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Private Investoren im Gesundheitssystem steigern Kosten und senken Qualität

Privatisierungen im Gesundheitssystem könnten den Patienten teuer kommen.
Privatisierungen im Gesundheitssystem könnten den Patienten teuer kommen. ©APA/CanvaPro (Sujet)
Im Rahmen der Gesundheitsreform, die von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) als Folge des neuen Finanzausgleichs vorangetrieben wird, wird auch über potenzielle private Investoren im österreichischen Gesundheitswesen diskutiert.
Wiener Ärztekammer warnt vor Einfluss von Konzernen

Zwei aktuelle US-Studien belegen: Der Einstieg von privatem Kapital bzw. die Übernahme von Gesundheitseinrichtungen steigert die Kosten und senkt die Qualität der Versorgung.

Gesundheitssystem: Private Investoren steigern Kosten und senken Qualität

"Es gibt jede Menge Hinweise dafür, dass die Übernahme von Gesundheitseinrichtungen im Gesundheitssektor die Kosten für die Versorgung hinauftreibt. Eine neue Studie zeigt auch, dass die Qualität sinkt", schrieb jetzt der US-Pharma-Info-Dienst STAT.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu privaten Investoren im Gesundheitsbereich

Die wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema wurde am Stefanitag im weltweit angesehenen Journal der American Medical Association (JAMA) veröffentlicht. "Spitäler, die durch Privatinvestoren übernommen worden waren, hatten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (kein Verkauf an Investoren; Anm.) einen Anstieg an Komplikationen um 25 Prozent (...). Diese Resultate ergänzen eine wachsende Menge an wissenschaftlicher Literatur, welche die Schäden belegen, wenn Finanzinvestoren Gesundheitsversorger übernehmen - nicht nur Spitäler, aber auch Pflegeheime, Hospiz-Dienste und Arztpraxen", schrieb STAT.

Analyse von Aufnahme in 51 von privaten Investoren übernommenen US-Krankenhäusern analysiert

Die Bostoner Lungenspezialistin und Intensivmedizinerin Sneha Kannan (Massachusetts General Hospital) und ihre Co-Autoren haben für ihre wissenschaftliche Untersuchung die Daten von 662.095 Patienten mit staatlicher Medicare-Krankenversicherung nach Aufnahme in 51 von privaten Investoren übernommenen US-Krankenhäusern analysiert. Als Kontrollgruppe dienten 4,160.720 Spitalsaufnahmen in 259 Krankenhäusern anderer Träger. Die Spitalsaufenthalte geschahen zwischen 2009 und 2019. Die Entwicklung der Komplikationsraten bei den "privatisierten" Krankenhäusern wurde über den Zeitraum von drei Jahren vor bis drei Jahre nach der Übernahme verfolgt.

Verkauf der Spitäler hatte für Patienten negative Folgen

Die Verkauf der Spitäler hatte für die Patienten - was deren Sicherheit betraf - negative Konsequenzen. Die Wissenschafter: "Nach dem Kauf durch private Investoren gab es bei den Medicare-Patienten, die in solche Krankenhäuser aufgenommen wurden, einen Anstieg von im Spital erworbenen Erkrankungen um 25,4 Prozent im Vergleich zu den 'Kontrollkrankenhäusern' (plus 4,6 solcher Zwischenfälle pro 10.000 Spitalsaufnahmen)."

Zunahme der Häufigkeit von Blutinfektionen

Das sei durch einen Anstieg der Zahl der Stürze von Patienten im Krankenhaus um 27,3 Prozent und eine Zunahme der Häufigkeit von Blutinfektionen (durch das Legen von Kathetern; Anm.) um 37,7 Prozent "getrieben" worden, stellten die Wissenschafter fest. Die Häufigkeit von Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen verdoppelte sich in den US-Krankenhäusern nach Übernahme durch Finanzinvestoren von 10,8 Fällen pro 10.000 Krankenhausaufnahmen auf 21,6 pro 10.000 Patienten obwohl es zu um 8,1 Prozent weniger Operationen kam.

Geringer Rückgang in der Spitalsmortalität

Ein geringer Rückgang in der Spitalsmortalität in diesen Kliniken wurde von den Autoren mit dem niedrigeren Alter der Patienten und der Überstellung in andere Krankenhäuser erklärt. Im Zeitraum bis 30 Tage nach dem Spitalsaufenthalt war die Sterblichkeit in den beiden Gruppen der Krankenhäuser wieder gleich. "Diese Ergebnisse verstärken die Besorgnis über die Folgen von Privatinvestoren in der Gesundheitsversorgung", fassten die Wissenschafter ihre Erkenntnisse in JAMA zusammen.

"Privatisierung" von Spitälern führe laut Stuien nicht zu kostengünstigeren Versorgung

In der gesundheitspolitischen Debatte in vielen Ländern kommt immer wieder das Argument auf, dass eine "Privatisierung" von Spitälern, Pflegeheimen, Ambulanzen oder Arztpraxen - zum Beispiel größere Versorgungseinheiten mit dann bei den Investoren angestellten Ärzten - zu einer kostengünstigeren Versorgung führen könne. Der US-Pharma-Infodienst führt dazu allerdings eine im Juli dieses Jahres im ebenfalls weltweit angesehenen British Medical Journal erschienene Übersichtsstudie von Alexander Borsa (Abteilung für soziomedizinische Studien; Columbia University/New York) als Gegenbeweis an.

Wissenschaftliche Studien aus acht Staaten analysiert

Die Fachleute hatten wissenschaftliche Studien aus acht Staaten neuerlich analysiert. Die meisten Untersuchungen (47) stammten aus den USA mit Gesundheitseinrichtungen in der Hand von Privatinvestoren (Pflegeheime, Spitäler, Gruppenpraxen etc. für Dermatologie, Augenheilkunde, Allgemeinmedizin, Chirurgie, Reproduktionsmedizin etc. Auch in dieser Untersuchung gab es ein negatives Resultat. "Über verschiedenen Messgrößen hinweg war das Eigentum (an der Einrichtung; Anm.) durch private Geldgeber konsistent mit einem Anstieg der Kosten für Patienten oder Zahler (z.B. Krankenversicherungen; Anm.) verbunden." Das Bild zur Qualität der Versorgung in den privaten Gesundheitseinrichtungen sei "gemischt" bis hin zu einer Tendenz zum Schlechten gewesen.

Trend von FInanzinvestoren Geld im Gesundheitswesen anzulegen

International gibt es einen starken Trend von Finanzinvestoren, ihr Geld im Gesundheitswesen anzulegen, wahrscheinlich auch, weil im Grunde jeder Mensch auf solche Dienstleistungen angewiesen ist. In der Studie in BMJ ist von weltweit mehr als 200 Milliarden US-Dollar an Kapitalflüssen für Übernahmen etc. seit dem Jahr 2021 die Rede.

"Die aktuellen Studienergebnisse bestätigen unsere bisherigen Warnungen und machen die durchgehend negativen Folgen der Konzernierung unseres Gesundheitssystems auf die Patientinnen und Patienten nochmals mehr als deutlich. Die Gesundheit der Menschen steht am Spiel. Die Ärztekammer für Wien ist tief besorgt über diese Entwicklung in Richtung Konzernmedizin in Österreich, die schon in Ländern wie den USA oder Deutschland durchgehend negative Folgen gebracht hat und die Patientensicherheit massiv gefährdet", sagte der Präsident der Ärztekammer für Wien und der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Johannes Steinhart, am Donnerstag in einer Aussendung.

Präsident Steinhart appelliert an Gesundheitsminister Rauch, dass hochwertige Gesundheitsversorgung ein Grundrecht für alle Menschen darstelle: "Herr Minister, handeln Sie im Sinne der Patientinnen und Patienten. Zustände wie in den USA darf es bei uns in Österreich niemals geben", so der ÖAK-Präsident abschließend.

(APA/Red)

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