"Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa": Wer darf in die EU-Kommission?

Die Europäische Kommission ist die Exekutive der Europäischen Union. Sie besteht aus 27 Mitgliedern - einem Kommissionspräsidenten bzw. einer Kommissionspräsidentin und 26 Kommissarinnen und Kommissaren. Jeder Mitgliedstaat darf ein Kommissionsmitglied nach Brüssel entsenden. Die Nominierungsprozesse und auch die Beweggründe dahinter sind von EU-Staat zu EU-Staat höchst unterschiedlich. Die Kommission als Ganzes muss in einem letzten Schritt vom EU-Parlament gebilligt werden.
Wer wird wie in die EU-Kommission nach Brüssel entsandt?
Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament schlägt der Europäische Rat einen Kandidaten oder eine Kandidatin für das Amt des Kommissionspräsidenten vor, der vom Europäischen Parlament mit absoluter Mehrheit bestätigt werden muss. Der Kommissionspräsident oder die Kommissionspräsidentin stellt dann das Kommissionsteam aus den Kandidatinnen und Kandidaten der Mitgliedstaaten zusammen. Der Kommissionschef bestimmt auch über die Dossiers der Kommissionsmitglieder.
Der Start der letzten EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war holprig: Die EU-Abgeordneten lehnten bei den Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder im EU-Parlament die ersten Anwärter Rumäniens, Ungarns und Frankreichs ab. Eine Verschiebung des geplanten Starttermins war die Folge. Ihr Ziel, genau gleich viele Frauen wie Männer in ihrer Kommission sitzen zu haben, hat von der Leyen nur knapp nicht erreicht: 12 Frauen standen 15 Männern gegenüber.
Auswahl der Kandidaten verläuft in den EU-Ländern unterschiedlich
Wer nach Brüssel fahren darf oder muss, wird von Mitgliedsland zu Mitgliedsland höchst unterschiedlich entschieden. In vielen Koalitionsregierungen ist im Koalitionsvertrag oder in geheimen Zusatzpapieren vereinbart, welche Partei den EU-Kommissar stellen soll. Während in den nördlichen und östlichen EU-Staaten Brüssel oft die erste Station der politischen Karriere darstellt, ist bei den Nominierten aus dem Westen und Süden der politische Zug oft bereits abgefahren. So startet der ehemalige niederländische Kommissar Frans Timmermans als Spitzenkandidat des rot-grünen Bündnisses bei der niederländischen Parlamentswahl im November. Dem bulgarischen Kommissionsmitglied Marija Gabriel gelang im Juni der Sprung ins Außenamt in Sofia. Bei Paolo Gentiloni war es umgekehrt: Er musste sich nach dem italienischen Ministerpräsidenten- mit dem Kommissarsposten begnügen.
Auch in Deutschland und Österreich galt lange Zeit das Motto: "Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa." Berühmtestes Beispiel ist hier Günther Oettinger: Der Ministerpräsident des deutschen Bundeslands Baden-Württemberg wurde 2010 trotz Kritik aus den EU-Institutionen auf den Brüsseler Kommissarsposten gehievt. Die ehemalige österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner kam 2004 nach dem Verlust der Bundespräsidentenwahl in die Brüsseler Behörde.
Österreichische Regierung nominiert Kommissionsmitglied, Bestätigung vom Nationalrat
Laut Bundesverfassungsgesetz nominiert in Österreich die Bundesregierung einen Kandidaten oder eine Kandidatin, der dann vom Hauptausschuss des Nationalrates bestätigt werden muss. Das Verfahren in der Tschechischen Republik läuft ähnlich ab: Die Regierung nominiert einen Kandidaten, der vom Ausschuss für EU-Angelegenheiten im Abgeordnetenhaus des Parlaments akzeptiert werden muss. Erst dann kann die Regierung die Nominierung formell annehmen. In Schweden entscheidet die Regierung, wer von Stockholm nach Brüssel entsandt wird.
In Belgien wird über die Kommissarsnominierung zugleich mit der Besetzung anderer Spitzenposten entschieden, da die nationalen Wahlen - föderal und regional - zur gleichen Zeit wie die Europawahlen stattfinden. Bei den anschließenden Verhandlungen über die Verteilung der verschiedenen Ressorts in den verschiedenen belgischen Regierungen wird der EU-Kommissar oder die Kommissarin einer der Koalitionsparteien zugeteilt. Hier muss wie bei allen Postenvergaben in Belgien berücksichtigt werden, dass die Aufteilung zwischen allen Sprachgemeinschaften, Regionen und auch Geschlechtern ausgewogen ist.
In Frankreich gestaltet sich die Auswahl unkomplizierter: Hier schlägt nach Beratungen mit seinem Stab und Kabinett der Staatspräsident eine französische Kandidatin oder einen Kandidaten nach Brüssel vor. 2019 wurde Emmanuel Macrons Kandidatin Sylvie Goulard dann jedoch noch vom EU-Parlament abgelehnt. Grund waren laufende Ermittlungen wegen Scheinbeschäftigung eines Mitarbeiters.
Auch in Ungarn entscheidet der Regierungschef nach Beratungen mit seiner Regierung, wer Kommissionsmitglied wird. Die Slowakei legt bei der Auswahl ihrer Kandidaten Wert auf Erfahrung und beruflichen Hintergrund, insbesondere auf dem Gebiet der europäischen Politik. Die Nominierung wird dann von der Regierung formell bestätigt. Der Premierminister unterrichtet dann Brüssel.
(APA/Red)
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