AA

Trump, Zölle und neue Machtverhältnisse: Droht die NATO-Spaltung?

US-Außenminister Rubio betont amerikanisches Bekenntnis zur Allianz
US-Außenminister Rubio betont amerikanisches Bekenntnis zur Allianz ©AFP
Ungeachtet zunehmender transatlantischer Spannungen stehen die USA nach den Worten von Außenminister Marco Rubio weiterhin fest zur NATO.
NATO setzt klare Warnung an Putin: Angriff auf Polen hätte drastische Folgen

Allerdings müssten die europäischen Verbündeten deutlich höhere Verteidigungsausgaben leisten, sagte Rubio am Donnerstag zum Auftakt zweitägiger Beratungen der Außenminister der 32 Mitgliedstaaten in Brüssel. Dabei nannte Rubio erneut die Zielmarke für die Verteidigungsausgaben von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung.

"Wir wollen, dass die NATO stärker wird. Wir wollen, dass die NATO leistungsfähiger wird. Und die einzige Möglichkeit, wie die NATO stärker und leistungsfähiger werden kann, ist, wenn unsere Partner (...) über mehr Fähigkeiten verfügen", sagte Rubio. Er verstehe, dass es nach Jahrzehnten des Aufbaus umfangreicher sozialer Sicherungssysteme möglicherweise unpopulär sei, davon abzuzweigen und mehr in die nationale Sicherheit zu investieren. Aber die Ereignisse der vergangenen Jahre seien eine Erinnerung daran, dass harte Macht als Abschreckung weiterhin notwendig sei.

Rubio erwartet gemeinsames Verständnis

Aus US-Sicht müsse es am Ende des NATO-Treffens ein gemeinsames Verständnis darüber geben, dass sich jedes einzelne Mitglied verpflichten sollte, auf Verteidigungsausgaben von bis zu fünf Prozent zu kommen. "Niemand erwartet, dass das in einem Jahr oder zwei erreicht werden kann. Aber der Weg dahin muss glaubwürdig sein", sagte Rubio. Dies sei eine unbequeme, aber grundlegende Wahrheit, die jetzt ausgesprochen werden müsse.

Große NATO-Länder wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien sehen Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts bisher auf absehbare Zeit als unrealistisch an. Deutschland und Frankreich kamen zuletzt auf nur etwas mehr als zwei Prozent, Italien und Spanien lagen sogar sehr deutlich darunter. Ziel ist es derzeit, beim nächsten NATO-Gipfel im Juni eine neue gemeinsame Zielvorgabe für Verteidigungsausgaben zu vereinbaren.

Sind die Sorgen nur Hysterie?

Befürchtungen, dass Trump im Streit über das Thema einen Austritt der USA aus der NATO anstreben könnte, bezeichnete Rubio als unbegründete Hysterie und Übertreibung. "Präsident Trump hat klargemacht, dass er die NATO unterstützt", sagte er. Die USA würden im Bündnis bleiben. Ein Beweis dafür sei auch, dass es seit diesem Donnerstag einen neuen US-Botschafter bei der NATO gebe.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte wies solche Befürchtungen ebenfalls zurück. "Es gibt keine Pläne, dass sie (die USA, Anm.) ihre Präsenz hier in Europa plötzlich verringern", sagte Rutte am Rande des Treffens. Gleichzeitig sei klar, dass "Amerika als Supermacht mehr als einen Schauplatz zu bedienen hat", fügte er unter Verweis auf China und den Indopazifik hinzu.

Luxemburg pocht auf Klarheit über US-Position

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock beschwor die Einheit der Allianz. "Die NATO ist ein kraftvolles Orchester und kein Soloakt", sagte sie bei ihrer Ankunft in Brüssel. "In einer gemeinsamen Symphonie entsteht unsere Stärke für Sicherheit, einer für alle und alle für einen." Dieses Motto habe das Bündnis in seinem nunmehr 75-jährigen Bestehen stark gemacht. "Und das gilt erst recht in diesen Zeiten", fügte Baerbock mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hinzu.

Er erwarte beim Außenministertreffen in Sachen transatlantische Partnerschaft einen "Moment der Wahrheit", sagte Luxemburgs Chefdiplomat Xavier Bettel vor Beginn der Brüsseler Beratungen. Die USA müssten nun deutlich machen, was sie überhaupt noch mit Europa zu tun haben wollten, sagte Bettel auch mit Blick auf die neuen US-Strafzölle, die die europäische Wirtschaft hart treffen dürften. Die USA und Europa hätten einen gemeinsamen Feind, namentlich Russland, betonte Bettel. "Ich hoffe, dass wir einen gemeinsamen Nenner finden", fügte er hinzu. "Wir müssen pragmatisch sein."

Norwegen erinnert wegen Strafzöllen an NATO-Vertrag

Für die europäischen Alliierten sind die Zölle auch deswegen relevant, weil schwerwiegende negative Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung erwartet werden. Sie könnten deswegen auch die von Trump geforderte Aufrüstung in Europa ausbremsen.

Der norwegische Außenminister Espen Barth Eide sagte: "Es ist wichtig zu verstehen, dass wir gemeinsam schneller und besser wachsen - und dass wir wirtschaftliches Wachstum brauchen, wenn wir Ressourcen für eine stärkere Verteidigung aufbauen wollen. Protektionismus wird uns dabei nicht helfen." Er verwies dabei auch darauf, dass dies bereits die Gründer der NATO 1949 erkannt und in Artikel 2 des NATO-Vertrags festgehalten haben. Dort heißt es, die NATO-Staaten sollten bestrebt sein, "Gegensätze in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen oder allen Parteien zu fördern".

Gespräche über Ukraine und Waffenruhe

Beim zweitägigen Treffen soll über die Zukunft des transatlantischen Bündnisses diskutiert werden, insbesondere über eine weitere Steigerung der Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder und Kanadas. US-Präsident Donald Trump hatte in den vergangenen Monaten wiederholt die Beistandsverpflichtungen innerhalb der NATO in Frage gestellt und von den NATO-Partnern eine Aufstockung ihres Verteidigungsbudgets auf fünf Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) gefordert.

Weitere Themen des Treffens werden die Lage in der Ukraine und die Verhandlungen um eine Waffenruhe sein, die Washington derzeit mit Moskau und Kiew führt. Die jüngste Ankündigung massiver Zollerhöhungen durch Trump soll laut Rutte keine Rolle in den Gesprächen spielen. "Bei diesem Treffen geht es natürlich nicht um wirtschaftliche Fragen und Themen", sagte er. Der Fokus aller NATO-Mitglieder liege darauf, "wie NATO-Territorium zu verteidigen ist".

Zu den turnusgemäßen Beratungen der 32 Mitgliedstaaten ist zunächst ein Austausch mit den Partnern im Indopazifik - Australien, Japan, Südkorea und Neuseeland - geplant. Am Abend ist ein Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha vorgesehen. Am Freitag wird die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erwartet, bevor das NATO-Treffen zu Mittag zu Ende geht.

(APA/AFP/Reuters/dpa)

  • VOL.AT
  • Politik
  • Trump, Zölle und neue Machtverhältnisse: Droht die NATO-Spaltung?