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250 Vermisste nach erneuter Lawine in Nepal

Die Zahl der Toten in Nepal steigt immer weiter.
Die Zahl der Toten in Nepal steigt immer weiter. ©EPA
Bei der Erdbebenkatastrophe in Nepal sind vermutlich weit mehr Menschen umgekommen als bisher angenommen. Bis zu 10.000 Menschen könnten durch die Erdstöße vom Wochenende getötet worden sein, sagte Ministerpräsident Sushil Koirala am Dienstag.
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Erdbeben in Nepal

Internationale Hilfe kam nur schleppend ins Land. Aus Furcht vor Nachbeben verbrachten Zehntausende Nepalesen die dritte Nacht in Folge im Freien.

Acht Mio. Menschen betroffen

Bisher wurden nach Regierungsangaben knapp 4.500 Tote geborgen, die Zahl der Verletzten stieg auf über 8.000. Allerdings gibt es noch keinen Überblick über die Zahl der Opfer in den entlegenen Bergregionen des Landes. Nach UNO-Angaben sind acht Millionen der 28 Millionen Einwohner von dem Erdbeben direkt betroffen. Rund 1,4 Millionen Menschen sind demnach auf Nahrungsmittel-Lieferungen angewiesen. Die Regierung ordnete drei Tage Staatstrauer an.

Kathmandu-Tal verlassen

Die internationale Hilfe traf zögerlich ein. Der Flughafen von Kathmandu gleicht einem Nadelöhr, das Helfer und Güter passieren müssen. Zudem war der kleine Flughafen überlaufen mit Tausenden Menschen, die das Land so schnell wie möglich verlassen wollen. Über die Lage in entlegenen Landesteilen wurde zunächst nur wenig bekannt. Viele Straßen sind durch Erdrutsche blockiert, Dörfer von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Auf der Suche nach Wasser und Nahrung verließen Zehntausende Menschen das schwer getroffene Kathmandu-Tal. Die nepalesische Zeitung “Himalayan Times” gab ihre Zahl mit mehr als 72.000 an.

“Uns bleibt nichts mehr”

Ein Hubschrauber aus Indien landete in dem schwer getroffenen Bezirk Gorkha, in dem die Menschen seit dem Beben auf sich allein gestellt waren. Mit ausgestreckten Armen rannten Einwohner von Gorkha auf den Hubschrauber zu, baten um Wasser und Nahrung und darum, in Sicherheit gebracht zu werden. “Der Boden hört nicht auf zu beben. Jedes Mal fühlt es sich an, als würden wir gleich sterben. Wir haben nichts mehr zu essen, uns bleibt nichts mehr. Ich will nur weg von hier”, sagt die 24-jährige Sita Gurung und zeigt auf ihr zerstörtes Haus in dem Dorf Lapu. Laut einem AFP-Reporter hat das Beben der Stärke 7,8 am Samstag ganze Dörfer in dem Gebiet ausgelöscht.

“Ausrüstung und Experten fehlen”

Bei einer Krisensitzung aller nepalesischen Parteien sagte Regierungschef Koirala, die Behörden unternähmen alles, um die Bedürftigen mit Zelten, sauberem Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Sie seien aber von der schieren Zahl der Hilferufe aus den entlegenen Himalaya-Dörfern überwältigt: “Von überall treffen Bitten um rasche Hilfe ein, aber wir sind nicht in der Lage, überall gleichzeitig Rettung zu organisieren, da uns Ausrüstung und Experten fehlen”, sagte er.

Obdach verloren

Auch Tage nach dem Beben steigt die Zahl der Opfer weiter an. Nach Angaben des nepalesischen Innenministeriums starben allein in dem Himalaya-Staat mehr als 5.000 Menschen, rund hundert weitere kamen im benachbarten Indien und China ums Leben. Die Zahl der Verletzten stieg auf über 10.000. Insgesamt sind von den Auswirkungen des Bebens nach Einschätzung der Vereinten Nationen rund acht Millionen Menschen betroffen: Mehr als 1,4 Millionen seien auf Lebensmittelhilfen angewiesen, viele Menschen bräuchten aber auch Wasser oder hätten ihr Obdach verloren, erklärte die Organisation.

Basislager verschüttet

Die Lage am Mount Everest, wo sich hunderte Bergsteiger zum Beginn der Klettersaison versammelt hatten, blieb weiter unübersichtlich. Mindestens 18 Menschen starben, als eine durch das Beben ausgelöste Lawine Teile des Basislagers verschüttete, mehr als 150 Bergsteiger wurden seit Montag aus den höheren Lagen des Bergs in Sicherheit gebracht. Unter den Todesopfern waren nach jüngsten Angaben auch mindestens zwei US-Bürger sowie eine Australierin.

Weitere Lawine abgegangen

Nach dem Abgang einer neuen Lawine im nepalesischen Erdbebengebiet am Dienstag werden bis zu 250 Menschen vermisst. Möglicherweise seien darunter ausländische Touristen, sagte Gouverneur des Bezirks Rasuwa, Uddhav Bhattarai.

Die Lawine habe zur Mittagszeit das Dorf Ghodatabela getroffen, das in einem Naturpark liege. Die Region nördlich der Hauptstadt Kathmandu ist bei Wanderern beliebt. “Wir versuchen sie zu retten, aber schlechtes Wetter und Regen behindern die Arbeit”, sagte Bhattarai weiter.

72 Tote in Indien

Auf chinesischer Seite stieg die Zahl der Toten auf 25. Es wurde befürchtet, dass dort noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind. Viele Straßen sind noch blockiert und Telekommunikationsverbindungen unterbrochen, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete. In Indien starben mindestens 72 Menschen. Im Erdbebengebiet leben nach UNO-Angaben etwa 6,6 Millionen Menschen.

Nicht ausreichend vorbereitet

Die Regierung räumte außerdem erstmals öffentlich ein, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. “Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen”, erklärte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. “Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet.”

“Keinen Beamten gesehen”

Selbst in der Hauptstadt Kathmandu beschwerten sich zahlreiche Menschen: “Wir leben hier auf der Straße, ohne Essen und Wasser, und wir haben in den vergangenen drei Tagen (seit dem Beben) keinen einzigen Beamten gesehen”, sagte ein Mann, der mit seiner Familie im Freien campierte. Die meisten Menschen verbrachten eine weitere Nacht in Parks, öffentlichen Plätzen oder auf den Straßen. Zusätzlich werden die Einwohner von Nachbeben aufgeschreckt. Die Stromversorgung ist zusammengebrochen, so dass weder Wasserversorgung noch Telekommunikation gut funktionieren.

180 Bergsteiger festgesessen

Nach den Erdbeben-Lawinen im Basislager am Mount Everest konnten von dort inzwischen alle festsitzenden Bergsteiger ins Tal geflogen worden. Sie seien per Helikopter von den Höhencamps 1 und 2 ins Basislager gebracht worden, sagte Ang Tshering Sherpa vom Nepalesischen Bergsteigerverband am Dienstag. Insgesamt hätten 180 Bergsteiger festgesessen, weil die Abstiegsroute von Lawinen zerstört wurde. Die örtliche Polizei sprach zuvor von 205 Geretteten.

Kein Kontakt

Zu zwölf Österreichern  in der Region besteht hingegen bisher kein Kontakt. Insgesamt umfasste die Liste des Außenministeriums 133 Personen, bei denen es Anfragen von Angehörigen gegeben hat. Das sagte Martin Weiss, Sprecher des Außenministeriums, der APA. Berichte über verletzte oder tote Österreicher gab es weiterhin nicht.

Nach wie vor gebe es rund 30 Österreicher in Kathmandu, die das Land möglichst rasch verlassen wollen. “Teilweise gelingt auch die Ausreise”, sagte Weiss. So haben mehrere Betroffene Flüge oder Busse in die indische Hauptstadt Neu Delhi genommen. Ein Mitarbeiter der Botschaft Neu Delhi sei nach wie vor in Kathmandu, um den betroffenen Österreichern zu helfen.

Flug überlastet

In der Früh starteten mehrere Flugzeuge von Kathmandu und machten somit Parkpositionen für ankommende Flieger frei. Der einzige internationale Flughafen Nepals war am Vortag wegen des Andrangs überlastet. Mehrere Maschinen mit Hilfsgütern und Helfern mussten umkehren. Viele Touristen konnten nicht ausfliegen. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schicken auch Teams über beschwerlichen Landweg in die betroffenen Gebiete – von Indiens Hauptstadt Neu Delhi dauert es drei bis fünf Tage.

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