AA

LH Wallner sitzt zwischen Stuhl und Bank

Regierungschef im Westen ist den einen zu schnell, den anderen zu langsam unterwegs.
Regierungschef im Westen ist den einen zu schnell, den anderen zu langsam unterwegs. ©VOL.AT/Philipp Steurer
In Ostösterreich wird das Vorgehen des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner (ÖVP) in Sachen Gemeinsamer Schule der Zehn- bis 14-Jährigen als Vorpreschen verstanden - nicht so bei uns: Im "Ländle" muss er sich gegen den Vorwurf wehren, ein "Bremser" zu sein. SPÖ, FPÖ, Grüne, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Teile der Lehrerschaft: Alle wollen endlich die Gesamtschule.
Großes Interesse an Ländle-Forschungsprojekt
Wallner: “Von gemeinsamer Schule noch Jahre entfernt”
Gesamtschule: ÖVP-Westachse vs. Bundespartei

Die Vorarlberger ÖVP in Person des damaligen Schullandesrats Siegi Stemer (ÖVP) musste sich in den vergangenen Jahren immer wieder dieselbe Frage der Oppositionsparteien gefallen lassen: “Sind Sie für die Einführung der Gemeinsamen Schule oder nicht?”. Der ehemalige Lehrer Stemer – in punkto Schulentwicklung sehr offen eingestellt – schien der Gesamtschule nie abgeneigt, vermied aber stets gekonnt eine direkte Antwort. Nach seinem Rücktritt im November 2012 (Stemer stolperte über eine Schwarzgeld-Causa in der Sport-Abteilung) übernahm die damalige Landtagspräsidentin Bernadette Mennel (ÖVP) das Schulressort.

Mennel sorgt für Staunen – und ruft Widerstand hervor

Noch nicht einmal einen Monat im Amt, sorgte Mennel im Dezember 2012 für großes Staunen. Sie eröffnete wenigen ausgewählten Journalisten, einen praktischen Schulversuch zur Schule der Zehn- bis 14-Jährigen lancieren zu wollen. In Österreichs einwohnerstärkster Marktgemeinde Lustenau hätten sich eine AHS und drei Mittelschulen an dem Projekt beteiligen sollen. Doch überraschte Mennel mit ihrer Ankündigung nicht nur Journalisten sowie politische Freunde und Feinde, sondern auch die Schulen und die Eltern. Nach heftigem Widerstand aus den Schulgemeinschaften wurde das Projekt in Lustenau abgesagt. Die grundsätzliche Bereitschaft der Vorarlberger ÖVP, die Gesamtschule zumindest testen zu wollen, ist seither jedoch dokumentiert.

Anstelle der praktischen Erprobung startete die enttäuschte Vorarlberger Landesregierung – nach ihrer Ankündigung zum Handeln gezwungen – im vergangenen Jahr eine Forschungsinitiative zur Schule der Zehn- bis 14-Jährigen. In dieser setzen sich Expertengruppen unter anderem mit rechtlichen und organisatorischen Fragen sowie pädagogischen Konzepten der Gesamtschule auseinander. Im November wurden rund 23.000 Lehrer, Eltern und Schüler befragt. Die Ergebnisse der Umfrage sollen bis November 2014 vorliegen, das 100.000 Euro teure Projekt ist bis Mai 2015 angesetzt.

Erst nach Abschluss des Projekts könne man beurteilen, ob und unter welchen Umständen eine Gesamtschule in Vorarlberg Sinn mache und wie sie gegebenenfalls umzusetzen sei, erklärte Wallner. Am Ende der Untersuchung könne aber durchaus ein Schulversuch zur Gemeinsamen Schule stehen. Allerdings steht laut Wallner auch ein solcher Schulversuch in den Sternen – für diesen bedürfe es nämlich einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat und an den Schulstandorten. Solche Mehrheiten seien derzeit nicht zu bekommen. Mit dem Anliegen, die Hürden für einen Schulversuch zu senken, holte sich Wallner bei seinem Bundesparteichef Michael Spindelegger eine deutliche Abfuhr. Für Wunscherfüllung außerhalb des Koalitionsübereinkommens sieht sich Spindelegger nicht zuständig.

Wallner zwischen den Fronten

Damit sitzt Wallner, der in der Causa nicht locker lassen möchte, zwischen Stuhl und Bank. Gerade vor der Landtagswahl im September möchte der Landeshauptmann Kompetenz und Gestaltungskraft demonstrieren. Dabei wird der Spagat zwischen den Ansprüchen im Land und im Bund offenbar immer schwieriger. Nach der offiziell verlautbarten Devise “Das Land zuerst” will sich Wallner deshalb, wenn nötig, vom Bund und der ÖVP-Bundespartei abgrenzen und so weit wie möglich eigenständige Wege gehen. Stets aufs Neue verweist das Land auf ein geschnürtes Schulpaket (3,4 Mio. Euro) mit Maßnahmen zur Frühförderung, für das das Land auch selbst aufkommt – mit dem trotzigen Zusatz, dass das eigentlich Bundessache wäre. Das Thema Bildung hat in der Vorarlberger Landesregierung oberste Priorität.

Am Ende kann es Wallner aber niemandem recht machen. Nicht seinem Parteichef in Wien, der von der Gesamtschule – zumindest derzeit – nichts hören möchte. Und schon gar nicht den Vorarlberger Sozialdemokraten, Freiheitlichen – anders als die Bundes-FPÖ bekennt sich die Vorarlberger FPÖ zur Gemeinsamen Schule – und Grünen. Alle, auch Spindelegger, richten dem Landeschef mehr oder weniger hämisch aus, dass er sich zum Koalitionsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP bekannt hat – wohlwissend, dass die Gesamtschule darin nicht angesprochen wird. Wallner, der den einen zu schnell, den anderen zu langsam ist, stellte diese Woche jedenfalls fest: Von einem Schulversuch zur Gemeinsamen Schule sei man noch Jahre entfernt.

(APA)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • LH Wallner sitzt zwischen Stuhl und Bank