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Markus Haider sagt: „Schule kann mehr“

Markus Haider ist überzeugt von den Vorteilen der Unterrichtsform OPENschool.
Markus Haider ist überzeugt von den Vorteilen der Unterrichtsform OPENschool. ©Veranstalter/OJAD
 Im Interview stellt er die OPENschool für zwölf- bis 15-Jährige vor und gibt Anregungen für die Umsetzung dieser bereits erprobten Unterrichtsform.
Markkus Haider OPENschool

 

Dornbirn. Markus Haider, der selbst 14 Jahre an zwei Gymnasien und zwei Mittelschulen unterrichtete, hat gemeinsam mit Roland Reichart-Mückstein eine neue Form des Unterrichtens entwickelt. Kürzlich kam Haider auf Einladung der Offenen Jugendarbeit Dornbirn (OJAD) ins Kulturcafé Schlachthaus, um hier die OPENschool vorzustellen. Zum Impulsreferat mit Diskussion waren im Bildungsbereich tätige Menschen eingeladen, Schule gemeinsam weiterzudenken.

Wie entstand der Wunsch, neben der herkömmlichen Form des Unterrichtens etwas zu entwickeln?

MARKUS HAIDER: Ich kannte ursprünglich nur die eine Art, Schule zu machen: Fächerunterricht nach Stundenplan, wo den Lehrerinnen und Lehrern fast ausnahmslos eine vermittelnde Rolle zugeschrieben wird. Ich wollte meine Aufgaben als Lehrer professionell und gut machen und interessierte mich vorerst für diverse Unterrichtsmethoden, bis ich die Hattie Studie las und in Berührung mit Schulen kam, die ihren ganzen Schulalltag neu ausrichten. Auffallend dabei war, welchen Stellenwert und Fokus dort das Lernen, Lernprozesse und die Lernenden haben. Daher besuchte ich auch andere Schulen wie die ESBZ in Berlin oder innovative Schulen in Österreich, um mir selbst ein Bild zu machen und in die Atmosphäre dort einzutauchen. Durch Recherche und Lesen von Büchern wuchsen meine Begeisterung und das Verlangen, so etwas als Lehrer selbst umzusetzen. 

Kann die Unterrichtsform OPENschool an öffentlichen Schulen umgesetzt werden?

MARKUS HAIDER: Das neu grundgelegte Schulautonomiepaket öffnete eine Tür, und ich ergriff mit meinem Kollegen Roland Reichart-Mückstein die Gegenseite, um mit einem Team Schule von der Basis aus neu zu denken. Gleichzeitig wollten wir etwas schaffen, das sich mit den Ressourcen des bestehenden Systems im öffentlichen Schulbereich umsetzen ließ. Wir schufen ein Angebot, die Vielfalt im Schulalltag zu erhöhen und die Agilität, Flexibilität und Gestaltbarkeit von Schule wahr werden zu lassen, an jedem Standort. OPENschool ist seit 2018 ein erfolgreiches Schulformat für zwölf bis 15-Jährige (7. und 8. Schulstufe) an der MS Dietmayrgasse – einer öffentlichen Schule der Stadt Wien. Weitere öffentliche Schulen haben das Format bereits übernommen.

Welche Vorteile sehen Sie für Lernende, welche für Pädagoginnen und Pädagogen?

MARKUS HAIDER: Lernen ist ein aktives Tun. Je mehr Raum wir den Lernenden bereiten, ihre Fähigkeiten zu erproben und dabei gut begleitet zu werden, desto mehr können sie für sich herausholen und dem Lernen auch einen persönlichen Sinn geben. Lernen ist dann für sie wie eine Unternehmung, gepaart mit Persönlichkeitsentwicklung. Für Pädagoginnen bietet sich der Raum, tatsächlich auf individuelle Bedürfnisse der Lernenden eingehen zu können. Die Beziehungsarbeit wird intensiviert und es macht Freude, die Schülerinnen und Schüler gezielt auf ihrer Entdeckungsfahrt und Forschungsreise durch den Kompetenzen- und Wissensozean zu begleiten.

Sie sagen, es brauche keine Schulreform, um die Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik in der von Ihnen entwickelten Form zu unterrichten. Gibt es dennoch Hürden?

MARKUS HAIDER: Die größte Hürde ist man selbst. Dinge, die man sich selbst nicht einmal zumindest in den Grundzügen vorstellen kann, wird man nicht in Umsetzung bringen. Daher ist es so wichtig, beim Umstieg auf andere Formen des Lehr-/Lernsettings mutig, vertrauensvoll, neugierig und experimentierfreudig zu bleiben. Weiters geht es darum sich immer wieder von Neuem in seinen Rollen als Lernbegleitung zu finden und erfinden. Das wirksamste Mittel dazu ist es, inspirierende, neue und andere Schulformen zu besuchen und zu erleben.

Was sind die wesentlichen Merkmale Ihres Modells OPENschool?

MARKUS HAIDER: Der Schultag ist in Abschnitte gegliedert, wo die Art des Lernens im Vordergrund steht und die Lehrpläne dienen als Hintergrundmaske. Fünf bis sechs Lehrpersonen arbeiten als Team zusammen und sind für 50 bis 60 Schüler (jahrgangsübergreifend) exklusiv für die OPENschool verantwortlich.

Lernen lernen: Grundkompetenzerwerb und Bildungsstandards werden jeden Tag im Lernbüro für D, M und E abgedeckt.

Inspiration, Wissen, Know-How und erste Lehrplanübergreifende Themen stehen während der Workshopzeit als diverse expertengeleitete Seminare den Schülern zur Auswahl.

Stärken stärken: Vertiefung, Entfaltung und Projektzeit finden im Open Lab statt.

Dabei führen die Schüler ein Lernlogbuch und werden von ihren Lerncoaches im Lernprozess begleitet.

Bei Ihrem Impulsreferat und der nachfolgenden Diskussion in Dornbirn hatten Sie viele Teilnehmende auf Ihrer Seite. Ist die Zeit reif, auch in Vorarlberg Ihrem Beispiel zu folgen? Was nehmen Sie persönlich von der Veranstaltung mit?

MARKUS HAIDER: Es gibt sehr viele Lernende, Eltern und Lehrende die von einer Schule träumen, wo sie sehr gerne hingehen und etwas für sie Sinnstiftendes erleben und lernen. Der Boden dafür ist in der Gesetzeslage in Österreich bereitet, die Instrumente zur Umsetzung sind bereitgestellt. Derzeit machen sich viele auf den Weg, Orientierung zu finden, was man mit dem „Feuerstein“ alles machen kann. Unsere Welt, Gesellschaft, Wirtschaft, Klima, Friedenssicherung, Lebenskonzepte, etc. bedürfen dringend optimaler Begleitung im Bildungsbereich. Daher sehe ich großes Potenzial, an jeder Schule Innovationszellen zu etablieren, die bewusst diese Aufgabe aufgreifen und Modelle entwickeln, wie man die beste Bildung ermöglicht. Die Veranstaltung in Dornbirn zeigt vehement auf, wie groß die Bereitschaft ist, sofort zu starten. Das macht auch mir Mut, weiter da zu sein und Menschen einzuladen, all die Konzepte aufzugreifen, die bereits erprobt und wirksam umgesetzt werden. Die OPENschool ist da eine gute Möglichkeit.

Welche Voraussetzungen braucht es und wie sieht Ihre Starthilfe für die Umsetzung aus?

MARKUS HAIDER: Es braucht eine Direktion, die voll dahinter steht und den Konsens im Kollegium herstellt, dass ein freiwilliges Team (also nicht alle auf einmal) ungestört Handlungsspielraum bekommt, um mindestens 3 bis 5 Jahre Schulalltag komplett anders umzusetzen, zu entwickeln und zu adaptieren. Dabei unterstützen wir vom TransferHub der OPENschool den Entwicklungsprozess durch Expertise, Training, Coaching, Vernetzung mit anderen OPENschools sowie Material für den Start.

Weitere Informationen unter openschool.world

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