Notschlafstelle Dornbirn: Ein Anker in stürmischen Zeiten

Dass gerade in Zeiten wie diesen der Druck auf sämtliche soziale Schichten steigt, zeigt sich auch an der Zahl an Übernachtungen in der Dornbirner Jugendnotschlafstelle Anker. Und wie wichtig die Einrichtung in der Sankt-Martin-Straße 3 geworden ist: Denn das siebenköpfige Team rund um Leiterin Tatjana Tschabrun leistet jeden Tag Übermenschliches, um den hilfsbedürftigen Jugendlichen ein Dach über dem Kopf, eine warme Mahlzeit oder Duschmöglichkeiten zu bieten.
Rund 570 Übernachtungen verzeichnete die Einrichtung im Vorjahr, junge Menschen zwischen 14 und 18, im Bedarfsfall bis 21 Jahren, finden hier schnell, unbürokratisch und auf Wunsch anonym eine Möglichkeit, unterzukommen.
Jeder ist willkommen, unabhängig von Religion, Geschlecht oder Herkunft
Die Gründe für eine Nutzung der Einrichtung sind vielfältig, egal ob existenzielle Probleme, Streitigkeiten in Familie und Partnerschaft, Gewalterfahrungen oder persönliche Krisensituationen, beim Anker ist jeder willkommen. Unabhängig von Religion, Geschlecht oder Herkunft, im Mittelpunkt steht der Mensch.
"Anfang März haben wir die 1000. Übernachtung verbucht. Primär ist unsere Einrichtung ein Ort, an dem man Schutz findet. Ein ruhiger, gewaltfreier Raum, eine erste, unbürokratische und niederschwellige Anlaufstelle für Jugendliche, die in Extremsituationen verwickelt werden und im ersten Moment nicht mehr weiterwissen", informiert der passionierte Sozialarbeiter Lukas Gstrein.

Ab 18 Uhr öffnet die Einrichtung ihre Tore und bietet Schutz. Zur Verfügung stehen ein Zimmer für Jungen mit drei Betten, ein Raum für Mädchen mit zwei Betten und ein Einzelzimmer. Bis 9 Uhr in der Früh kann man die Örtlichkeit nutzen, im Regelfall bleiben die Jugendlichen ein bis drei Nächte, vorgesehen ist eine Nutzung, die nicht über sieben Übernachtungen hinausreicht, Ausnahmen sind aber möglich.

Junge Frauen als Opfer häuslicher Gewalt
"Gerade junge Frauen sind oft Opfer häuslicher Gewalt und kommen in Situationen, bei denen Gefahr im Verzug ist. Frauen befinden sich aufgrund männlich dominierter Machtstrukturen oft in einer Art Zwangsbindung, gerade auch wenn es um die Unterbringung geht. Umso wichtiger ist es für betroffene Frauen oder Mädchen ein Angebot zu schaffen, wo sie sich unbehelligt zurückziehen können", führt Katharina Riegler weiter aus. Umso wichtiger sei es außerdem, beim Personal sowohl mit weiblichen als auch männlichen Ansprechpartnern aufzuwarten, um eine Vertrauensbasis zu schaffen.

Im Nachtbetrieb bestehe deswegen der Wunsch nach einer Doppelbelegung mit Fachkräften beider Geschlechter, was angesichts der dünnen, aktuellen Personaldecke aber schwierig sei.

Drogen, Messer und Co.?
"Die Jugendlichen kommen freiwillig zu uns und wir bieten ihnen unbürokratischen Schutz. Im Gegenzug verpflichten sie sich, den Anker als Schutzraum und Rückzugsort auch im Sinne der anderen Gäste zu respektieren. Ihre persönlichen Gegenstände werden während ihres Aufenthalts in verschließbaren Kästen verstaut. Im gesamten Gebäude herrscht striktes Drogen- und Alkoholverbot. Anstatt sie auszuschließen – diese Erfahrung machen Jugendliche oft", führt Gstrein weiter aus und verweist außerdem auf ein Sicherheitskonzept, das auf der Zusammenarbeit mit Polizei und Partnerorganisationen fußt. Der großen Mehrheit gelingt aber ein Einhalten der reduzierten und einfachen Hausregeln.

Auf der Suche nach einem passenden Ersatzquartier
Die Relevanz der Einrichtung spiegelt sich in der Nachfrage wider. Umso schwieriger steht es um die Situation Jugendnotschlafstelle per se, denn das Gebäude, in dem auch das Cinema Dornbirn beheimatet ist, wird 2024 abgerissen. Deswegen blicken Tatjana Tschabrun und ihr Team einer ungewissen Zukunft entgegen und hoffen alsbald auf eine Lösung: "Ich sehe die Zukunft nicht als ungewiss, weil ich mir sicher bin, dass wir ein passendes Ersatzquartier finden werden. Vielmehr sind wir auf Immobiliensuche und freuen uns über Unterstützung aus der Bevölkerung!" Auch im Sinne der Jugendlichen. Denn der Bedarf nach gewaltfreien Orten für Schutzbedürftige wird wohl auch in Zukunft gegeben sein.


(VOL.AT)
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