Besonders gefährlich sei die Gruppe der sogenannten retardierten Morphine. Diese Substitutionsmittel werden in Österreich in großer Zahl an Suchtmittelkranken verteilt, und das oft in “ungesicherter, unkritischer” Art und Weise, so Haller am Mittwochmorgen auf einer Pressekonferenz in Götzis. Die Folge: Die Mittel werden in der überwiegenden Anzahl der Fälle – Haller geht von 90 Prozent aus – nicht oral konsumiert, sondern gespritzt. Zudem befördere die massenweise Abgabe der Morphine den illegalen Handel mit diesen Stoffen. Bis zu einer halben Tonne Morphium gelange sie jedes Jahr auf den Markt – auf Kosten der jeweiligen Krankenkassen.
Zahl der Drogentoten konstant hoch
“Österreich weist im Europavergleich die höchste Zahl von Opiatsüchtigen, falsch Substituierten und Drogentoten auf. Das lässt sich ganz klar auf die isolierte, unkritische und unkontrollierte Verschreibung von hochpotenten Ersatzmitteln zurückführen”, so Haller. Der direkte Vergleich etwa mit dem Nachbarland Deutschland zeige, dass dort die Anzahl der Drogentoten seit dem Jahr 2000 stetig rückläufig ist, während die Zahl in Österreich auf konstant hohem Niveau bleibt. Besonders pikant dabei sei, dass innerhalb der EU nur noch Österreich, Bulgarien und Slowenien auf retardierte Morphine in der Substitutionstherapie setzen. Haller spricht deswegen vom “größten Medizinskandal Österreichs”.
Mayrhofer: Gesundheitsministerium verletzt Aufsichtsfunktion
Mitstreiter Herbert Mayrhofer von der Suchtfachstelle der Caritas setzt schon seit Jahren auf andere, international anerkannte Substitutionsmittel wie Methadon und Buprenorphin. Während Methadon den Vorteil hat, nur mit Sirup vermischt erhältlich zu sein – was die intravenöse Anwendung weniger wahrscheinlich macht – verursacht Buprenorphin, selbst bei missbräuchlicher Verwendung, keine Todesfälle. Morphine hingegen sind veritable Ersatzdrogen, mit allen negativen Nebenerscheinungen. Dem Gesundheitsministerium in Wien wirft Mayrhofer vor, “den Kopf in den Sand zu stecken.” Die Aufsichtsfunktion würde dort sträflichst vernachlässigt werden.
Attraktiver als Heroin?
Roland Wölfle von der Therapiestation Lukasfeld hat täglich mit Suchtkranken zu tun. Aus seinem persönlichen Umgang mit den Patienten wisse er, dass ein Großteil die retardierten Morphine nicht schlucke, sondern spritze. Was besonders deswegen bedenklich ist, weil die Wirkung der Mittel dadurch verkürzt wird, immer mehr Dosen “notwendig” werden. Auch das Needle-Sharing, die gemeinsame Nutzung einer Spritze, sei damit nicht gebannt, die Gefahr einer Ansteckung mit HIVoder Hepathitis sehr groß. Außerdem würden Patienten berichten, die Verwendung von Morphinen sei in der Szene mittlerweile attraktiver als Heroin – weil leichter erhältlich und grosso modo weniger gefährlich. Und bei einem Preis von 40 Euro pro Tablette gebe es nicht wenige, die sich ein nettes Nebeneinkommen mit den Substitutionsmitteln erwirtschaften würden.
Stärkere Reglementierung gefordert
Die gemeinsame Forderung der Vorarlberger Experten: Das Gesundheitsministerium soll endlich für eine “sichere Regelmentierung der retardierten Morphine für die Substitution in Österreich” sorgen. Und natürlich die Durchsetzung dieser Regeln garantieren.
“Größter Medizinskandal Österreichs”
(MST)
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