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IHS-Prognose: Wirtschaftswachstum bleibt "verhalten"

Das IHS rechnet mit "verhaltenem" Wirtschaftswachstum bis 2028.
Das IHS rechnet mit "verhaltenem" Wirtschaftswachstum bis 2028. ©Pixabay (Sujet)
Laut der neuesten Mittelfristprognose des IHS wird das Wachstum der heimischen Wirtschaft in den nächsten Jahren als "verhalten" beschrieben. Angesichts des prognostizierten hohen Budgetdefizits bis 2028 empfiehlt IHS-Chef Holger Bonin der Regierung ein "kurzfristiges" Sparpaket. Kritik daran kommt vom ÖGB.

Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert für den Zeitraum von 2024 bis 2028 ein durchschnittliches reales Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent jährlich. Es wird erwartet, dass die Inflationsrate im selben Zeitraum im Durchschnitt 2,5 Prozent pro Jahr beträgt, die Arbeitslosenquote bei 6,3 Prozent liegt und das Defizit des Staatsbudgets 2,8 Prozent erreicht.

IHS-Prognose: Privater Konsum trägt Wirtschaftswachstum

In den Jahren 2024 und 2025 soll sich der Zuwachs der Wirtschaftsleistung in Österreich auf 0,3 Prozent bzw. 1,6 Prozent belaufen und 2026 bis 2028 auf rund 1,2 Prozent bzw. zweimal 0,9 Prozent. Getragen wird das Wirtschaftswachstum laut IHS vom privaten Konsum und der Nachfrage der Unternehmen nach dauerhaften Produktionsmitteln, der Zuwachs der Exporte dürfte "schwach bleiben". Die demografische Entwicklung werde den Fachkräftemangel "weiter verschärfen" und das Wachstum des Produktionspotenzials der österreichischen Volkswirtschaft schwächen, warnen die Wirtschaftsforscher.

Zeitraum 2019-2023 und 2024-2028, WIrtschaftswachstum, Inflation, Arbeitslosigkeit, Defizit

"Vor dem Hintergrund der verringerten Wettbewerbsfähigkeit in Folge des starken Energie- und Lohnkostenanstiegs dürfte das Wachstum der heimischen Wirtschaft etwas hinter dem Potenzialwachstum zurückbleiben, sodass auch im Jahr 2028 noch eine leicht negative Produktionslücke resultiert", schreiben die IHS-Ökonomen in ihrem Prognosebericht. Zum Vergleich: Im Zeitraum 2014 bis 2018 lag das reale Wirtschaftswachstum im Schnitt bei 1,7 Prozent pro Jahr, 2019 bis 2023 aufgrund der Corona- und Teuerungskrise bei 0,5 Prozent und für 2024 bis 2028 laut Prognose bei 1 Prozent.

IHS erwartet deutlichen Rückgang der Inflation

Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent bzw. 7,8 Prozent erwartet das IHS heuer einen Rückgang der Teuerungsrate auf 3,2 Prozent und dann bis 2026 ein weiteres Absinken auf 2 Prozent sowie einen leichten Anstieg auf 2,2 Prozent bis 2028. Die Konjunkturexperten erwarten aufgrund der Wirtschaftserholung ab 2025 und des demografiebedingt langsameren Wachstum des Arbeitskräfteangebots einen Rückgang der Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren. Bis zum Jahr 2028 soll die Arbeitslosenquote auf 5,8 Prozent sinken. Im Jahr 2023 lag die Arbeitslosenrate bei 6,4 Prozent.

Risiken für IHS-Prognose durch Konflikte

Die IHS-Ökonomen verweisen aber auf mehrere Risiken für die Mittelfristprognose: Eine Eskalation der Konflikte, etwa im Nahen Osten oder in der Ukraine, würde den Welthandel belasten und die Preise für Energie steigen lassen. Weitere Handelskonflikte könnten die Erholung der Welthandel und Industrieproduktion bremsen. Weiters gebe es "erhebliche Unsicherheit" im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl hinsichtlich der wirtschafts- und geopolitischen Rahmenbedingungen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat bereits vergangene Woche seine Mittelfristprognose bis 2028 veröffentlicht: Nur beim durchschnittlichen Budgetdefizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unterscheidet sich die Wifo-Prognose mit 3,2 Prozent pro Jahr von der IHS-Schätzung von 2,8 Prozent merkbar. Bei Wirtschaftswachstum, Inflation und Arbeitslosenquote prognostizieren beide Institute nahezu idente Werte.

IHS-Chef für Sparpaket in Höhe von 2 bis 4 Mrd. Euro notwendig

IHS-Chef Holger Bonin fordert ein "kurzfristiges" Sparpaket und sieht einen Einsparungsbedarf von 2 bis 4 Mrd. Euro. Nichts davon sei "populär" und man werde damit "keinen Wahlkampf gewinnen", sagte Bonin in Richtung der türkis-grünen Regierung. "Man muss einmal das Budget systematisch durchforsten". "Sinnvolle Investitionen", etwa in Forschung und Entwicklung, dürfe man aber nicht zurückfahren, so der Spitzenökonom. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet für 2024 in Österreich ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit einen Verstoß gegen die EU-Fiskalregeln. "Österreich droht ein blauer Brief aus Brüssel", sagte Bonin. Für 2024 bis 2028 prognostiziert das IHS hierzulande eine Budgetsaldo von im Schnitt minus 2,8 Prozent pro Jahr. Das Wifo bezifferte das jährliche Budgetdefizit bis 2028 vergangene Woche mit durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr.

"Langfristig wird dieses kurzfristige Sparpaket nicht reichen", warnte der IHS-Direktor. Im Bereich Bildung und Gesundheit sowie den Pensionen müsse es "eine stärkere Effizienzorientierung" geben. Da müsse die nächste Regierung "ran", so Bonin. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnte Anfang Juli in ihrem 140-seitigen Länderbericht zu Österreich, die finanziellen Auswirkungen der alternden Bevölkerung zu unterschätzen. Ohne Reformen in Österreich im Bereich Gesundheit, Langzeitpflege und Pensionen würde die öffentliche Schuldenquote in Prozent des BIP laut OECD-Prognose von zuletzt 78 Prozent über die nächsten Jahrzehnte auf 171 Prozent im Jahr 2060 nach oben schnellen.

Der IHS-Chef empfahl der Regierung auch "eine effizienzorientierte Steuerreform" mit einer Entlastung des Faktors Arbeit und eine Anhebung des faktischen Pensionsalters durch höhere Abschläge bei der Korridorpension. Eine höhere Besteuerung kann sich Bonin bei Alkohol, Sprit, Tabak sowie Grund und Boden vorstellen. Der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) sollte laut Bonin anstatt von den Unternehmern aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden. Bei der Besteuerung von Arbeit sollten die unteren Steuerstufen "verbreitert" werden, so der Ökonom. Über 34.500 Euro bis 66.600 Euro Jahreseinkommen gelte in Österreich ein Grenzsteuersatz von 40 Prozent, in Deutschland würde der Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab rund 66.800 Euro greifen. Eine Absenkung der Steuerstufen "im unteren Bereich" mache etwa Stundenaufstockungen von Teilzeitkräften finanziell attraktiver und sei besser als Überstunden steuerfrei zu stellen, erklärte der IHS-Chef.

ÖGB-Kritik an IHS-Forderung nach Sparpaket

Nichts abgewinnen kann den Vorschlägen der ÖGB. Chefökonomin Helene Schuberth verwies in einer Aussendung stattdessen auf die Einführung vermögensbezogener Steuern. IHS-Chef Bonin schaffe es, über ein Sparpaket zu sprechen, ohne einnahmenseitige Maßnahmen zu erwähnen. SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer forderte wiederum einen Kassasturz, der vor der anstehenden Nationalratswahl Pflicht sei.

Die "standortfeindliche Politik von ÖVP und Grünen" bremse weiter massiv die Wirtschaft ein, konstatierte FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger, der die Lösung in "Volkskanzler Herbert Kickl" sieht. "Österreich hat ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem", schlossen wiederum die NEOS aus den Aussagen. Man müsse die "Leistungsträger in unserer Gesellschaft entlasten, statt belasten", forderte NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker.

(APA/Red)

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