Gletscherabbruch in der Schweiz: So steht es um Blatten im Lötschental

"Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Lage ruhig", teilte der Krisenstab gegen Mittag mit. Auch im weiteren Tagesverlauf zeichnete sich eine gewisse Entspannung der Lage ab.
Offenbar fließen kleinere Mengen durch den auf gut zwei Kilometern aufgehäuften Schuttberg ab. Anzeichen, dass das Wasser Geröll mit in die Tiefe reißen könnte, gibt es zunächst nicht. Ein Überschwappen ist nach diesen Angaben weniger wahrscheinlich als noch am Morgen. Der Geologe des Kantons Wallis, Raphaël Mayoraz, sagte dem Sender RTS: "Mit fortschreitender Zeit reduziert sich langsam aber sicher das Risiko eines Katastrophenszenarios." Einsätze sind im Katastrophengebiet aber weiterhin nicht möglich.
Bisher ist jedenfalls kein Wasser über den Schuttkegel geschwappt. "Es zeichnet sich ein erstes Gerinne ab", sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren bei einer Pressekonferenz im Lötschental. "Der Verlauf hat uns optimistisch gestimmt, dass das Wasser sich einen guten Weg sucht."
Bewohner zur Flucht bereit
In zwei Gemeinden weiter unten im Tal sitzen Bewohner dennoch auf gepackten Koffern. "Wir fordern die Bewohner auf, persönliche Vorbereitungen zu treffen, um innert möglichst kurzer Zeit die Wohnungen verlassen zu können", teilen die Gemeinden Steg-Hohtenn und Gampel-Bratsch mit. Sie würden über die Notfall-App Alertswiss und Sirenen alarmiert, wenn doch eine Flutwelle oder Gerölllawine kommt.

Die Gemeinden Gampel und Steg liegen rund 20 Kilometer unterhalb des verschütteten Dorfes Blatten. Dazwischen sind bei Ferden ein Staudamm und Auffangbecken. Dort wurde bereits Wasser abgelassen, und die Hoffnung ist, dass das Becken die ganzen Wassermassen auffangen kann. Im weiteren Verlauf des Freitags konnte zumindest von einer positiven Entwicklung der Lage berichtet werden. Stéphane Ganzer, Staatsrat im Kanton Wallis "Dennoch bleibt das Risiko, auch, wenn es sinkt."
Gefahr weiterhin nicht ausgeschlossen
Noch können Experten aber die Gefahr, dass sich das Wasser der hinter dem Schuttkegel angestauten Lonza plötzlich einen breiteren Canyon bahnt und nach unten schießt, nicht ausschließen. Ebenso ist möglich, dass dabei Geröll- und Gesteinsmassen mitgerissen werden. Das Katastrophengebiet liegt im oberen Lötschental auf rund 1.500 Metern. Oberhalb des Dorfes, am gut 3300 Meter hohen Berg Kleines Nesthorn, ist seit Wochen instabiler Fels abgebrochen. Weil immer mehr Felsbrocken und Geröll 500 Meter runter auf den Birschgletscher donnerten, brach dieser am Mittwochnachmittag ab und stürzte samt Geröll und Steinen ins Tal.
Das Dorf Blatten ist fast völlig unter meterhohem Schutt verschwunden. Die meisten der wenigen Häuser, die verschont blieben, sind inzwischen durch das aufgestaute Wasser der Lonza überflutet. Die rund 300 Einwohner von Blatten waren vergangene Woche in Sicherheit gebracht worden. Ein Einheimischer, der sich am Mittwoch im Katastrophengebiet aufhielt, wird noch vermisst.
Eingreifen unmöglich
Bewohner und Behörden sind zum Abwarten verdammt. Es besteht keine Möglichkeit, den Abfluss etwa durch das Fräsen einer Rinne in den Schuttberg in geordnete Bahnen zu lenken. Dafür ist das Gelände zu instabil. Menschen und Maschinen könnten einbrechen. "Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können", sagte Studer von der Dienststelle Naturgefahren. Die Armee steht aber bereit, sobald es die Lage zulässt, mit Räumungsarbeiten zu beginnen.
Zudem drohen weitere Felsabbrüche. An der ursprünglichen Abbruchstelle können immer noch mehrere Hunderttausend Kubikmeter Gestein abstürzen. Zudem wurden bei dem Gletscherabbruch am Mittwoch Geröll und Schuttmassen über den Talboden hinweg und auf der gegenüberliegenden Hangseite hochgeschoben. Auch sie könnten als Gerölllawine wieder abrutschen.
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter machte sich bei einem Hubschrauberüberflug selbst ein Bild der Zerstörung. "Dass ein ganzes Dorf ausgelöscht wurde, ist unbegreiflich", sagte sie. Sie sicherte den Bewohnern weitreichende Unterstützung zu.
(APA/dpa)
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