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Vorarlberger Top-Unternehmen verharren im digitalen Winterschlaf

Eine Studie belegt: Vorarlberger Unternehmen hinken in Sachen Digitalisierung in Vertrieb und Marketing weit hinterher.
Eine Studie belegt: Vorarlberger Unternehmen hinken in Sachen Digitalisierung in Vertrieb und Marketing weit hinterher. ©Unsplash
Eine Studie der Digitalagentur TOWA zu "Vorarlbergs Digitaler Fitness" stellt den 100 untersuchten Vorarlberger Top-Unternehmen kein gutes Zeugnis aus: Sie hinken in Vertrieb und Marketing der digitalen Entwicklung weit hinterher. "Ein gefährliches Spiel mit der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens," warnt TOWA-Geschäftsführer Florian Wassel.


Die 100 größten Unternehmen in Vorarlberg sind den Herausforderungen der Digitalisierung nicht beziehungsweise nur sehr selektiv gewachsen, so das alarmierende Ergebnis der alljährlichen Studie „Vorarlbergs Digitale Fitness“ der Bregenzer Digitalagentur TOWA. Unter dem Gesichtspunkt der „GAFAnomie“ – ein Synonym für die zugespitzte Kunden-Plattformlogik der IT-Giganten Google, Apple, Facebook und Amazon – wurden die 100 größten Unternehmen in Vorarlberg von TOWA hinsichtlich ihrer digitalen Datenkompetenz überprüft.

Die ernüchternde Erkenntnis: Das Gros der Unternehmen scheitert bereits am „1×1“ der digitalen Kundenansprache. Obwohl alle Unternehmen eine eigene Website betreiben, werden die darauf erzeugten Daten nur von wenigen umfassend gesammelt – geschweige denn genutzt.

Ein Ignorieren der digitalen Spielregeln, das im Jahre 2017 nicht länger als „verpasste Chance“ abgetan werden darf, wie Florian Wassel, Geschäftsführer von TOWA, deutlich macht: „Die Digitalisierung nimmt auf die Geschäftsmodelle aller Unternehmen, egal ob B2B oder B2C, massiven Einfluss. Entsprechende Maßnahmen sind für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen nicht einfach optional, sondern obligatorisch.“

Man könne nur erahnen wie es um andere Betriebsprozesse bestellt sei, wenn sich bereits die Marketing- und Vertriebsabteilungen der Top 100 Unternehmen der Digitalisierung „mehr oder weniger“ verweigern würden. „Alleine die größten zehn Unternehmen investieren jährlich im Schnitt 150 Millionen Euro – darunter auch in Vertriebsmaßnahmen. Ein Prozent des investierten Budgets würde ausreichen, um die Unternehmen zumindest aus dem digitalen Winterschlaf zu holen“, so Wassel.

Bestehende Tools werden kaum genutzt

TOWA hat unter Zuhilfenahme des Browser Plug-In „Ghostery“ analysiert, welche Informationen die Top 100 Unternehmen über ihre Website-Besucherinnen und -Besucher sammeln und verwerten. Immerhin: Nahezu 9 von 10 Unternehmen nutzen Google Analytics – ein Tool zur Auswertung von Website-Daten wie Anzahl der Besucherinnen und Besucher, Dauer des Besuchs und Nutzungsverhalten, um Beispiele hervorzuheben.

Weitere wichtige Tools für ein besseres Kundenverständnis in der Online-Welt werden hingegen kaum eingesetzt. Die Möglichkeiten der „Facebook Custom Audience“ (Ansprache der Zielgruppe, die unter anderem bereits mit den Inhalten der eigenen Website interagiert haben) nutzen gerade einmal 9 Prozent der untersuchten Unternehmen, nur bescheidene 4 Prozent erkennen die Chancen von „Remarketing“ (Schalten von Werbeanzeigen für Website-Besucherinnen und -Besucher auf Drittseiten).

Digitale Fitness im Überblick.
Digitale Fitness im Überblick. ©TOWA

Auch der „Google Tag Manager“, ein Verwaltungstool für verschiedene Tags und Pixel, wird de facto nicht bzw. nur von wenigen Unternehmen genutzt. Eine Marketing-Software, um die Besucherinnen und Besucher der Website mit der eigenen Kundendatenbank zu verknüpfen, nutzen bescheidene vier Prozent der untersuchten Unternehmen. „Die Ergebnisse überraschen auch deshalb, weil die Nutzung dieser Tools im Jahre 2017 Minimumanforderung ist, um in der digitalen Welt zu bestehen. Hier haben die großen Industrieplayer in Vorarlberg massiven Nachholbedarf“, macht TOWA-Geschäftsführer Wassel deutlich.

Licht und Schatten bei den Größten

Als Positivbeispiel sticht der Bregenzer Wäsche- und Strumpfhersteller Wolford hervor. Das Unternehmen nimmt in Sachen Datenkompetenz hierzulande eine Vorreiterrolle ein. „Wie kein anderes Unternehmen in Vorarlberg setzt es verschiedene Systeme ein und sichert sich dadurch Online einen Wettbewerbsvorteil“, erklärt der Digitalexperte. Alle sieben von TOWA überprüften Pixel und Systeme werden von Wolford eingesetzt. Das Beispiel des Bregenzer Wäsche- und Strumpfherstellers mache aber zugleich deutlich: Digitalkompetenz alleine sichere keinen wirtschaftlichen Erfolg.

Auch Zumtobel, Gebrüder Weiss, Rauch und Hirschmann Automotive ragen gesamtheitlich betrachtet als Vertreter der Top 10 positiv hervor. Mit vier bis fünf Pixel-Integrationen haben sie eine gute Anbindung an das Google- und Facebook-Netzwerk geschaffen. Zumtobel nutzt als einziges Unternehmen dieser Gruppe eine Marketing-Software.

Datenkompetenz der Top 10 Unternehmen Vorarlbergs.
Datenkompetenz der Top 10 Unternehmen Vorarlbergs. ©TOWA

Deutlichen Nachholbedarf haben indes Blum, Doppelmayr und Alpla. Die genannten Unternehmen nutzen ausschließlich Google Analytics – in Sachen digitaler Fitness belegen die größten Unternehmen damit die hinteren Plätze der Top 100 Unternehmen. „Wenn man bedenkt, dass 57 Prozent des Beschaffungsprozesses im B2B-Bereich bereits gelaufen ist, bevor zum ersten Mal das Unternehmen persönlich kontaktiert wird (Berger/Google 2015), darf das als schmerzhafte Vernachlässigung der digitalen Spielregeln gewertet werden“, so Wassel.

Geschäftsmodell absichern

Vor dem Erfolg und der Innovationskraft der Top-Unternehmen Vorarlbergs hat die Digitalagentur TOWA allergrößten Respekt. „Es ist beeindruckend zu sehen, wie viele unserer Unternehmen in Vorarlberg zu Weltmarktführern aufgestiegen sind. Wir alle verneigen uns vor dieser Leistung“, versichert Wassel. Wichtig ist es aus Sicht des Digitalexperten nun, diesen hart erarbeiteten Erfolg den neuen Rahmenbedingungen anzupassen – und nachhaltig abzusichern.

„Die Kunden ändern ihr Verhalten und wechseln die Kanäle. Um diese Entwicklung erfolgreich begleiten zu wollen, muss ich, egal ob B2B- oder B2C-Player, stets einen Schritt voraus sein“, sagt der TOWA-Geschäftsführer. Heißt: Neue Wege ausprobieren und gegen das Worst-Case-Szenario absichern. „Digitale Lösungen sind nicht Startup-Unternehmen vorbehalten“, so Wassel abschließend.

(red)

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