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Tod auf dem Nil - Kritik und Trailer zum Film

"Tod auf dem Nil" ist einer der großen Klassiker von Krimikönigin Agatha Christie - und Hercule Poirot neben Miss Marple ihre bekannteste Romanfigur. Legendär war Peter Ustinov in der Rolle des kauzigen belgischen Detektivs. Nun spielt der Brite Kenneth Branagh nach dem Kinoerfolg von "Mord im Orient-Express" (2017) zum zweiten Mal den Schnurrbartträger, der in einen Mordfall gerät - diesmal bei einer Flusskreuzfahrt entlang der ägyptischen Tempel.

2017 bestieg Kenneth Branagh als Hercule Poirot den Orient-Express und fuhr einen veritablen kommerziellen Erfolg ein. Und so steht mit einem Nildampfer nun ein weiteres Gefährt für den belgischen Privatdetektiv bereit: "Tod auf dem Nil" ist die nächste Neuverfilmung eines Klassikers von Krimiqueen Agatha Christie. Es regieren wieder Glamour und Stars. Dennoch ist das Werk in mancherlei Hinsicht modernisiert - nicht immer zu seinem Vorteil. Ab Donnerstag im Kino.

Tod auf dem Nil - Kurzinhalt zum Film

Auch wenn sich Branagh und sein Drehbuchautor Michael Green wie schon im "Orient-Express" größere Freiheiten in der Adaption nehmen, basiert der Kern von "Tod auf dem Nil" doch auf Christies 1937 erschienenem Roman. Darin findet sich Poirot (Branagh) in seinem Urlaub an Bord eines Nilschiffes wieder, das von der reichen Erbin Linnet Ridgeway Doyle (Gal Gadot) und ihrem frisch angetrauten Ehemann Simon (Armie Hammer) für die Gäste ihrer Hochzeitsreise gemietet wurde. Neben den Verwandten, Geschäftspartnern und Freunden hat sich mit Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) auch die Ex-Geliebte von Simon Doyle an Bord geschmuggelt, die dem Paar, von dem sie sich hintergangen fühlt, beständig auflauert.

Und so enden die scheinbar idyllischen Flitterwochen alsbald in einer Katastrophe, als Linnet erschossen aufgefunden wird. Klar ist nur, dass so ziemlich jeder und jede an Bord ein Motiv für die Tat hatte, während die scheinbar Hauptverdächtige Jacqueline mittels Beruhigungsmitteln außer Gefecht gesetzt war. Nur Poirot kann dieses Rätsel lösen.

Tod auf dem Nil - Die Kritik

Branagh erzählt die sattsam bekannte Geschichte um einen der berühmtesten Whodunits der Krimigeschichte wie schon in seinem Christie-Erstling in epischen Bildern, inszeniert die pittoreske Landschaft im großen 65mm-Format und mit einem ostentativen Einsatz des Green Screens. Hiermit wird nostalgisch die Bildsprache des alten Hollywoods heraufbeschworen, was durch Patrick Doyles an die Goldene Ära der Traumfabrik gemahnenden Soundtrack zusätzlich unterstrichen wird. Die Bildsprache ist manieristisch und setzt sich aus eklektischen Versatzstücken der westlichen Kultur zusammen. Großes Kino also.

Deutlich heutiger als im Spieljahr 1937 erscheinen indes die Figuren. Dafür greift der britische Filmemacher auf ein renommiertes Cast zurück, auch wenn sein "Tod auf dem Nil" weniger Starvehikel als John Guillermins legendäre Verfilmung aus 1978 ist, die Größen wie Peter Ustinov, David Niven, Mia Farrow, Bette Davis, Maggie Smith, Angela Lansbury oder Jane Birkin vor der Kamera versammelte. Und doch stehen Branagh mit "Wonderwoman" Gal Gadot, Annette Bening oder dem britischen Kultkomikduo Jennifer Saunders und Dawn French durchaus etablierte Namen zur Verfügung.

Die Zutaten zu einem klassischen Mörderraten wären also gegeben. Und dass dem Geschichtsfortgang oder dem beeindruckenden Bild die Realität geopfert wird, wenn bereits 1914 auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges ein Giftgaseinsatz gezeigt wird oder die Pyramiden von Gizeh direkt am Nil und nicht zehn Kilometer entfernt davon liegen, sei dem großen Epos verziehen.

Leider konterkariert Branagh diese Stoßrichtung aber selbst, indem er seiner Figur des pedantischen Meisterdetektivs mehr psychologische Tiefe geben möchte, als dieser gut zu Gesicht steht. So ist der eigentlichen Narration ein Prolog in Schwarz-Weiß vorangestellt, der Poirots Traumatisierung im Ersten Weltkrieg zeigt, in deren Folge dieser seine wortwörtlichen Narben hinter seinem legendären Schnauzbart verstecken wird - eine Kaschierung, die er am Ende abnehmen wird, wenn er sich in eine Bluessängerin verliebt. Auch dieser Held aus britischer Feder wird also wie weiland Daniel Craigs James Bond auf jenem Altar geopfert, der legendäre Ikonen zu gebrochenen Figuren stilisiert.

Das wirklich ärgerliche Momentum bleibt jedoch ein Anachronismus im Sinne einer bewussten Geschichtsverfälschung, wenn die Filmemacher die beiden Figuren der Rosalie und Salome Otterborn (gespielt von Letitia Wright und Sophie Okonedo) kontextfrei zu schwarzen Charakteren machen. Hier geht es nicht um ein bewusstes Statement im Sinne einer dezidiert eingesetzten Colourblindness wie etwa im Netflix-Hit "Bridgerton", sondern um eine faktenleugnende Geschichtsverfälschung, als hätten im britischen Empire 1937 schwarze Menschen ganz selbstverständlichen mit der monetären Oberklasse studieren können und würde sich eine weiße Oberschichtmutter allenfalls darüber echauffieren, dass ihr Sohn mit einer in der Unterhaltungsbranche tätigen Frau flirtet, aber nicht, dass diese dunkelhäutig ist.

Wenn man sich als Zuschauer jedoch auf diese Fiktion einlassen kann, bleibt "Tod auf dem Nil" das Vehikel, um einer tristen Außenrealität des Coronawinters in die Wärme eines klassischen Leinwandmantels zu entfliehen. Und dabei dürfte es wohl nicht bleiben, wird in britischen Medien doch bereits eine weitere Agatha-Christie-Verfilmung des Teams um Branagh kolportiert. Stoff genug wäre vorhanden, hat die Suspensemeisterin doch schließlich alleine 66 Romane veröffentlicht.

Alle Spielzeiten auf einen Blick

(APA/Red)

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