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Neues Antikrisenpaket: EZB schafft Zinsen ab - Schlechte Zeiten für Sparer

EZB legt neues Anti-Krisenpaket auf und schafft Leitzins quasi ab
EZB legt neues Anti-Krisenpaket auf und schafft Leitzins quasi ab ©APA
Mario Draghi greift durch: Er senkt die Zinsen praktisch auf Null und legt nur drei Monate nach der historischen Feuerwehr-Aktion wieder ein Anti-Krisenpaket auf. Im Kampf gegen Konjunkturflaute und Mini-Inflation schafft sie den Leitzins quasi ab. Und sie will Kreditverbriefungen und Pfandbriefe kaufen. Die Wirkung auf die Kreditvergabe und die Konjunktur ist umstritten. Für Sparer sind es schlechte Zeiten.

Mit einem weiteren Anti-Krisenpaket stemmen sich Europas Währungshüter gegen die mickrige Inflation und die maue Konjunktur im Euroraum. Mario Draghi wird jedenfalls so schnell kein Freund der Sparer. Denn unter der Führung des Italieners hat die Europäische Zentralbank den Leitzins am Donnerstag auf das neue Rekordtief von 0,05 Prozent gesenkt und damit praktisch abgeschafft. Zudem müssen Banken künftig einen noch höheren Strafzins von nun 0,2 Prozent bezahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, statt es in Form von Krediten an Unternehmen weiterzureichen.

EZB-Antikrisenpaket befeuert Börse

Gleichzeitig beschloss der EZB-Rat den Ankauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities/ABS) und Pfandbriefen, um die lahmende Kreditvergabe endlich in Schwung zu bringen. Die Börse reagierte begeistert. Der Dax stieg, der Eurokurs sank. Kritik kam hingegen von Experten aus Deutschland.

Kein guter Tag für Europas Sparer

Das sei kein guter Tag für Sparer in Europa, wettert der deutsche Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon. Die Zinskosmetik verdeutliche, dass die Zentralbank immer näher an das Ende ihrer geldpolitischen Möglichkeiten stoße.

Bedenkliches Signal

Ins gleiche Horn bläst Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): Das von der erneuten Zinssenkung ausgehende negative Signal auf die Sparanreize der Bundesbürger sei sehr bedenklich, insbesondere mit Blick auf eine ausreichende private Altersvorsorge.

Leitl: Wichtiger Beitrag gegen Wirtschaftsflaute

Andere Töne kommen da aus Österreich. So sieht WKÖ-Präsident Christoph Leitl die Leitzinssenkung der EZB durchaus positiv und ortet einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute. Auch der heute angekündigte erstmalige Aufkauf von Unternehmenskrediten – sogenannten ABS-Papieren – durch die EZB dürfte die Betriebe mit mehr Geld versorgen und die Konjunktur ankurbeln.

ifo-Chef Sinn: Pulver zu früh verschossen

Der Chef eines der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, Hans-Werner Sinn vom ifo, kritisiert den Kurs der EZB wiederum. Die erneute Leitzinssenkung werde “wirkungslos” sein, teilte Sinn mit. “Die EZB hatte ihr Pulver schon viel zu früh verschossen und die Zinsen zu weit gesenkt.” Nun sei sie in einer “Liquiditätsfalle”.

Kein anderer Weg aus der Misere?

Doch Draghi sieht keinen anderen Ausweg aus der Misere, als die Kreditvergabe an Unternehmen mit immer billigerem Geld und immer mehr Liquidität im Markt anzutreiben. Noch im Frühjahr schien die Krise im Euroraum fast schon überwunden. Doch nicht zuletzt der Russland-Ukraine-Konflikt trübte die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern nachhaltig ein, Investitionen fielen aus, die Konjunktur stagnierte. Auch deshalb bleibt der Preisauftrieb mickrig. “Wir mussten handeln. Das ist unsere Pflicht”, sagt Draghi. Denn die Inflation fiel zuletzt auf 0,3 Prozent. Was auf den ersten Blick nach guten Nachrichten für Verbraucher klingt, ist in Wirklichkeit gefährlich – denn bei dauerhaft sinkenden Preisen gerät die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale.

Draghi hat zwar schon mehrfach eingestanden, dass er die Wirkung der Niedrigzinspolitik auf die Sparer bedaure. Aber er argumentiert: Die EZB wolle die Kreditvergabe erhöhen und damit die Konjunktur stärken. Das schaffe Arbeitsplätze und Wohlstand. Wenn es soweit sei, könnten die Zinsen wieder steigen.

Rosige Zeiten für Kreditnehmer – zumindest…

Bis dahin sind die Zeiten zumindest für Kreditnehmer rosig. Die Konditionen für Darlehen seien bereits auf ein historisches Allzeittief gefallen, betont Michiel Goris, Vorstandsvorsitzender der Interhyp AG, eines Vermittlers privater Baufinanzierungen: “Bei den günstigsten Anbietern sind zehnjährige Immobilienkredite ab rund 1,6 Prozent erhältlich.” Die Mehrheit der Immobilienkäufer erhalte ihre Finanzierung bei entsprechendem Eigenkapitaleinsatz ab rund 1,8 Prozent bei einem Darlehen auf zehn Jahre.

Erdland klagt über falsches Signal

Sparer dürfte das nur wenig trösten. Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, klagt daher über ein falsches Signal: “Dass Zinssenkungen nahe dem Nullpunkt keine positiven Wirtschaftsimpulse bringen, haben bereits die letzten Zinsschritte der EZB gezeigt.” Und auch das angekündigte Programm zum Kauf von Kreditverbriefungen und Pfandbriefen schade: Denn die EZB trete in direkten Wettbewerb mit institutionellen Investoren wie Versicherern. “Damit würden die Renditen zusätzlich unter Druck gesetzt, das hätte negative Folgen für die Altersvorsorgesparer.”

Keine Frage: Mit ihrem Niedrigzins hat die EZB den Boden erreicht. Nun seien die Regierungen umso dringender gefordert, Strukturreformen umzusetzen, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen und die Arbeitslosigkeit zu senken, sagt Draghi. Schon mehrfach hatte er die Politik aufgefordert, die Flexibilität des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu nutzen. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell geht noch weiter: “Was Europa braucht, ist ein groß angelegtes Investitionsprogramm und steigende Löhne. Nur dann steigt auch die Nachfrage, Arbeitsplätze entstehen und die Gefahr einer Deflationsspirale wird gebannt.” Erst dann können auch die Zinsen wieder steigen.

Stichwort I: Der Leitzins

Der Leitzins ist das wichtigste Instrument der Europäischen Zentralbank (EZB). Er ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank ausleihen können, um es dann zum Beispiel als Kredit an ihre Kunden weiterzugeben. Daher kann ein niedriger Leitzins die Konjunktur ankurbeln. Kredite werden – so die Idealvorstellung – günstiger, Unternehmen können Investitionen leichter finanzieren. Gleichzeitig lohnt sich Sparen bei niedrigen Zinsen für Verbraucher weniger. Da sie ebenfalls an günstigere Kredite kommen, resultiert daraus womöglich mehr Konsum – und ein Impuls für die Wirtschaft. Die EZB hat den Leitzins am Donnerstag auf das Rekordtief von 0,05 Prozent gesenkt.

Stichwort II: Negativer Einlagezins

Auf den ersten Blick klingt es paradox: Wenn Banken Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen sie dafür einen negativen Zinssatz akzeptieren – mit anderen Worten: Sie müssen Strafzinsen bezahlen. Die obersten Währungshüter senkten diesen sogenannten Einlagezins am Donnerstag erneut, auf nun minus 0,2 Prozent. Hintergrund der Maßnahme: Banken sollen überschüssige Liquidität nicht bei der EZB parken, sondern das Geld in Form von Krediten an Verbraucher und Unternehmen weiterreichen. Ob Strafzinsen die Kredivergabe beflügeln ist allerdings umstritten.

(dpa/red)

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