AA

Bangen wegen Wassermassen nach Gletscherabbruch in der Schweiz

©AFP, Screenshot YouTube
Nach einer nervenaufreibenden Nacht richten sich im Katastrophengebiet des gigantischen Gletscherabbruchs im Lötschental im Schweizer Kanton Wallis alle Augen auf den entstandenen Stausee hinter dem Schuttkegel.
Suche nach Vermisstem eingestellt
Blatten größtenteils zerstört

Dass sich die Wassermassen einen Weg ins Tal bahnen müssen, steht fest - aber ob das geordnet oder chaotisch abläuft, ist ungewiss. Ein Eingreifen mit Maschinen ist kaum möglich, weil der Schuttberg instabil ist und weitere Hangrutschungen drohen.

Gigantische Fels-, Eis- und Geröllmengen haben am Mittwoch nicht nur das Dorf Blatten unter sich begraben, sondern auch das Bett des Flüsschens Lonza blockiert. Das Wasser hat sich zu einem See gestaut. Der Wasserstand stieg zeitweise stündlich um drei Meter. Talbewohner, Katastrophenhelfer und die herbeigerufenen Armeeangehörigen mussten allerdings tatenlos zusehen, wie sich die Lage zuspitzt. Mit schwerem Gerät Furchen für einen geordneten Ablauf des Wassers in den Schuttpegel zu fräsen, ist keine Option.

Kein Eingreifen möglich

"Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können", sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren des Kantons Wallis im Schweizer Fernsehen. Es gebe mehrere Gefahrenquellen: Der Schuttberg ist instabil, weil er aus Felsbrocken, losem Schutt und Gletschereis besteht, das schon teils geschmolzen sein dürfte. Weder Menschen noch Maschinen wären darauf sicher.

Gleichzeitig drohen von beiden Seiten des Tals weitere Rutschungen: An der ursprünglichen Abbruchstelle am Kleinen Nesthorn können immer noch mehrere hunderttausend Kubikmeter Gestein abstürzen. Zudem wurden bei dem Gletscherabbruch Geröll und Schuttmassen über den Talboden hinweg und auf der gegenüberliegenden Hangseite hochgeschoben. Auch sie könnten als Gerölllawine wieder abrutschen.

Staubecken vorsichtshalber geleert

Die Behörden können sich zurzeit nur mit der Gefahrenbeurteilung und organisatorischen Maßnahmen befassen, sagte Studer. "Wir können sicherstellen, dass sich möglichst keine Personen in einem gefährdeten Gebiet aufhalten." Zudem wurde ein weiter unten bei Ferden an der Lonza gelegener Stausee vorsichtshalber geleert, um als Auffangbecken zu dienen.

Studer spricht aber auch das Schreckensszenario an, das zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist: "Das "worst case"-Szenario ist, dass plötzlich entgegen den aktuell als eher realistisch eingeschätzten Szenarien viel mehr Wasser und Geschiebe kommt, das das Staubecken Ferden nicht mehr zu schlucken vermag", sagte er. Einzelne Häuser entlang des Flussbettes wurden geräumt.

Menschen packen das Nötigste

Hinter dem Schuttkegel des Gletscherabbruchs im Lötschental ist der gestaute Fluss Lonza so bedrohlich angeschwollen, dass die Behörden weitere Gemeinden auf eine Räumung vorbereiteten. "Wir fordern die Bewohner auf, persönliche Vorbereitungen zu treffen, um innert möglichst kurzer Zeit die Wohnungen verlassen zu können", teilen die Gemeinden Steg-Hohtenn und Gampel-Bratsch auf ihrer Webseite mit. Insgesamt wohnen in dem Gebiet mehr als 2.000 Menschen, aber der Aufruf gilt nur für die Ortsteile am Talgrund, wie die Gemeinden mitteilen.

In der Nähe von Gampel fließt die Lonza in die Rhone - wenn sie Wasser führt. Das Flussbett ist aber nach dem gigantischen Gletscherabbruch am Mittwoch auf rund 1.500 Metern Höhe durch meterhohe Schuttberge blockiert. Dahinter stauen sich die Wassermassen. Die Behörden hoffen darauf, dass sich das Wasser einen Weg bahnt und gemächlich abfließt. Völlig auszuschließen ist nach Angaben der Behörden aber nicht, dass das Wasser über den Schuttkegel schwappt und eine Flutwelle oder eine Gerölllawine ins Tal rauscht, wenn das Wasser Teile des instabilen Schuttkegels mitreißt.

(APA)

  • VOL.AT
  • Schweiz
  • Bangen wegen Wassermassen nach Gletscherabbruch in der Schweiz