"Das zeigt, dass die Nationalsozialisten bei keinem Alter Halt gemacht haben"
Der Ort für die Gedenksteine ist nicht ohne Grund gewählt: Im Gebäude in der Seestraße 1 in Bregenz, wo sich heute das "vorarlberg museum" befindet, war damals in der NS-Zeit das Gesundheitsamt des Landratsamt (BH) Bregenz untergebracht. Geleitet wurde dieses damals von Theodor Leubner. Unter den 28 verewigten Namen sind unter anderem Bregenzer, in Bregenz geborene Personen oder auch Personen, die in Bregenz gewohnt haben.
Den Opfern "Einen Namen geben"
"Das Ziel der Stolpersteine in Bregenz ist das Gedenken an die Opfer der Nationalsozialistischen Sozial- und Gesundheitspolitik", so Florian Guggenberger vom Stadtarchiv Bregenz. Der Historiker erwähnt eine bereits bestehende Gedenktafel bei der Seekapelle, worauf auch die "namenlosen Euthanasieopfer" erwähnt werden. "Dadurch dass sich in der Geschichtsforschung gerade auch in Hinblick auf die Euthanasieopfern in der letzten Zeit viel getan hat, war das der Anlass, diesen einen Namen zu geben", erklärt der 32-Jährige. Die Steine stammen vom Kölner Künstler Gunter Demnig, welcher diese im Rahmen eines Europäischen Kunstprojekts herstellt.

Gesundheitszentrum
Doch was passierte in diesem Gebäude, wo die Stolpersteine nun davor den Gehweg schmücken? Zu Beginn des Jahres 1941 spielte das Gesundheitsamt eine entscheidende Rolle bei der Räumung von Versorgungshäusern im Kreis Bregenz. Die selektierten Heimbewohner wurden dort gesammelt und dann in die "Valduna" in Rankweil und anschließend am 24. März 1941 in die "Heil- und Pflegeanstalt" nach Hall gebracht. Ein Großteil davon wurde im Rahmen der "Aktion T4" in Hartheim in Oberösterreich ermordet. Das Gesundheitsamt führte laut dem Stadtarchiv zwei Karteien, welche sie als Grundlage für diese Aktionen verwendete. Diese trugen die Bezeichnungen "Geisteskranke und Psychopathen" und "Trinkerfürsorge". Es sollten auch Menschen mit möglichen "Erbkrankheiten" berücksichtigt werden, unabhängig von einer tatsächlichen Diagnose.

Mit nur drei Jahren zu Tode gebracht
Während der NS-Zeit hatte der Begriff „Euthanasie“ eine schreckliche Bedeutung, die weit entfernt von einem freiwilligen, würdevollen Tod war, der eigentlichen Bedeutung des Begriffes. Eigentlich galt im 19. Jahrhundert die "Euthanasie" als Sterbebegleitung ohne Lebensverkürzung mit medizinischer Behandlung. Im Nationalsozialismus kam es unter dem Deckmantel der "Euthanasie" jedoch zum systematischen Massenmord von Menschen, die als „lebensunwert“ galten. Das waren etwa Menschen mit Behinderung, Kinder mit schweren Erkrankungen oder Menschen mit psychischer Erkrankungen. Darunter waren in Bregenz unter anderem Anton Amann, Theodor Anwander, und Karl Beck und 25 andere Personen, deren Namen nun auf der Seestraße in Bregenz verewigt sind.

Eindrückliche Fälle
Unter den Namen auf den goldenen Steinen sind auch dramatische Fälle von jungen Opfern. "Am eindrücklichsten sind die Fälle der Kindereuthanasie", so Guggenberger. Denn auch vor den Kindern wurde im Rahmen der NS-Euthanasie nicht zurückgeschreckt. Laut Guggenberger gibt es in Bregenz drei nachgewiesene Fälle, zwei wurden mit Stolpersteinen verewigt. Darunter ist auch Karin Fleisch, die im September 1941 geboren wurde. Sie wurde laut Guggenberger nur knapp einen Monat nach ihrem dritten Geburtstag durch eine Medikamentenüberdosis zu Tode gebracht.

Kein endgültiges Kunstwerk
Bei diesen 28 Steinen soll es jedoch nicht bleiben. Schließlich werden immer wieder neue Opfer ausgeforscht. Guggenberger bestätigt die Möglichkeit, die Stolpersteine in Bregenz am selben Ort in Zukunft zu erweitern. Erst in den vergangenen Wochen wurde etwa ein neuer anonymisierter Fall der Charlotte M. entdeckt. "Da gibt es noch keinen Stolperstein", so Guggenberger. Sie kam vom Stadtspital Bregenz auf Anweisung des Gesundheitsamtes nach der Geburt direkt in die Kinderfachabteilung Eglfing-Haar bei München in Deutschland. Nur zwei Monate nach ihrer Geburt sei diese durch Unterversorgung zu Tode gebracht worden, führt er aus. "Das zeigt, dass die Nationalsozialisten bei keinem Alter Halt gemacht haben", so der Guggenberger.

(VOL.AT)
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