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Van der Bellen in Kiew: "Wir stehen an der Seite der Ukraine"

Alexander van der Bellen, Wolodymyr Selenskyj (Fotomontage).
Alexander van der Bellen, Wolodymyr Selenskyj (Fotomontage). ©APA/AFP
Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist Mittwoch früh in Kiew eingetroffen.
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Neben dem Besuch von Hilfsprojekten mit österreichischer Beteiligung wird Van der Bellen am Nachmittag im Vorfeld des für Freitag geplanten EU-Ukraine-Gipfels auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Die Reise in die von Russland angegriffene Ukraine solle eines klar signalisieren, meinte Van der Bellen: "Wir stehen an der Seite der Ukraine, wir lassen sie nicht im Stich."

"...oder es ist alles kaputt"

Die Ukraine sehe sich einem Angriffskrieg ausgesetzt, der seinesgleichen suche, meinte der Bundespräsident bei der Anreise zu österreichischen Journalisten. Dieser sei vergleichbar mit Kolonialkriegen aus dem 19. Jahrhundert, zog er historische Vergleiche. Die Bevölkerung sei vor die Wahl gestellt worden: "Entweder akzeptiert ihr, eine Provinz Russlands zu sein, die von Moskau aus regiert wird, oder es ist alles kaputt." Da es Widerstand gebe, sehe etwa die Hafenstadt Odessa mittlerweile aus wie eine deutsche Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Der Widerstand gehe aber nur so lange, wie der Westen Hilfe leiste, so der Bundespräsident. Da Österreich aufgrund seiner militärischen Neutralität kein Kriegsgerät liefern könne, leiste es Hilfe auf humanitärem und medizinischem Gebiet. Dort sei Österreich unter den größten Gebern, lobte Van der Bellen auch das Engagement der Zivilgesellschaft. So seien etwa in der ORF-Aktion "Nachbar in Not" durch "private Spendebereitschaft" immerhin 56 Millionen für die Ukraine zusammengekommen. Das könne sich bei einer Bevölkerung von knapp neun Millionen Menschen schon sehen lassen.

"Unterstützen mit allen Mitteln"

"Wir unterstützen die ukrainische Bevölkerung mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen", betonte Van der Bellen weiters: "Seit Kriegsbeginn wurden 118 Millionen Euro staatliche Hilfe zur Verfügung gestellt." Fazit: "Die österreichische Delegation wird sich vor Ort ein Bild davon machen, wie rasch und direkt die österreichische Hilfe im Kriegsgebiet ankommt."

"Ich habe bei meiner Angelobung klar gesagt, dass ich auch in den kommenden sechs Jahren sehr genau hinsehen werde, wenn es um den Schutz der Demokratie und den Erhalt unserer europäischen Werte geht", hatte Van der Bellen schon zu Beginn der aus Sicherheitsgründen nicht medial angekündigten Reise verlauten lassen. "In der Ukraine sind diese europäischen Werte und die Demokratie gerade buchstäblich unter Attacke. Als Zeichen der Solidarität und der fortgesetzten Unterstützung führt mich meine erste Auslandsreise in der zweiten Amtszeit daher nach Kiew."

Widerstand "komplett unterschätzt"

Der ukrainische Präsident hatte zuletzt vehement auf weitere westliche Waffen- und Rüstungslieferungen gedrängt. Die Ukraine befinde sich durch fortgesetzte russische Angriffe in der Ostukraine unter Druck. Auch Van der Bellen äußerte die Ansicht, dass die "kommenden Monate von erheblicher Bedeutung" sein würden. Die russische Armee werde wohl eine neue Offensive starten. Bisher habe sie ja bei Weitem nicht so effizient vorgehen können, wie es Präsident Wladimir Putin ursprünglich wohl erwartet habe. Der Widerstand in der Ukraine sei "komplett unterschätzt" worden, analysierte der Bundespräsident. Entweder habe der russische Geheimdienst "nichts getaugt" oder die Führung habe ihm nicht geglaubt. "Ich kenne die Berichte aber nicht."

Dass Van der Bellen kurz nach seiner Angelobung in Begleitung von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) in die Krisenregion fuhr, wurde generell folgendermaßen begründet: "Österreich ist militärisch neutral, aber nicht politisch. Einer langen humanitären Tradition folgend unterstützt Österreich das angegriffene Land auf mehreren Ebenen."

"Wichtig, dass Österreich einen Beitrag leistet"

Von Energie- und Klimaschutzministerin Gewessler werden zudem weitere fünf Mio. Euro für den "Ukraine Energy Support Fund" zum Wiederaufbau beschädigter Energieinfrastruktur bereitgestellt. Insgesamt habe Österreich damit bereits zehn Millionen Euro für den Fund beigesteuert, betonte Gewessler und nannte die Beweggründe: "Millionen Menschen sind bei eisigen Temperaturen ohne Strom und oftmals ohne Heizung und Wasserversorgung. Es ist mir wichtig, dass Österreich hier einen Beitrag zur Unterstützung der ukrainischen Zivilbevölkerung leistet."

Die Delegation war am Dienstagnachmittag nach Polen geflogen. Dort wurde in Przemyśl der Nachtzug nach Kiew genommen, der Mittwoch früh in der ukrainischen Hauptstadt eintraf. Die Frage, ob er bei der Reise in eine Kriegsregion vielleicht auch ein mulmiges Gefühl habe, beantwortete Van der Bellen mit einem Schuss Fatalismus: "Es ist theoretisch denkbar, dass eine Bombe am falschen Ort explodiert. Bisher ist bei solchen Besuchen aber nichts passiert."

(APA)

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