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700 Meter Geschichte: Der verborgene Bunker, den kaum einer kennt

Der verborgene Bunker, den kaum einer kennt.
Der verborgene Bunker, den kaum einer kennt. ©VOL.AT/Marina Jeremic
Ein exklusiver Rundgang mit Wolfgang Sieber durch ein Relikt des Zweiten Weltkrieges: verborgen, dunkel und voller Geschichten.

Kaum jemand ahnt, was sich unter dem ehrwürdigen Kloster Riedenburg in Bregenz verbirgt: ein geheimer Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, tief im Fels versteckt – zugänglich nur durch eine versteckte Falltür.

Was einst Verwundeten und Zivilisten Schutz bot, ist heute ein faszinierender Zeitzeuge im Fels. Schulwart Wolfgang Sieber hat das düstere Labyrinth selbst zur Gänze erkundet – und öffnet für VOL.AT die Tür zu einem der verborgensten Orte Vorarlbergs.

Video: Rundgang eines historischen Schatzes

Ein Kreuzgang mit Geheimtür

"Wir befinden uns jetzt im Kreuzgang – genau dort, wo früher die Nonnen betend zum Stundengebet gingen", erklärt Wolfgang Sieber, Schulwart des Sacré Coeur Riedenburg, und hebt einen Teppich an. Darunter: eine unscheinbare Falltüre. Der Eingang zum geheimen Luftschutzbunker. „Damals sollte der Zugang möglichst unauffällig sein." Und wo ließe sich ein geheimer Eingang besser verbergen als direkt vor der Statue der heiligen Mutter Maria – verborgen unter einem Gebetsteppich, über den die Nonnen täglich schritten und beteten?

Der Eingang des Bunkers. ©VOL.AT/Marina Jeremic

Der geheime Einstieg führt 40 Meter tief unter das Kloster, das im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht als Reservelazarett genutzt wurde. Rund 700 Soldaten wurden hier medizinisch betreut. Der Bunker sollte im Fall von Bombenangriffen Schutz bieten – für Verwundete und für die Bevölkerung.

In der Riedenburg befinden sich einige historische Schätze. ©VOL.AT/Emilia Waanders

"Damals suchten rund 3.500 Menschen Schutz im Bunker"

"Der Bau begann im Oktober 1944 – in nur sechs Monaten war er fertig", so Sieber. Jeden Tag um acht Uhr morgens und um 18 Uhr abends wurden Sprengladungen gezündet, am nächsten Tag trieben Pressluftbohrer den Stollen weiter in den Fels. Der Kalkstein des Hügels war bereits 1925 als standfest erprobt worden – ideal für eine weit verzweigte Anlage.

Der Bunker hat viele Gänge, die ineinander gehen wie ein "Spinnennetz". ©VOL.AT/Marina Jeremic

"Am 24. Februar 1945 war der Bunker einsatzbereit", erinnert sich Sieber an die historischen Aufzeichnungen. Wirklich genutzt wurde er nur an zwei Tagen: dem 29. und 30. April 1945, als Bregenz unter dem Druck französischer Truppen stand. "Damals suchten rund 3.500 Menschen Schutz im Bunker – Soldaten und Zivilisten."

Ein unterirdisches Labyrinth: "Da durfte man keine Platzangst haben"

Was heute kaum jemand weiß: Unter dem Kloster erstreckt sich ein Stollennetz von rund 700 Metern Länge. Die Gänge sind 2,40 Meter hoch und breit – stets konstant 12 Grad kühl. "Wir stehen hier in einem Versorgungsstollen, von dem aus Lebensmittel verteilt wurden", sagt Sieber und deutet auf eine Ausbuchtung in der Wand. Hinter einer Stahltür beginnt der eigentliche Schutzraum.

Auf diesen Eisenstangen mussten die Untergekommenen schlafen. Da man sie zu späterem Zeitpunkt abgesägt hat, ist heute nur mehr der Stumpf zu sehen. ©VOL.AT/Marina Jeremic

Im Bunker selbst sind noch Spuren der Notbetten zu erkennen: Eisenträger, auf denen schlichte Liegen befestigt waren – übereinander wie in einem Stockbett. "Da durfte man keine Platzangst haben", sagt Sieber mit einem Grinsen. Beleuchtet wurde der Bunker wohl mit Gas- oder Petroleumlampen, von denen nur mehr die Halterungen erhalten blieben.

Ein verwestes Skelett: "Leider haben es nicht alle hinausgeschafft"

Neben den Geschichten, die Wolfgang Sieber erzählt, gibt es auch physische Überbleibsel der Vergangenheit: ein alter Damenschuh liegt noch immer an seinem Platz – vielleicht ein authentisches Relikt aus den 1940er-Jahren.

Ob dieser Schuh aus der Kriegszeit stammt, weiß Sieber nicht. Aber er sei schon immer da gewesen. ©VOL.AT/Marina Jeremic

Und dann wäre da noch was: "Leider haben es nicht alle aus dem Bunker hinausgeschafft, darum haben wir hier bei uns eine Leiche", erklärt er. Dabei handelt es sich um ein Skelett einer kleinen Katze. Ein makabres Detail, das bei Führungen oft für Gänsehaut sorgt.

Dieses Kätzchen wurde im Untergrund zurückgelassen. ©VOL.AT/Marina Jeremic

So wird der historische Ort heute genutzt

Seit 2013 führt Sieber regelmäßig Schulklassen und vereinzelt interessierte Gruppen durch den Bunker. Rund 5.000 Menschen hat er bereits durch die unterirdischen Gänge begleitet. "Wir machen keine Werbung, aber es spricht sich herum", meint er schmunzelnd. Besonders beliebt sind die Führungen bei den Schülern in den letzten Schulwochen – inklusive Mutprobe: "Wir löschen alle Lichter und zählen gemeinsam von zehn auf null – dann merken die Kinder, wie absolut stockdunkel es hier unten ist."

Dieses Bettgestell war Teil des Krimis "Die Toten vom Bodensee", stammt also nicht aus der Kriegszeit.

Auch als Filmkulisse diente die Anlage bereits. Für eine Folge der Krimi-Reihe "Die Toten vom Bodensee" wurde 2019 im Bunker gedreht – einige Requisiten wie eine Boje oder eine Bettattrappe sind noch heute zu sehen.

"Ein Stück Geschichte, das man erleben kann"

Wissen über Bau, Nutzung und Anekdoten hat er sich über Jahre angeeignet – durch alte Aufzeichnungen, Gespräche mit ehemaligen Schwestern des Klosters und durch seine unzähligen Rundgänge.

Wolfgang Sieber kennt jeden Winkel der weit verzweigten Tunnel. "Bevor ich die erste Führung gemacht habe, bin ich selbst einmal mit Gummistiefeln ganz allein durch den gesamten Bunker gegangen", erzählt er. Manche Stellen stehen bis heute unter Wasser – ein feuchtes, dunkles Labyrinth, das man nur mit Vorsicht betreten sollte. "Das war schon ein mulmiges Gefühl", erinnert er sich.

Sacré Coeur Riedenburg. ©VOL.AT/Emilia Waanders

"Es ist nicht nur ein Bunker", sagt er zum Schluss. "Es ist ein Stück Geschichte, das man erleben kann." Und das macht den Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis – ob für Schüler, Senioren oder Geschichtsinteressierte.

(VOL.AT)

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