Ereignisse haben die Bedeutung, die ihnen eine Gesellschaft gibt. Eine wesentliche Rolle dabei spielen Politikerinnen und Politiker: Sie haben Mittel und Möglichkeiten, Einfluss auf das Problembewusstsein der Öffentlichkeit zu nehmen.
Was passiert, wenn ein Asylwerber etwas anstellt, ist bekannt: Es gibt eine Pressekonferenz oder zumindest eine Aussendung, in der das aufgegriffen wird und harte Konsequenzen gefordert werden. Umso bemerkenswerter ist, dass es gerade so ruhig geblieben ist, als Sicherheitsbehörden schier organisierte „Hate Crime“ aufgedeckt haben: 18 Personen wurden hierzulande festgenommen. Sie sollen vorwiegend homosexuelle Männer zu Treffen an abgelegenen Orten gelockt und sie dort erniedrigt und misshandelt haben.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sowie Vertreter fast aller Parteien haben das verurteilt. Höchstens eine Pflichtübung war das. Von den Freiheitlichen kam nichts. Das lässt tief blicken.
Um nicht missverstanden zu werden: Vor dem Gesetz haben alle gleich zu sein. Ob Asylwerber oder Nicht-Asylwerber. Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz haben nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis bestehender Bestimmungen zu agieren. Dafür braucht es keine politischen Zurufe. Im Gegensteil, in diesem Zusammenhang sind sie eher sogar verzichtbar. Wir haben ja keine Politjustiz.
Es geht aber um Stimmungen in der Gesellschaft: In Österreich ist es für vergleichsweise viele Menschen nicht normal bzw. nicht selbstverständlich, dass es Homosexuelle gibt, die dazu stehen. Darauf lassen Ergebnisse einer Eurobarometer-Erhebung schließen: Nur 66 Prozent finden, an einer Beziehung zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts sei „nichts Falsches“. In Deutschland und Frankreich tun es über 80, in den Niederlanden und in Schweden über 90 Prozent.
Kein Wunder: In Österreich hat es zum Beispiel länger gedauert, bis die Ehe für alle eingeführt worden ist; und das auch nur, weil es aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes notwendig war. Die ÖVP, die sich als Partei der Mitte betrachtet, hat sich erst spät bereit dazu erklärt. Die FPÖ kritisierte selbst noch die Einführung per 1. Jänner 2019: „Ungleiches wird gleichbehandelt“, wetterte ihr damaliger Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung gegen die „Homo-Ehe“.
Es ist der FPÖ unbenommen, ihre Idealvorstellungen in Bezug auf Lebensentwürfe zu propagieren. Eine Grenzüberschreitung nimmt sie jedoch vor, wenn sie gegen die LGBTQ+-Bewegung auftritt. Wenn sie ein Verbot von Transgender-Athleten fordert. Wenn sie sich, wie im vergangenen Jahr in St. Pölten, gegen eine Pride-Parade ausspricht. Oder wenn der oberösterreichische Parteichef Manfred Haimbuchner in den Raum stellt, diese Leute würden „nichts leisten“: Dadurch befeuert sie Stimmungen, die gefährlich werden können.
Dabei kann und darf sie zwar nicht unmittelbar für das zur Verantwortung gezogen werden, was Einzelne daraus ableiten und dann machen. Es würde jedoch in ihrer Verantwortung liegen, klarzumachen, was nicht geduldet wird und „Hate Crimes“ daher auch so deutlich zu verurteilen, wie sie es bei anderen Gewaltverbrechen tut. Es wäre ein wichtiges Signal.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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