffen sind auch Kinder und Jugendliche.

Im Jahr 2024 wurden österreichweit über 25.000 Unterbringungen nach dem Unterbringungsgesetz (UbG) gemeldet. Täglich befinden sich im Schnitt etwa 770 Menschen zwangsweise in psychiatrischen Einrichtungen – meist aufgrund akuter Eigen- oder Fremdgefährdung.

Laut dem Erwachsenenschutzverein Vertretungsnetz ist das Risiko einer solchen Unterbringung in Tirol oder der Steiermark fast doppelt so hoch wie in Wien oder Niederösterreich. Auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer unterscheidet sich erheblich: Während in Salzburg rund acht Tage veranschlagt werden, liegt der Schnitt in Wien bei knapp 14 Tagen.

Hohe Zahlen bei Minderjährigen

Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen: 2024 wurden fast 2.700 Minderjährige untergebracht. Seit Beginn der Pandemie 2020 sei das Niveau durchgehend hoch geblieben, so das Vertretungsnetz.

Zudem nimmt die Zahl wiederholter Unterbringungen bei jungen Menschen zu. Immer mehr von ihnen werden fünfmal oder öfter pro Jahr aufgenommen – deutlich häufiger als bei Erwachsenen. Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter der Patientenanwaltschaft, warnt: "Mehr wiederholte Unterbringungen lassen befürchten, dass die jungen Menschen aufgrund des Bettendrucks zu rasch und damit unzureichend stabilisiert entlassen werden."

Fixierungen und andere Einschränkungen

Neben der Unterbringung selbst kommen auch weitere einschränkende Maßnahmen zur Anwendung. So werden etwa Patientinnen und Patienten in akuten Situationen in Räumen fixiert, dürfen diese nicht verlassen oder erhalten sedierende Medikamente. Etwa ein Drittel der Untergebrachten erfährt laut Vertretungsnetz eine räumliche Einschränkung, rund ein Viertel wird mit Gurtsystemen am Bett fixiert.

Auffallend ist auch hier ein regionales Gefälle: In Kärnten und Tirol werden Fixierungen deutlich häufiger eingesetzt als etwa in Niederösterreich oder dem Burgenland. Rappert betont die Notwendigkeit eines fachlichen Austauschs zwischen den Kliniken, um Ursachen für diese Unterschiede zu analysieren.

Neue gesetzliche Möglichkeiten

Seit zwei Jahren ist eine Novelle des Unterbringungsgesetzes in Kraft, die das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stärken soll. Sie ermöglicht unter anderem, medizinische Behandlungen im Vorhinein gerichtlich überprüfen zu lassen. 2024 wurde diese Möglichkeit über 600 Mal in Anspruch genommen. Die meisten Anträge wurden genehmigt.

"Für die Betroffenen fühlt es sich trotzdem anders an, wenn sie ihre Anliegen auf Augenhöhe äußern können", betont Rappert. Die Akzeptanz der Behandlungen steige dadurch spürbar.

(APA/Red)

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