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„Wir sind keine rote Hütte!“

Mittag ist‘s, umbaut wird. Die Proben für die Premiere von „Die fetten Jahre sind vorbei“ zum Saisonstart am 24. September beginnen in weniger als einer Stunde. Höchste Zeit, mit dem Gespräch zu beginnen …

bz: Warum gerade dieser Film? Gibt es einen Konnex zum Gemeindebau, Stichwort „Sozialkritik“?
R.F: Es hat natürlich einen Grund warum wir uns diesen Film hernehmen. Wir verstehen uns ja sozusagen als zeitgenössisches Volkstheater. Durch den Protestsongcontest, dem Stück „Freundschaft“ oder der Politsatire „Beim Gusenbauer“ sehen wir uns schon in der Position, uns zu Dingen, die in diesem Land passieren, sozialkritisch zu äußern. Das kann man auch auf eine unterhaltsame Art und Weise machen. Bierernst kann man das auf der Uni auch abhandeln.
Langweilige Debatten zum Thema 1968 hatten wir ohnehin schon zur Genüge. Es wird Zeit, dass wir uns damit lustvoll auseinandersetzen.
Ich finde, dass das ideal hierher passt.

bz:  Das macht das Rabenhof-Theater in Wien auch einzigartig …
R.F: Diese Nische haben wir uns auch gesucht und wir fühlen uns dort auch ganz wohl. Es passieren hier einfach Sachen, die sonst in Wien nie stattfinden könnten. Das liegt aber nicht nur an der Lokalität im Gemeindebau, sondern daran, dass wir uns nicht abgehoben mit Volksverdummung unsere Brötchen verdienen, sondern dass wir versuchen, uns Themen anzunehmen, die relevant sind. Und zwar sozialpolitisch und nicht parteipolitisch, das ist mir ganz wichtig.
Wir sind keine rote Hütte.

bz:  Aber dennoch nicht die klassische Hochkultur?
R.F: Das kann schon spannend sein, mich selber interessiert es derzeit nicht. Wir wollen auch, dass die Menschen sich hier wohlfühlen. Hier sitzt man nach einer Vorstellung draußen, kann mit dem Ensemble und den Künstlern sprechen. Das ist schon anders als in solchen Kulturtempeln, wo die Kluft zum Publikum sehr groß ist.
Diesen Heiligenschein haben wir schnell durchbrochen. Wir wollen die Menschen erreichen, die eigentlich aufs Theater scheißen, die Theater langweilig und verstaubt finden, und das zu Recht. Die sind hier willkommen und die kommen auch.

bz:  Was hat das Theater denn mit dem Bezirk und mit dem Gemeindebau zu tun?
R.F: Natürlich ist ein Theater in einer Wohnanlage immer ein Reibebaum. Gerade bei Premieren ist ungemein viel los. Manchen gefällt das, manche stört das. Ein bestimmter Nachbar fotografiert uns auch regelmäßig bei Feuerübungen oder im Schanigarten. Aber grundsätzlich freuen sich viele, dass mit dem Theater mehr Leben hierher kommt. Es wertet die Gegend auf. Von den 60.000 Menschen, die wir im Jahr in unser Theater bewegen, nehmen wahrscheinlich 40.000 den Rabenhof in seiner Komplexität das erste Mal zur Kenntnis und sehen ihn dann mit anderen Augen. Dass er eben kein Ghetto im Dritten, sondern ein wunderschöner Gemeindebau ist, der architektonisch fast einzigartig ist.

Das Interview führten Michael Riedmüller und Erich Nuler.

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