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"Der Klimawandel betrifft uns alle und unsere Zukunft"

VN-Interview mit dem Juryvorsitzenden und Leiter des Energieinstituts, Adi Gross.

Der Klimawandel findet statt, kaum ein Experte hegt noch Zweifel. Verschläft die Politik die Entwicklungen?

Gross: Man muss wachsam bleiben. Die Dynamik anderer Regionen darf nicht vernachlässigt werden. Das Technologieausbaupotenzial in China etwa ist gigantisch. Auch wenn bereits einiges erreicht worden ist, wäre es fatal, sich darauf auszuruhen. Notwendig ist ein klares Bekenntnis zu einem geringeren Ressourcenverbrauch. Alle zukünftigen Investitionen müssen dieses Bekenntnis zur Grundlage haben.

Sehen Sie nach dem von vielen Experten als gescheitert definierten Klimagipfel in Kopenhagen noch Chancen, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten?

Gross: Nach heutigem Wissensstand, wird das sehr schwierig werden. Das heißt aber nicht, dass es nicht möglich oder gar notwendig ist. Wir können nicht auf internationale Vereinbarungen warten – das dauert zu lange. Solche Konferenzen sind nicht dazu geeignet, umfassende Maßnahmenpakete umzusetzen. Das heißt: Regionen müssen selber aktiv werden. Ich halte es deshalb für sehr wichtig, dass die EU ihr selbstgestecktes Ziel – eine CO2-Reduktion von 30 Prozent bis 2020 – auch umsetzt. Das ist der Weg, der zukünftig Jobs sichert.

Und wenn wir nichts unternehmen?

Gross: Die Berechnungen internationaler Experten sind erschütternd. Sofern sich nichts ändert, müssen wir bis zum Jahre 2100 mit einem Temperaturanstieg von sechs Grad Celsius rechnen – was einer Megakatastrophe mit verheerenden Folgen entsprechen würde. Große Teile der Erde wären schlichtweg nicht mehr bewohnbar, Migrantenströme und Hungersnöte wären die Folge. Ebenso würde der Meeresspiegel deutlich stärker ansteigen als erwartet, viele große Städte würden nicht mehr existieren.

Und welche konkrete Maßnahmen müssen gesetzt werden?

Gross: Es gibt diese eine und einzige Lösung nicht. Lösungsansätze müssen in allen Bereichen Fuß fassen. Das fängt beim Steuersystem an, betrifft die internationale Handelsbeziehungen und greift bis in die Fördermaßnahmen. Auch ein Umbau des Mobilitätssystems ist erforderlich. Das liegt aber alles auf dem Tisch und muss nicht neu erfunden werden. Wir müssen uns also schon die Frage stellen: In welcher Qualität wollen wir zukünftig leben?

Warum ist es wichtig, dass jeder Einzelne Akzente setzt?

Gross: Weil wir alle dazugehören und es uns alle betrifft. Wir haben alle eine Eigenverantwortung die unsere unmittelbare Zukunft bzw. jene unserer Kinder betrifft. Und man muss sich auch immer vor Augen führen: Der Klimaschutz birgt unglaubliche Chancen in sich. An wen also wollen wir die Verantwortung delegieren?

Ist Vorarlberg in dieser Hinsicht gut gerüstet?

Gross: Wir haben zumindest gute Startbedingungen. Wir haben die Menschen und die wirtschaftlichen Voraussetzungen dazu. Wenn man das Ziel der Energieautonomie ernst nimmt, können und müssen wir vorne mit dabei sein.

Das Echo und die Teilnahmebereitschaft am Klimaschutzpreis 2008/2009 war enorm. Ein Indiz dafür, dass die Sensibilisierung der Bevölkerung bereits stark ausgeprägt ist?

Gross: Die vielen Einsendungen zeigen, dass es eine hohe Bereitschaft und ein Wissen gibt, dass Veränderungen notwendig sind. Das sollte man sich zu Herzen nehmen, auch die Politik, um entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Auch für Dinge, die auf den ersten Blick als unpopulär definiert werden, es aber letztlich nicht sind.

Ihr Appell an potenzielle Teilnehmer?

Gross: Mitmachen! Und vor allem: Setzen Sie selber Maßnahmen.

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