“Was wir in der Region Donezk und in den östlichen Regionen sehen, ist kein kurzlebiger Aufstand. Es handelt sich um einen Krieg”, sagte der Leiter des ukrainischen Anti-Terror-Zentrums, Wasil Krutow. Besonders schwere Kämpfe tobten am Samstag in der Stadt Kramatorsk, etwa 20 Kilometer südlich von Slawjansk. Ein Fernsehturm sowie mehrere Straßensperren seien wieder in der Hand der Regierungstruppen, berichtete der ukrainische Innenminister Arsen Awakow. Bei der Offensive seien mindestens sechs Separatisten getötet und 15 verletzt worden, hieß es in Kiew.
Gefechte fortgesetzt
Bis auf eines räumten die Separatisten alle besetzten Verwaltungsgebäude in Kramatorsk. Sie teilten mit, sich nun auf die Verteidigung ihrer Hochburg Slawjansk konzentrieren zu wollen. Dort wurden russischen Medienberichten zufolge bei neuen Gefechten elf Zivilisten und vier Bewaffnete getötet. Militante Ultranationalisten hätten im Schutz der ukrainischen Regierungstruppen auf unbewaffnete Bürger geschossen, erklärten Separatisten. Die Regierung hatte den Tod von zwei Soldaten bekanntgegeben.
Die Unruhen waren bereits am Freitag auch auf Odessa am Schwarzen Meer übergesprungen. Dort starben bei Krawallen zwischen Gegnern und Anhängern der Übergangsregierung mehr als 40 Menschen, die meisten davon beim Brand eines Gewerkschaftsgebäudes, in das sich pro-russische Demonstranten zurückgezogen hatten. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief die Konfliktparteien zu “größtmöglicher Zurückhaltung” auf und forderte eine unabhängige Untersuchung der Gewalt.
OSZE-Team frei
Die russische Regierung machte die Führung in Kiew und ihre westlichen Unterstützer für den gravierendsten Zwischenfall seit dem Sturz des von Russland unterstützten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch verantwortlich. Die Regierung in Kiew vermutete dagegen, dass der Kreis um Janukowitsch vom russischen Exil aus die Zusammenstöße organisiert habe. Übergangspräsident Alexander Turtschinow ordnete eine zweitägige landesweite Trauer an.
In Slawjansk, das weiterhin zu großen Teilen von den Separatisten kontrolliert wurde, ließen die Rebellen die Inspektorengruppe der OSZE frei. “Wie ich es ihnen versprochen hatte, haben wir gestern meinen Geburtstag gefeiert und sie laufenlassen”, sagte Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wertete die Freilassung als Beleg der “Tapferkeit und des Humanismus” der Verteidiger von Slawjansk. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier dankte “ganz herzlich” dem russischen Sonderbeauftragten Wladimir Lukin für einen Einsatz zur Freilassung der sieben Geiseln.
Die OSZE-Beobachter waren zunächst Lukin übergeben worden, außerhalb der Stadt nahm der Generalsekretär des Europarates, Thorbjoern Jagland, sie in Empfang. Die vier Deutschen sowie ein Däne, Pole und Tscheche wurden dann nach Berlin geflogen, wo sie am Samstagabend landeten. “Die Anspannung war enorm”, berichtete der Leiter der Inspektoren, der deutsche Oberst Axel Schneider. Der polnische Major Krzysztof Kobielski sagte, es habe drei Mal “eine reale Gefahr” gegeben, etwa während eines ukrainischen Vormarsches auf Slawjansk. Schneider sprach von einer “ständig steigenden Bedrohung” in den vergangenen Tagen.
Russland: “Erhalten tausende Hilferufe”
Bisher hat der Westen Russland vorgeworfen, seinen Einfluss auf die Separatisten nicht zu nutzen, um auf eine Entspannung der Lage hinzuwirken. Ganz im Gegenteil heize Moskau mit einer martialischen Sprache und der Massierung von Truppen an der Grenze die Lage an. US-Außenminister Kerry erklärte in Kinshasa am Rande einer Kongo-Reise, er habe Lawrow in einem Telefonat erklärt, Russland müsse seine Unterstützung für die Separatisten beenden. Lawrow forderte nach eigenen Angaben die USA auf, ihren Einfluss geltend machen, damit das “Regime in Kiew” sofort seinen Militäreinsatz in der Ostukraine beende.
Der Westen wirft Russland vor, die Lage im Nachbarland zu destabilisieren, um die für 25. Mai geplanten Präsidentenwahlen zu torpedieren. Erst am Freitag drohten US-Präsident Barack Obama und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen in Washington mit Wirtschaftssanktionen gegen Moskau. Dagegen erklärte der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Wahlen unter den jetzigen Umständen seien absurd. Russland erhalte derzeit “tausende Hilferufe” aus dem Osten des Nachbarlandes, betonte Dmitri Peskow. “Es ist der Schrei der Verzweiflung und die Bitte um Hilfe.”
In Donezk, dem industriellen Zentrum im Osten des Landes haben Separatisten ein Referendum für den 11. Mai über eine Abtrennung ihrer Region von der Ukraine angekündigt. Auch der Abspaltung der Halbinsel Krim ging eine Volksabstimmung voraus. Russland rechtfertigt seine Interventionen damit, die russisch-stämmige Bevölkerung in der Ostukraine schützen zu wollen.
(APA)
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