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Die Grünen sind nicht mehr zu retten

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Die entscheidende Frage ist allmählich, wer anstelle der ehemaligen Ökopartei die zahlreichen Mitte-Links-Wähler abholt, die es in der Bundeshauptstadt gibt.

Die Grünen sind nicht mehr zu retten. Das kann man ganz nüchtern sagen. Werner Kogler bemüht sich mit ein paar Getreuen auf Bundesebene, irgendetwas Neues aufzubauen. Das jedoch ist schwer bis unmöglich, wie weiter unten auszuführen sein wird. Und in Wien? Da befinden sie sich zwar noch immer in einer Regierungsbeteiligung, Vizebürgermeisteramt (Maria Vassilakou) inklusive. Die Auseinandersetzungen um den Spitzenkandidaten bei der nächsten Gemeinderatswahl sind jedoch entlarvend: Da ist nichts mehr, was nach außen hin eine gewisse Anziehungskraft entwickeln würde. Im Gegenteil, es ist viel eher abstoßend.

Wo soll man anfangen? Werner Koglers Problem ist, dass die grüne Mission erschöpft ist. Umweltschutz gehört längst zum Allgemeingut. Selbst wenn die Regierung zu einem Rückschritt ansetzt, mobilisiert sie damit nicht nur „Alternative“, sondern zum Beispiel auch ganz biedere Rechtswissenschaftler, Verwaltungsexperten bzw. Bürgerliche im Allgemeinen. Siehe Standortentwicklungsgesetz. Zum anderen kratzen Integrationsfragen die Massen noch immer mehr als fast alles andere. Und das wiederum ist nie eine Kernkompetenz der Grünen gewesen. Womit es kein Wunder ist, dass sie so weit danebenstehen, wie sie es heute tun.

Kogler versucht nun, ein neues Angebot zu definieren. Die Rahmenbedingungen scheinen günstig: Wenn ÖVP, FPÖ und in Teilen auch die SPÖ nach rechts rücken, bleibt Mitte-Links mehr Platz. Ganz besonders in Wien, wo Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidenten-Wahl im Dezember 2016 abgeräumt hat. Das war ein Hinweis auf das Potenzial. Im Parteienwettbewerb ist es jedoch viel schwieriger, es auszuschöpfen. Und überhaupt: Sich nun krampfhaft ein Thema suchen müssen, das attraktiv genug sein könnte, widerspricht den Grünen ganz und gar: Sie sind nicht von oben, sondern von unten, aus Bewegungen in Hainburg und anderen Orten entstanden. Da hat niemand darüber nachdenken müssen, welche Mission man erfüllen könnte; die Mission war da und wurde dann auch mit entsprechender Leidenschaft verfolgt.

Doch zu den Wiener Grünen im Besonderen: Seit Tagen läuft in ihren Reihen eine Art Selbstzerfleischung über die Frage, wer denn als Spitzenkandidat in die Gemeinderatswahl (voraussichtlich 2020) ziehen könnte. Das liegt ein Stück weit in der Natur der Sache, ist doch eine offene Entscheidung angesagt. Das Verhängnisvolle ist jedoch, dass beinahe täglich dokumentiert wird, dass es hier ausschließlich Funktionären um ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten gehen dürfte.

Programmatisch pfeift in diesem Zusammenhang gar nichts: Es gibt keine einzige nach außen hin sichtbare Bewegung, die die Mitte-Links-Wähler der Stadt mitreißen würde. Peter Kraus, der sich als erster zur Kandidatur angemeldet hat, äußert sich zu provokanten Themen, wie die „City Maut“, so vorsichtig, dass man nicht weiß, was er will. David Ellensohn, der als zweiter in den Ring gestiegen ist, will mit inhaltlichen Botschaften überhaupt noch zuwarten. Kann sein, dass da noch etwas kommt; die Wahrscheinlichkeit, dass eine größere Bewegung daraus wird, die die Grünen retten könnte, wird jedoch von Tag zu Tag kleiner.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, wer anstelle der Grünen ganz besonders in Wien dieses Wählerpotenzial ansprechen wird, das mit FPÖ, ÖVP, SPÖ, aber auch den wirtschaftsliberalen Neos, nichts anfangen kann. Das ist jedenfalls ein Anteil von zehn, 20 Prozent. Die Liste Pilz? Peter Pilz hat in den vergangenen Monaten zu viel kaputt gemacht. Eher wird links etwas Neues heranwachsen, wie es in einigen europäischen Ländern bereits geschehen ist – mit Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien etwa.

Johannes Hube betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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