Die US-Regierung hat vor der angekündigten Enthüllung hunderttausender diplomatischer Depeschen den Druck auf das Internetportal erhöht: Eine solche Veröffentlichung setze zahllose Menschenleben aufs Spiel, bedrohe Anti-Terror-Operationen in der ganze Welt und gefährde die amerikanischen Beziehungen zu den Verbündeten, schrieb das US-Außenministerium in einem Brief an Wikileaks.
Die Veröffentlichung des kompromittierenden Materials wurde am Sonntagabend erwartet. Der Umfang der Publikation wird laut WikiLeaks siebenmal größer sein als die rund 400.000 Pentagon-Berichte, die im Oktober zum Irak-Krieg veröffentlicht wurden.
In einem am Samstagabend veröffentlichten Brief des US-Rechtsberaters Harold Koh hieß es, Wikileaks habe kein Recht, die Dokumente zu veröffentlichen und müsse den Plan daher stoppen. Die US-Regierung werde nicht mit dem Internetportal kooperieren, um Informationen herauszufiltern, die möglicherweise eine Gefahr bedeuteten. Das Außenministerium reagierte mit dem Brief auf eine Anfrage von Wikileaks-Gründer Julian Assange und dessen Anwalt. Diese hatten beim US-Botschafter in Großbritannien, Louis Susman, um Informationen darüber gebeten, welche Personen durch eine Veröffentlichung in Gefahr geraten könnten.
Koh erklärte, die US-Regierung sei darüber informiert worden, dass die “New York Times”, die Zeitung “Guardian” in Großbritannien und das deutsche Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” bereits Zugang zu den Dokumenten gehabt hätten. Wegen der bevorstehenden Enthüllung kontaktierte US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag bereits Regierungsmitglieder in Deutschland, China, Saudi-Arabien, den Emiraten, Großbritannien, Frankreich und Afghanistan. Auch Kanada, Dänemark, Norwegen und Polen seien gewarnt worden, wie ein Sprecher des Außenministeriums erklärte.
Der in London ansässigen Tageszeitung “Al-Hajat” zufolge zeigen einige der neuen WikiLeaks-Dokumente auch, dass die Türkei der Extremistenorganisation Al-Kaida im Irak geholfen hat. Die “Washington Post” wiederum berichtete von Papieren, aus denen hervorgehe, dass die USA die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt hätten. Unter Berufung auf einen israelischen Regierungsvertreter berichtete die Zeitung “Haaretz”, die US-Botschaft in Tel Aviv habe das israelische Außenministerium vor Papieren gewarnt, die die Beziehungen beider Länder berühren könnten.
Nach Angaben von mit den Dokumenten vertrauten Personen enthalten die Papiere auch Einschätzungen von Politikern zahlreicher Staaten durch US-Diplomaten. Unter anderem sollen auch Korruptionsvorwürfe gegen Politiker enthalten sein, die ausreichten, um “zu ernsthaften Peinlichkeiten” für einige Regierungen zu führen. Für US-Präsident Barack Obama könnten die Enthüllungen den Angaben zufolge erhebliche außenpolitische Komplikationen bedeuten.
Die Dossiers enthalten offenbar auch für deutsche Politiker wenig schmeichelhafte Passagen. Besonders kritisch beleuchtet wird demnach der FDP-Vorsitzende, Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Nach Informationen der “Bild am Sonntag” wird Westerwelle in den Botschaftsberichten als politisch geschwächt eingeschätzt, weil es der FDP nicht gelungen sei, ihre Wahlversprechen durchzusetzen. Ebenfalls soll Westerwelles Kompetenz für das Außenamt kritisch thematisiert worden sein. Demnach schätzten die US-Diplomaten den Vizekanzler zu Beginn der schwarz-gelben Koalition im vergangenen Jahr als jemanden ein, “der seinen Job noch lernen müsse”.
Das Enthüllungsportal Wikileaks hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach für Aufsehen gesorgt, als es geheime Dokumente über den Krieg in Afghanistan und im Irak veröffentlichte. Auszüge aus den neuen Enthüllungen sollten am späten Sonntagabend gegen 22.30 Uhr bei “Spiegel”-Online verbreitet werden. “Der Spiegel” war auch in der Vergangenheit vorab schon mit dem brisanten Wikileaks-Material versorgt worden.
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