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Kreuzfahrtschiff-Unglück: Suche wieder aufgenommen

Kein Notruf, Verharmlosung der Situation, Flucht von Bord: Der inhaftierte Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia", Francesco Schettino, gerät zunehmend in Bedrängnis.
Kein Notruf, Verharmlosung der Situation, Flucht von Bord: Der inhaftierte Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia", Francesco Schettino, gerät zunehmend in Bedrängnis. ©DAPD
Nach einer Wetterbesserung haben Rettungskräfte die Suche nach möglichen weiteren Überlebenden und Opfern des Kreuzfahrtunglücks vor der Küste der Toskana wieder aufgenommen.
Verschiedene Ansprüche von Geschädigten
Experte: “‘Costa Concordia’ sank langsam”
Weiteres Todesopfer geborgen
Stellungnahme von Costa-Kreuzfahrten
"Costa Concordia" rutscht ab
Taucherbilder vom Schiffswrack
Überlebende aus Schiffswrack gerettet
"Costa Concordia" auf Grund gelaufen
Schwerer Vorwürfe gegen Kapitän

Die Arbeiten seien fortgesetzt worden, nachdem die Stabilität der verunglückten “Costa Concordia” überprüft worden sei, sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari am Montagnachmittag. Der Wind in der Region um die Insel Giglio und der Wellengang hätten nachgelassen. Zuvor hatten die Taucher der Küstenwache das Schiff vorübergehend verlassen, nachdem es sich um neun Zentimeter bewegt hatte.

Nachdem aus dem Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes eine weitere Leiche geborgen wurde und die Zahl der Todesopfer damit auf sechs stieg, bestand am Montag kaum noch die Chance, weitere Überlebende zu finden. “Die Hoffnungen, weitere Vermisste lebend zu finden, sind minimal, doch die Suche wird fortgesetzt”, sagte der Bürgermeister der Insel Giglio, Sergio Ortelli. Vermisst werden zehn Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder.

Sorge vor Umweltkatastrophe

Inzwischen wächst die Sorge vor schweren ökologischen Schäden. “Die Umweltgefahr für die Insel Giglio ist enorm. Wir müssen verhindern, dass Dieseltreibstoff aus dem Schiff fließt. Es ist dringend, wir führen einen Wettlauf gegen die Zeit”, sagte der italienische Umweltminister Corrado Clini. Vor allem eine Verschlechterung der Wetterlage stelle eine Gefahr dar. Dadurch könnte das Schiff endgültig sinken. “Wir müssen rasch handeln, wir müssen dabei aber auch berücksichtigen, dass wir noch Menschenleben retten müssen”, meinte Clini. Noch sei kein Öl ins Meer geflossen, das Kreuzfahrtschiff stelle aber eine ökologische “Zeitbombe” dar und werde aufmerksam beobachtet, sagte der Bürgermeister von Giglio. In den Tanks befinden sich fast 2.400 Tonnen Treibstoff.

Unterdessen erhärteten sich die Vorwürfe gegen den Kapitän der “Costa Concordia”, Francesco Schettino. Hunderte Zeugen, darunter Passagiere und Mitglieder der Rettungsteams, wurden vernommen. Fest stehe, dass der Kapitän das Schiff verlassen habe, als sich noch viele Passagiere an Bord befanden, sagte der Oberstaatsanwalt der toskanischen Stadt Grosseto, Francesco Verusio. Der Kapitän war am Samstag festgenommen worden, als Grund nannte Verusio nach Angaben von Medien Fluchtgefahr.

“Fehlentscheidungen” des Kapitäns

Die Reederei Costa Crociere, Betreiber der “Costa Concordia”, warf dem Kapitän “Fehlentscheidungen” vor. “Die Route des Schiffs führte offenbar zu nahe an der Küste vorbei, wobei sich die Einschätzung des Kapitäns für einen Notfall nicht mit den von Costa vorgegebenen Standards deckte”, hieß es in einer Presseaussendung der Costa Crociere. Warum der Kapitän die Insel Giglio so nah passierte, ist noch unklar. Laut der Zeitung “Corriere della Sera” vom Montag wollte Schettino einem auf dem Schiff arbeitenden Kellner aus Giglio einen Gefallen tun und möglichst nahe an dessen Heimatinsel vorbeifahren.

Costa Crociere bezifferte den durch das Unglück entstandenen Schaden mit 93 Millionen Dollar (umgerechnet rund 73 Millionen Euro). “Es gibt eine Reihe weiterer Kosten, die wir jetzt nicht beziffern können, weil sie mit den Versicherungen zusammenhängen”, sagte der Geschäftsführer des Kreuzfahrtunternehmens, Pier Luigi Foschi, am Montag in Genua.

Ermittlungen gegen weitere drei Offiziere

Nach dem Kreuzfahrtschiff-Unglück vom Freitagabend hat die Staatsanwaltschaft der toskanischen Stadt Grosseto Ermittlungen gegen weitere drei Offiziere der “Costa Concordia” aufgenommen. Ihnen wird Mitverantwortung bei der Schiffskatastrophe vorgeworfen, bei der mindestens sechs Personen ums Leben gekommen sind. Die Offiziere werden außerdem verdächtigt, wie Kapitän Francesco Schettino das Schiff verlassen zu haben, als sich noch viele Passagiere an Bord der “Costa Concordia” befanden.Kapitän Schettino und sein Erster Offizier, Ciro Ambrosio, wurden am Samstag wegen Fluchtgefahr festgenommen. Beiden wird schweres Fehlverhalten vorgeworfen. Nach einigen Berichten war Schettino schon fünf Stunden vor Ende der Evakuierungsaktion an Land. Der Kapitän behauptete jedoch, er habe als letzter das Schiff verlassen. “Der Kapitän ist bestürzt, konsterniert und erschüttert. Sein Trost ist, dass er in dieser schwierigen Situation ruhiggeblieben ist, um das Schiff bis zu einem Punkt zu führen, an dem der Meeresboden niedriger war. Somit konnte er viele Menschenleben retten”, berichtete Schettinos Rechtsanwalt Bruno Leporatti. Schettino stehe unter psychologischer Betreuung und unter ständiger Aufsicht.

“Der Kapitän will den Justizbehörden bei der Klärung helfen”, sagte der Rechtsanwalt. Hunderte Zeugen, darunter Passagiere und Mitglieder der Rettungsmannschaften wurden am Montag von den Staatsanwälten vernommen.

Spezialisten sollen Schiff bergen

Nach dem Unglück habe Costa Crociere einen weltbekannten Spezialisten mit der Bergung des Schiffes beauftragt. Wie das 290 Meter lange Wrack in Sicherheit gebracht werden soll, sei noch unklar. Erwogen werde unter anderem eine Bergungsaktion mit Hilfe riesiger Luftballons, die das zur Seite geneigte Schiff wieder aufstellen, so Foschi. Auch eine Zerlegung des Schiffs schloss der Geschäftsführer nicht aus.

 

Video: Schwere Vorwürfe gegen Kapitän

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