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Grüne zerreibt‘s

Gastkommentar von Johannes Huber.
Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/HANS KLAUS TECHT (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. In Wien droht der Ökopartei das schlechteste Wahlergebnis seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Kein Wunder.

Es ist ein schwacher Trost für Judith Pühringer von den Grünen, dass Selma Arapović von den Neos bei einer Bürgermeisterin-Direktwahl nur ein Prozent erreichen und damit noch schlechter abschneiden würde als sie. Ihr werden in einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins „News“ fünf Prozent ausgewiesen. Besser liegen mit 54 Prozent Amtsinhaber Michael Ludwig (SPÖ) sowie mit 22 Prozent Dominik Nepp (FPÖ), mit zehn Prozent Karl Mahrer (ÖVP) und mit sechs Prozent selbst Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der es noch einmal mit einer eigenen Liste wissen will.

Für Judith Pühringer und die Grünen ist das ein Armutszeugnis: Neos-Frau Selma Arapović ist kurzfristig für ihren Parteichef Christoph Wiederkehr eingesprungen, der als Bildungsminister in die Bundesregierung gewechselt ist; bei ihr ist es keine Überraschung, dass sie den meisten Leuten unbekannt ist und daher auch von kaum jemanden direkt gewählt werden würde. Bei Pühringer ist das jedoch anders: Vor viereinhalb Jahren wurde sie amtsführende Stadträtin, vor dreieinhalb Jahren gemeinsam mit Peter Kraus Grünen-Sprecherin. Da ist es schon bemerkenswert, dass nicht mehr Wähler wollen, dass sie Bürgermeisterin wird.

Es ist jedoch kein Wunder: Pühringer hat noch nie ein Thema gesetzt, sie hat noch nie polarisiert. Sie agiert zwar professionell und schlägt sich auch in einem ZIB2-Live-Interview entsprechend, bei den Zusehern bleibt aber nichts hängen. Sprich: Sie schafft sich keine Gegner, aber auch keine wahrnehmbare Fan-Gemeinde. Das ist das Schlimmste, was einer Politikerin passieren kann.

So kann sich kein Erfolg einstellen. Im Gegenteil: Laut der „News“-Umfrage liegen die Grünen gut eineinhalb Wochen vor der Gemeinderatswahl am 27. April bei elf Prozent. Das sind um rund vier Prozentpunkte weniger als beim Urnengang im Herbst 2020 – und wäre das schlechteste Gemeinderatswahlergebnis der Partei seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Weniger erreichten sie zuletzt 1996 mit acht Prozent.

Wie ist das möglich? Auch das ist erklärbar: Sollten sie wirklich Stimmen verlieren, würde sich das einreihen in eine Serie von Wahlniederlagen, die sie seit geraumer Zeit erfahren. Sie stehen zwar für das wichtige Thema Klimaschutz, können damit aber weniger denn je holen. Erstens: Als Regierungspartei auf Bundesebene haben sie auch eigene Leute mehr enttäuscht als überzeugt. Zweitens: Getan haben sie das bei einem Teil der eigenen Anhängerschaft etwa mit ihrer Zustimmung zur Einstellung der „Wiener Zeitung“, der Einführung der Corona-Impfpflicht sowie der Nicht-Verhinderung von Abschiebungen. Drittens: Es gibt im Moment so viele weitere Krisen neben der ums Klima, dass sie damit nicht mehr groß punkten können.

Viertens: Vor allem aber werden die Grünen zerrieben. Und zwar zwischen der SPÖ und den Neos. Mit Andreas Babler an der Bundesparteispitze sprechen Sozialdemokraten auch ihre Klientel an und mit Michael Ludwig als Bürgermeister tun es die Roten in Wien kaum weniger. Dieser lässt die City verkehrsberuhigen und den Lobautunnel vergessen bzw. damit erst nach der Wahl ernst machen.

Die Neos wiederum haben gerade einen Lauf: Sie könnten bei der Wien-Wahl trotz weithin unbekannter Spitzenkandidatin als Partei – ausgehend von siebeneinhalb Prozent im Jahr 2000 - zu einem ähnlichen Stimmenanteil kommen wie die Grünen. Ihnen wird angerechnet, dass sie mit Wiederkehr und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger auf Bundesebene gerade Regierungsverantwortung übernommen haben. Das wiederum „muss“ auf Kosten der Grünen gehen: Diese leben unter anderem von Wechselwählern, die entweder grün oder pink wählen – und jetzt eher zu letzterem neigen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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