Bodenleger jahrelang ohne Lizenz – Gewerbebetrug vor dem Obersten Gerichtshof

Die Verwirklichung ihres Wohntraums, einem schmucken, barrierefreien Bungalow als Alterswohnsitz, hat Anita R. aus Dornbirn viel Zeit, Geld und Nerven gekostet.
Durch ihre Recherche konnte sie aber einer Bregenzer Baufirma, die zu Unrecht seit Jahrzehnten kostspielige Terrazzo-Böden verlegte, das Handwerk legen – inklusive Gang vor das Höchstgericht.
Fehlende Gewerbelizenz vertuscht
Aufgefallen ist ihr der Betrug in den eigenen vier Wänden. Die rüstige Gerichtssachverständige, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die teilweise schwindligen Betrügereien in ihrem geplanten Eigenheim aufzudecken, kam der Firma beim Verlegen eines teuren Terrazzobodens auf die Schliche.

ihren Alterswohnsitz wird sich aber weiter ziehen. ©MJ
Denn wie sich herausstellte, hatte das Unternehmen zwar die Gewerbeberechtigung "Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf Ausführung und Abbruch von Hochbauten, Tiefbauten und anderen verwandten Bauten", nicht aber über die Gewerbeberechtigung "Steinmetzmeister, einschließlich Kunststeinerzeugung und Terrazzomacher" bzw. "Bodenleger". Und allein beim Boden der wehrhaften Bauherrin ging es um die Summe von über 46.000 Euro.
Anita R. zog vor Gericht, denn der selbst ernannte Bodenleger beharrte darauf, andere Gewerbe im Zuge seiner Berechtigung verrichten zu dürfen. Weit gefehlt, denn der Oberste Gerichtshof entschied in dem VOL.AT vorliegenden Urteil vom 30. Juni 2022, dass dies nur in "einem geringen Ausmaß von 3 bis 10 Prozent der erbrachten Leistungen im Rahmen der Bauführung" tolerierbar sei. Im Lauteracher Bungalow war aber von 74 Prozent Umfang die Rede.

Auszug aus dem VOL.AT vorliegenden Urteil des OGH:
"Die Beklagte ist im Rahmen ihrer eingeschränkten Gewerbeberechtigung zwar berechtigt, Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten auszuführen und abzubrechen (§ 99 Abs 1 Z 3 GewO). Nach den Feststellungen war die Beklagte aber nicht mit der Ausführung eines Baus nach § 99 Abs 1 Z 3 GewO beauftragt, sondern mit der 'Schaffung und Verlegung des Terrazzobodens samt Estrich und Dämmung'. Die – für den Terrazobelag notwendige – Herstellung der Bodenkonstruktion im Sinne der Estricharbeiten stellte für die Klägerin eine (allenfalls) notwendige Vorarbeit dar. Zentrales Element war jedoch die Anbringung des (kostspieligen) Terrazzo-Weißzements. Die bloße Bodenkonstruktion kann daher schon nach der Auftragsvergabe unmöglich unter die Begrifflichkeit der Bauführung fallen. Im Übrigen spricht der Umstand, dass das Verlegen und Herstellen von Terrazzoböden (Terrazzobelägen) ein eigenständiges reglementiertes Gewerbe gemäß § 94 Z 66 GewO ist (Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeugung und Terrazzomacher), dafür, dass die Herstellung des Terrazzobodens und nicht jene des Unterbodens Hauptelement des Auftrags war."

Damit revidierte der Oberste Gerichtshof den Entscheid der vorigen Instanz und die Bauherrin bekam Recht. Obgleich die Schadensersatzklage, die in einem weiteren Prozess verhandelt wird, nach wie vor offen bleibt. Und der Bauherrin im fortgeschrittenen Alter wohl noch einiges an Ausdauer abverlangen wird.
(VOL.AT)
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