Historischer Durchschlag: Brennerbasistunnel verbindet Österreich und Italien

Am Donnerstag war es so weit: Auf italienischem Staatsgebiet nahe dem Brenner wurde der Durchschlag des Erkundungsstollens für den Brennerbasistunnel gefeiert. Erstmals verbindet nun ein Tunnel die beiden Länder unterirdisch – ein Meilenstein für das größte Infrastrukturprojekt Europas. Neben technischer Präzision stand vor allem eines im Fokus: die politische Signalwirkung.
Meloni und Salvini reisten an – Transit als Schatten-Thema
Die politische Prominenz ließ sich den Festakt nicht entgehen. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) war ebenso vor Ort wie Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Verkehrsminister Matteo Salvini. Letzterer gilt als entschiedener Gegner der Tiroler Fahrverbote für Lkw – und hatte die Transit-Klage vor dem Europäischen Gerichtshof federführend eingebracht.
Die Teilnahme Melonis war im Vorfeld nicht offiziell bestätigt worden, sorgte aber am Freitag für viel Aufmerksamkeit. Für Beobachter war klar: Auch wenn es am Festplatz vor dem Plessi-Museum in Südtirol um Technik ging – der Transitkonflikt war allgegenwärtig.
Verkehrskommissar zu Gast in Innsbruck – Tirol drängt auf Unterstützung
Noch bevor die eigentliche Durchschlagsfeier am Brenner stattfand, trafen sich Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) in Innsbruck mit EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas. Mattle nutzte das Treffen, um für das Slot-System und eine konsequente Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu werben.

"Um Tirol zu entlasten, brauchen wir die Unterstützung aus Wien und Brüssel", sagte Mattle der APA. Auch ein Staatsvertrag mit Deutschland und Italien steht weiterhin im Raum – bisher jedoch ohne greifbares Ergebnis.

Transit-Durchbruch? Noch Fehlanzeige
Konkrete Fortschritte im Transit-Streit blieben aus. Weder Meloni noch Salvini waren am Morgen beim Gespräch in Innsbruck anwesend. Kanzler Stocker ließ offen, ob er vor dem Brenner-Termin ebenfalls ins Landhaus kam. Ein echtes Transit-Gipfeltreffen fand also nicht statt – zumindest nicht öffentlich.
Doch die Gespräche hinter den Kulissen liefen. Verkehrsminister Hanke traf Salvini zu einem bilateralen Austausch. Er pochte gegenüber der EU-Kommission auf die "unverzichtbare Rolle des BBT für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene". Dazu brauche es "klar definierte Rahmenbedingungen" – etwa für den Ausbau der Terminals und die Fertigstellung der Zulaufstrecken.
Technischer Durchbruch unter der Geigenspitze
Um 13 Uhr begann schließlich die Feier zur Durchschlagsstelle – mit einer Live-Schaltung zum Ort des Geschehens, rund 1420 Meter unter der Geigenspitze. Der 57 Kilometer lange Erkundungsstollen durchstößt hier erstmals das Gebirge zwischen Österreich und Italien. Der Stollen dient seit Jahren als geologisches "Testlabor", um Erkenntnisse für den Bau der Hauptröhren zu gewinnen.
Diese Daten helfen bei der Wahl der richtigen Vortriebsmethode – Sprengung oder Tunnelbohrmaschine – und reduzieren Risiken bei Zeit und Kosten. Der Stollen ist über Querschläge alle 333 Meter mit den Hauptröhren verbunden und wird auch als Transportweg genutzt.

Zweites Leben für den Stollen: Sicherheit im Fokus
Nach Fertigstellung wird der Erkundungsstollen zum Sicherheits- und Wartungselement: als Fluchtweg, Entwässerungskanal und Transportroute für Servicefahrzeuge – unabhängig vom Bahnverkehr. Die Brennerbasistunnelgesellschaft BBT SE betonte, dass dieses Konzept unter den alpinen Tunnelprojekten (wie Gotthard oder Lötschberg) einzigartig ist.
BBT: Längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt
Der Brennerbasistunnel, seit 2007 im Bau, soll 2031 fertiggestellt und 2032 in Betrieb genommen werden. Mit einer Länge von 64 Kilometern wird er die weltweit längste unterirdische Eisenbahnverbindung sein. 204 von insgesamt 230 Tunnelkilometern sind bereits ausgebrochen – etwa 90 Prozent des Gesamtprojekts. Die Baukosten liegen bei rund 10,5 Milliarden Euro.
Personenzüge sollen künftig mit bis zu 250 km/h durch den Tunnel fahren, Güterzüge mit bis zu 160 km/h. Die Reisezeit zwischen Innsbruck und Franzensfeste wird sich von 80 auf 25 Minuten verkürzen. Der BBT ist das Herzstück der europäischen Nord-Süd-Achse von München nach Verona – und Symbol für eine Verkehrswende, die politisch längst nicht abgeschlossen ist.
Der Durchbruch ist geglückt – technisch wie symbolisch. Doch der politische Knoten in der Transitfrage bleibt vorerst ungelöst. Während unterirdisch ein Rekordprojekt voranschreitet, sucht man auf der Oberfläche weiter nach einem Kompromiss. Tirols Hoffnung liegt nun in Brüssel – und in einem langen Atem.
(VOL.AT)
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