"Wird große Reformen geben": Gespanntes Warten auf Regierungsprogramm

ÖVP, SPÖ und NEOS sollen sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf eine Reform der Weisungsspitze in der Justiz geeinigt haben. Statt der Ressortchefin oder des Ressortchefs soll künftig bei clamorosen, also prominenten, Fällen ein unabhängiges Gremium die Letztentscheidung treffen, berichten "Kurier" und "Kronen Zeitung".
Die "Krone" schreibt auch von einer Einigung in Sachen Wohnen. So sollen die Mietpreise drei Jahre eingefroren werden. Gleiches soll gemäß einem Bericht des "Standard" für den ORF-Beitrag gelten, der bis 2029 nicht inflationsangepasst werden soll.
Man verhandle weiter über noch offene inhaltliche Punkte, und davon gibt es laut NEOS "einige". Ein Termin für die Mitte der Woche angepeilte Präsentation steht weiter aus. Während die Ministerienverteilung geklärt ist, wird innerhalb der Parteien noch um die Besetzung gerungen.
Für einen Abschluss der Koalitionsverhandlungen fehlt nach Ansicht des Wiener Vizebürgermeisters Christoph Wiederkehrs (NEOS) nicht mehr besonders viel. Man sei gestern wieder lange beisammengesessen und habe große Durchbrüche erzielt, sagte er am Dienstag. "Es wird große Reformen geben, allein weil der Budgetdruck so hoch ist."
Angepeilt wird von den Parteien weiterhin eine Präsentation des Regierungsprogramms am morgigen Mittwoch oder am Donnerstag. Als möglicher Angelobungstermin gilt der kommende Montag, vorausgesetzt dass die Mitglieder der NEOS bei ihrer Versammlung am Sonntag eine Koalitionsvereinbarung absegnen. Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es am Dienstag eine Anfrage für einen konkreten Angelobungstermin habe es bisher noch nicht gegeben, aber man sei bereit. Allerdings will Bundespräsident Alexander Van der Bellen die ihm persönlich noch nicht bekannten Kandidatinnen und Kandidaten für ein Ministeramt zuvor noch zu einem Gespräch treffen. Die Parteien dürften dennoch den Montag anpeilen, um eine Amtseinführung am Faschingsdienstag wegen der Symbolik zu vermeiden. Nicht in Frage kommt aus Sicht der Präsidentschaftskanzlei nur eine Angelobung am Aschermittwoch, weil der Bundespräsident da im Ausland ist.
Koalitionsverhandlungen: Ringen um Besetzung der Ministerien innerhalb der Parteien
Um welche inhaltlichen Details bei den Koalitionsverhandlungen noch gerungen wird, wollten die Parteien nicht verraten. Laut NEOS gibt es aber "noch einige" offene Punkte. Man sei aber nach wie vor positiv, dass diese geklärt werden könnten, hieß es. Als geklärt gilt die Frage der Ministerienverteilung unter den Parteien - mit je sechs Ressorts für ÖVP und SPÖ und zwei für die NEOS. Zudem hat man sich auf sieben Staatssekretäre geeinigt, je drei für ÖVP und SPÖ, einen für die NEOS. Ein entsprechender Bericht des "Standard" wurde der APA aus Verhandlerkreisen bestätigt.
Ungewöhnlich hoch dürfte dafür die Zahl der Staatssekretäre und -Sekretärinnen werden. Wie der APA aus Verhandlerkreisen ein Bericht des "Standard" bestätigt wurde, haben sich die drei Parteien auf sieben geeinigt. Seit der ersten Regierung unter Werner Faymann (SPÖ) 2008 gab es nie mehr als vier. Ganze acht Staatssekretäre waren in der rot-blauen Koalition unter Bundeskanzler Fred Sinowatz im Einsatz. Die letzte von Bruno Kreisky angeführte Alleinregierung der SPÖ verfügte nach einigen Wechseln am Ende sogar über neun. Formal zählen Staatssekretäre nicht als Mitglieder der Bundesregierung. Denn sie nehmen zwar am Ministerrat Teil, haben dort aber kein Stimmrecht. Sie sind einzelnen Ministern zugeteilt, unterstützen diese und können sie auch im Nationalrat vertreten. In den in Österreich über weite Strecken tätigen Koalitionsregierungen hatten Staatssekretäre oft auch die Rolle eines "Kontrollors" im von der "anderen" Partei geführten Ministerium.
Offen sein dürfte teilweise aber die Besetzung innerhalb der Parteien. Am klarsten ist das Bild bisher bei der ÖVP, wo bei Inneres, Verteidigung und Landwirtschaft die bisherigen Minister im Amt bleiben sollen. Mehr Gesprächsbedarf gibt es offenbar noch in der SPÖ, wo noch intern um die Besetzung der wichtigen Ministerien für Finanzen, Infrastruktur und Justiz gerungen werden soll. Fürs Finanzministerium wurde zuletzt neben dem früheren ORF-Chef Alexander Wrabetz und der Salzburger Nationalratsabgeordneten Michaela Schmidt auch wieder der Wiener Stadtrat Peter Hanke genannt. Am Dienstagabend diskutierte das SPÖ-Präsidium inhaltlich. Abstimmen wollen die Sozialdemokraten über das Regierungsprogramm und ihr Personal dann am Freitag - sollte bis dahin alles fertig sein.
Ministerliste auch bei den NEOS noch nicht fix
Auch noch nicht fix ist laut Wiederkehr die Ministerliste bei den NEOS. Diese Entscheidung werde erst in den Gremien getroffen. Das Personalpaket sowie das inhaltliche Programm würde dann der Mitgliederversammlung am Sonntag vorgelegt. Zu Spekulationen um eine Rückkehr von Ex-NEOS-Chef Matthias Strolz, der sein Interesse am Amt des Bildungsministers öffentlich bekundet hat, meinte er am Dienstag vor Journalisten, sowohl ihn selbst als Person als auch dessen Antrieb zu schätzen. "Gut, dass es Optionen gibt." Auch Wiederkehr selbst wird häufig als möglicher Bildungsminister genannt.
Kritik aus den eigenen Reihen wie etwa jene des Tiroler NEOS-Chefs Dominik Oberhofer wollte Wiederkehr nicht überbewerten. "Einzelmeinungen gibt es immer." Spitzenkandidat für die Wiener Gemeinderatswahl will Wiederkehr jedenfalls bleiben - dazu habe ihn die Wiener Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende gewählt.
Die SPÖ versucht, ihr Spitzenpersonal auf den letzten Metern der Koalitionsverhandlungen mitzunehmen. Dienstagabend startete eine Präsidiumssitzung, in der man den Verhandlungsstand bzw. das fast schon fixierte Koalitionsabkommen diskutieren wollte. Zum kolportierten SPÖ-internen Postenkleinkrieg wollte sich vor Beginn niemand äußern. Der weitere Zeitplan: Wenn das Regierungsprogramm steht, sollen am Freitag die SPÖ-Gremien darüber sowie über die Ministerliste abstimmen.
Derzeit ist noch schwer absehbar, welche Namen sich am Ende darauf finden werden. Dass schon in der nun angelaufenen Sitzung die entsprechenden Entscheidungen fallen, ist unwahrscheinlich, betonten doch auch die eintreffenden Parteigranden, dass es zunächst um Inhalte gehe. Letztlich wird sich Parteichef Andreas Babler jedenfalls wohl schwer tun, all seine Vorschläge durchzubringen, ohne allzu viel Porzellan zu zerbrechen.
Gerüchte um Ressort für Babler
Fix im roten Team sind eigentlich nur zwei Dinge. Frauenchefin Eva Maria Holzleitner soll das Frauenministerium übernehmen und ÖGB-Vize Korinna Schumann nach der frühen Absage von GPA-Chefin Barbara Teiber das Sozialministerium. Dass Babler Vizekanzler wird, ist natürlich klar. Doch ist noch nicht fix, welche Funktionen er nebenbei übernimmt. Zuletzt war das Gerücht hochgekommen, dass er das mächtige, aber auch zeitaufwendige Infrastruktur-Ressort leiten könnte.
Damit wäre dort kein Platz mehr für den niederösterreichischen Landeschef Sven Hergovich, mit dem Babler alles andere als befreundet ist, der aber die starke Unterstützung der Dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures genießt. Als Alternative zu Babler selbst wird auch noch die dem ÖGB entstammende ÖBB-Managerin Silvia Angelo gehandelt.
Finanzministerium zentrale Frage
Übernähme der Parteichef selbst, würden die Kultur- und Medien-Agenden frei, die man dann dem früheren ORF-Chef Alexander Wrabetz anbieten könnte. Der wiederum ist jedoch der Kandidat der mächtigen Wiener Stadtpartei für das Finanzressort.
Aber auch hier hat Babler andere Pläne und will an dieser zentralen Position eine Vertraute installieren, nämlich die Salzburger Nationalratsabgeordnete Michaela Schmidt. Die gilt zwar als fachlich durchaus kompetent, hat aber bei ÖVP und NEOS nicht unbedingt das beste Standing. Als Kompromisskandidat kristallisierte sich zuletzt Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke heraus.
Schwer wird es für Babler auch, die frühere Integrationsstaatssekretärin Muna Duzdar für das Justizressort durchzubringen. Die Babler-Unterstützerin der ersten Stunden ist zwar Wienerin, aber in der Stadtpartei so schlecht angeschrieben, dass man ihr nicht einmal chancenreiche Plätze für die Nationalratswahl angeboten hat. Außerdem hat die Anwältin mit einem umstrittenen Posting in Sachen russischer Angriffskrieg in der Ukraine, als sie offen der NATO eine Mitschuld an der Lage gab, schon für negative Schlagzeilen gesorgt. Nunmehr wird sie auch für ein Staatssekretariat entweder für Medien oder Integration gehandelt.
(APA/Red)
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