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EZB plant Staatsanleihenkäufe in Milliardenhöhe: Segen oder Fluch?

In Frankfurt fällt am Donnerstag die Entscheidung über umstrittene Anleihenkäufe durch die EZB.
In Frankfurt fällt am Donnerstag die Entscheidung über umstrittene Anleihenkäufe durch die EZB. ©EPA
Nullzinsen, Strafzinsen, Geldschwemme: Nichts lassen Europas Währungshüter im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche unversucht. Ihr Pulver hat die Europäische Zentralbank (EZB) damit weitestgehend verschossen. Nun steht sie vor einem historischen Schritt: Allgemein wird erwartet, dass der EZB-Rat heute, Donnerstag, in Frankfurt den milliardenschweren Kauf von Staatsanleihen beschließen wird. Pro und Kontra: Warum Anleihenkäufe höchst umstritten sind, was für diese Maßnahme spricht.
Anleihenkäufe sorgen für Streit

Die Mitglieder des EZB-Rats sind am Donnerstag in der Früh in Frankfurt zu ihrer entscheidenden Zinssitzung zusammengekommen. Auf dem ersten geldpolitischen Treffen der Europäischen Zentralbank in diesem Jahr wird eine Entscheidung über ein milliardenschweres Anleihekaufprogramm erwartet.

Offene Geldschleußen und die Angst vor Deflation

Mit dem weiteren Öffnen der Geldschleusen nach dem Vorbild der USA soll ein Abrutschen der Konjunktur im Euroraum in eine Deflation, also eine langanhaltende Schwächephase aus fallenden Preisen auf breiter Front und schrumpfenden Investitionen, abgewendet werden. Einem Insider zufolge steht ein Vorschlag im Raum, der ab März Bondkäufe von rund 50 Mrd. Euro pro Monat vorsieht.

Schärfste Waffe der EZB praktisch stumpf

An der Börse gilt die neuerliche Geldspritze der EZB mittlerweile schon als ausgemachte Sache. Der Handlungsdruck für EZB-Präsident Mario Draghi ist hoch: Im Euro-Währungsgebiet waren die Lebenshaltungskosten zuletzt um 0,2 Prozent gefallen. Die EZB strebt aber mittelfristig eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Das schärfste Schwert der EZB ist in normalen Zeiten der Leitzins. Dieser liegt aber seit längerem bereits bei 0,05 Prozent – damit ist die Waffe praktisch stumpf geworden.

Der Handlungsdruck für EZB-Präsident Mario Draghi ist hoch. Foto: EPA
Der Handlungsdruck für EZB-Präsident Mario Draghi ist hoch. Foto: EPA ©Der Handlungsdruck für EZB-Präsident Mario Draghi ist hoch. Foto: EPA

Griechenland fordert mehr Entgegenkommen

Griechenland forderte indes von der EZB und seinen Euro-Partnern mehr Entgegenkommen und hält andernfalls selbst ein Ausscheiden aus der Eurozone für nicht ganz ausgeschlossen. Die Europäische Zentralbank forderte Finanzminister Gikas Hardouvelis am Donnerstag im “Handelsblatt” auf, sein Land bei dem erwarteten riesigen Anleihenkaufprogramm (“Quantitative Easing”) nicht auszulassen.

“Kein anderes Land braucht Quantitative Easing so sehr wie Griechenland”, sagte er. Griechenland sollte davon nicht nur nicht ausgeschlossen werden, sondern die Geldpolitik sollte den nationalen Zentralbanken der Länder mit Problemen, damit auch der griechischen, “mehr freie Kredite” erlauben.

“EZB-Krisenkurs birgt Gefahren für Sparer”

Auf die Gefahren für Sparer infolge des Krisenkurses der EZB und der extrem niedrigen Zinsen hat der deutsche Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon hingewiesen. Jeder müsse sich im Klaren sein, dass er nicht jeden billig angebotenen Kredit auf lange Sicht halten könne, sagte er am Donnerstag im ZDF-“Morgenmagazin”. Er fügte hinzu: “Denn irgendwann wird der Zins steigen und man muss einfach aufpassen, dass man sich jetzt nicht in eine falsche Investition hineinbewegt.” Das System dürfe man nicht so ausrichten, dass Schuldner belohnt würden. “Wir müssen uns viel mehr Gedanken darüber machen, dass nicht eine Generation von Sparern wirklich zu Verlierern wird”, sagte er.

Umfangreiche Staatsanleihenkäufe: Segen oder Fluch?

Nullzinsen, Strafzinsen, Geldschwemme: Nichts lässt die EZB im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche unversucht. Doch weil der Erfolg bisher bescheiden ist, holt die EZB nun wohl ein neues Instrument aus dem Schrank: Anleihenkäufe in großem Stil.

Damit steht die EZB vor einem historischen Schritt. Seit Monaten bereiten die Währungshüter ein milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen vor. Der EZB-Rat dürfte die sogenannte quantitative Lockerung (“QE”) an diesem Donnerstag beschließen. Was spricht für, was gegen Anleihenkäufe?

PRO:

Der schwache Preisauftrieb
Seit Monaten ist die Inflation im Euroraum sehr niedrig. Im Dezember sanken die Verbraucherpreise auf Jahressicht sogar erstmals seit 2009, vor allem weil die Ölpreise abgestürzt sind. Nach Einschätzung von Unicredit-Volkswirt Marco Valli wird die Inflationsrate im laufenden Jahr im Schnitt bei minus 0,5 Prozent liegen. Folglich muss die EZB gegensteuern, denn sie sieht sich einem Inflationsziel von knapp unter 2,0 Prozent verpflichtet.

Konjunkturschwäche
Die Wirtschaft im Euroraum kommt nicht in Schwung. Der IWF traut dem Währungsraum 2015 nur 1,2 Prozent Wachstum zu. Ein Grund ist die schwache Kreditvergabe: Kauft die EZB den Banken nun mit frischem Zentralbankgeld Schuldscheine ab, haben die Institute neuen Spielraum, die Mittel in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzugeben. Das könnte die Konjunktur anschieben.

Eurokurs
Das milliardenschwere Programm dürfte den Euro schwächen. “Denn ein QE-Beschluss der EZB würde noch einmal unterstreichen, dass die Geldpolitik in den USA und im Euroraum für geraume Zeit auseinanderlaufen dürfte”, erklärt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert: Während die EZB noch mehr Geld in den Markt pumpt, will die US-Fed die Zügel bald anziehen. Ein schwacher Euro hilft europäischen Exporteuren, weil ihre Autos oder Maschinen auf den Weltmärkten günstiger werden. Gleichzeitig werden Importe teurer, was den Preisauftrieb stärkt. Unicredit-Ökonom Valli unterstreicht: “Ein schwacher Euro würde jetzt und in der Zukunft die Konjunktur stützen und einen Anstieg der Preise für Importgüter bewirken.”

Die EZB hat keine Alternativen mehr

Die EZB hat ihr Pulver weitgehend verschossen: Sie hat den Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt, verlangt Strafzinsen von Banken, die Geld bei ihr parken und flutet Banken langfristig mit billigem Geld.

KONTRA

Ist QE überhaupt nötig?
Das ist umstritten. Denn der jüngste Preisrutsch ist vor allem eine Folge deutlich billigeren Öls. “Die Kerninflation ist seit einem Jahr ungewöhnlich stabil und wir erkennen auch keine übertriebene Abwärtstendenz”, schreibt Unicredit-Volkswirt Valli. Ohnehin überwiege der Nutzen günstigen Öls für die Konjunktur bei weitem das Risiko einer niedrigen Inflation: “Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass die Konjunktur vom gesunkenen Ölpreis und dem schwächeren Euro profitiert, und dieser positive Effekt dürfte sich noch verstärken.”

Wirkung von Anleihenkäufen ist umstritten
Die Deutsche Kreditwirtschaft glaubt nicht, dass QE die Investitionen der Wirtschaft anschieben kann: “Das Zinsniveau im Euroraum befindet sich bereits auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau. Die Impulse eines weiteren Zinsrückganges auf die Investitionen werden daher gering ausfallen.” Chefvolkswirte der Landesbanken und des Sparkassenverbandes (DSGV) sind zwar der Meinung, dass die Abwertung des Euro kurzfristig zur Belebung von Inflation und Nachfrage beitragen kann. Doch: “Die fundamentalen Probleme des Euroraums werden damit aber nicht gelöst.” Experten der Bank NIBC fürchten, die EZB werde mit der Milliardenschwemme nicht die Kreditvergabe erhöhen, sondern neue Blasen etwa an den Aktien- oder Immobilienmärkten verursachen: Das viele Geld – die Rede ist von mindestens 500 Milliarden Euro – muss schließlich irgendwo investiert werden.

QE könnte Reformeifer bremsen
Gerade in Deutschland ist QE umstritten. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fürchtet, dass die Notenbank mit Anleihenkäufen die Reformmüdigkeit in Krisenländern verstärken könnte: Wenn Staaten darauf bauten, dass die EZB die Zinsen durch den Erwerb von Staatsanleihen deckelt, könnten Regierungen zum Schuldenmachen verleitet werden. Auch EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger sieht die Gefahr, dass die Notenbank Anreize für Regierungen schaffen könnte, “wieder mehr Schulden zu machen, statt auf eine nachhaltige Haushalts- und Wirtschaftspolitik zu setzen”. Kanzlerin Angela Merkel warnt: “Der Druck auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa muss erhalten bleiben, sonst wird gar nichts, aber auch gar nichts uns helfen.”

Hintergrund: Der Werkzeugkasten der EZB

Die EZB soll vor allem für stabile Preise im Euroraum sorgen. Mittelfristig streben die Währungshüter eine Inflationsrate von “unter, aber nahe bei 2,0 Prozent” an. Auch die Wirtschaftspolitik soll die EZB unterstützen, wenn das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Für ihre Aufgaben hat die EZB viele Instrumente. Einige sind umstritten.

VERBALE INTERVENTION: Äußerungen der obersten Währungshüter legen Marktteilnehmer auf die Goldwaage. Schon sehr vage Aussagen können Käufe oder Verkäufe auslösen. Im Sommer 2012 beruhigte EZB-Präsident Mario Draghi mit wenigen Worten in der Schuldenkrise die Finanzwelt.

LEITZINS: Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld ausleihen, ist die wichtigste Stellschraube. Das Geld kommt in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbraucher an und kann das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Den Leitzins im Euroraum senkte die EZB auf das Rekordtief von 0,05 Prozent.

WECHSELKURSE: Indirekt hat die Zentralbank über den Leitzins Einfluss auf Wechselkurse. Je nach Zins wird eine Währung attraktiver oder weniger attraktiv für internationale Anleger. Notenbanken können aber auch über Währungskäufe eingreifen. So kaufte die Schweizer Notenbank bis vor kurzem massiv Euro, um den Kurs des Franken auf einem bestimmten Niveau zu halten. Das wurde aber nun zu teuer.

EINLAGEZINS: Normalerweise bekommen Banken Zinsen für überschüssiges Geld, das sie bei der EZB parken. Inzwischen müssen 0,2 Prozent Strafzinsen zahlen. Das soll die Kreditvergabe stärken.

NOTKREDITE: In der Krise gewährte die EZB den Banken mehrfach Kredite mit außergewöhnlich langen Laufzeiten von bis zu drei Jahren. Doch viele Institute kauften mit dem billigen Geld gut verzinste Staatsanleihen. Für neue Notkredite gab es daher die Bedingung, dass Banken das Geld zumindest teilweise an Unternehmen und Privatkunden weiterreichen. Das Interesse an solchen Geldspritzen war verhalten.

QUANTITATIVE LOCKERUNG: Über breitangelegte Käufe privater und öffentlicher Wertpapiere (“Quantitative Lockerung”/QE) können Notenbanken gewaltige Summen frisches Zentralbankgeld in Umlauf bringen. Dieses Geld kommt im Idealfall über die Banken bei Unternehmen und Verbrauchern an und wirkt so als Konjunkturspritze.

(red/dpa/APA)

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