AA

Breivik war "einsamer Wolf"

Die norwegische Polizei hat am Mittwoch 13 Namen von Toten des Massakers auf der Insel Utöya veröffentlicht, darunter auch den eines 14 Jahre alten Mädchens.
"Gefährlicher" Breivik-Verehrer
Attentäter erpresst Behörden
Osloer Hauptbahnhof evakuiert

Am Dienstag waren die ersten vier Namen bekanntgegeben worden. Insgesamt kamen bei dem Massaker sowie der Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel 76 Menschen ums Leben. Ministerpräsiden Stoltenberg teilte mit, dass eine von der Regierung unabhängige Kommission Ablauf und genaue Umstände beider Anschläge vom 22. Juli untersuchen soll.

Für ein Netz rechtsextremistischer Zellen um den norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik fehlt weiter jeder Beweis. Breivik selbst behauptete, es gebe Zellen in Norwegen und im Ausland. Für den norwegischen Geheimdienst erhärtet sich allerdings die Annahme, dass Breivik, der bei zwei Anschlägen am Freitag in Oslo und der Insel Utöya 76 Menschen getötet hat, ein Einzeltäter ist. In Norwegen sorgten unterdessen ein falscher Bombenalarm am Osloer Hauptbahnhof und eine Fahndung nach einem angeblichen Breivik-Sympathisanten für Wirbel.

Bisher keine Beweise für “Zellen”

Dem britischen Sender BBC sagte die Chefin des norwegischen Geheimdienstes PST, Janne Kristiansen, am Mittwoch in Oslo: “Breivik hat allein gehandelt.” Es gebe “keine Beweise für die Existenz anderer Zellen, weder in Norwegen noch in Großbritannien”. Man arbeite mit dem britischen MI5 zusammen. Breivik hatte nach Angaben seines Anwalts behauptet, Kontakte zu zwei “Zellen” in Norwegen und weiteren im Ausland gehabt zu haben. Sie halte das für “möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich”, sagte Kristiansen.

Rechtspsychiater sollen Breiviks Geisteszustand prüfen

Auch an eine mögliche Geisteskrankheit des 32-Jährigen, die der Anwalt ins Spiel gebracht hat, glaubt die Geheimdienstchefin nicht: “Meiner Meinung nach ist er durchaus ein zurechnungsfähiger Mensch”, sagte sie. Er sei konzentriert und berechnend und habe über Jahre hinweg an seinen Plänen gefeilt. All das passe nicht zu einem verrückten Menschen. Breivik sei vielmehr “vollkommen böse”. Mehrere norwegische Zeitungen zitierten die Geheimdienstchefin zudem mit der Äußerung: “Dies ist ein einsamer Wolf, der unter alle unsere Radarsysteme schlüpfen konnte.”

Breivik wird seit Dienstagabend in der Haftanstalt Ila bei Sandvika westlich von Oslo festgehalten. Dabei soll er in einer sieben Quadratmeter kleinen Zelle rund um die Uhr überwacht werden, um einen Selbstmord auszuschließen. Die Zeitung “Verdens Gang” berichtete am Mittwoch in ihrer Online-Ausgabe, dass der 32-Jährige hier die erste Hälfte der vorerst acht Wochen Untersuchungshaft mit fast kompletter Kontaktsperre verbringen muss. In dieser Zeit darf der geständige Attentäter ausschließlich mit seinem Anwalt Geir Lippestad und der Polizei sprechen. Außerdem sollen zwei Rechtspsychiater mit einer mehrmonatigen Untersuchung des Inhaftierten auf seinen Geisteszustand beginnen.

Am Mittwoch in der Früh wurde der Hauptbahnhof in Oslo wegen eines verdächtigen Gepäckstücks teilweise evakuiert. Wie die Polizei mitteilte, wurde ein Bus nach dem Fund eines herrenlosen Koffers mit Spürhunden durchsucht. Es sei aber nichts gefunden worden. Nach zwei Stunden wurde die Sperre wieder aufgehoben.

Für weiteren Wirbel sorgte eine Polizeimeldung zur Fahndung nach einem angeblichen Sympathisanten von Breivik. Gesucht werde ein Mann, der als psychisch instabil und gefährlich gelte und sich mit dem mutmaßlichen Attentäter “identifiziere”, hieß es. Er sei nach einem Angriff auf eine Polizeistation erst am Montag aus dem Gefängnis freigelassen worden war. Später betonte ein Sprecher, es gebe “keine Verbindung” zwischen dem Verdächtigen und den Anschlägen. Der Mann habe nur aufgrund der Medienberichterstattung von Breivik gesprochen. Die norwegischen Behörden sind wegen der Terroranschläge in erhöhter Alarmbereitschaft.

Auf einem von dem mutmaßlichen Attentäter angemieteten Bauernhof entdeckte die Polizei weiteren Sprengstoff. Er wurde an Ort und Stelle “in einer kontrollierten Explosion” entschärft, wie eine Sprecherin sagte. Über den Umfang und die Art des Funds machte sie keine Angaben.

Für das Massaker auf Utöya, das mit zwei legal erworbenen Waffen, einer Pistole und einem Schnellfeuergewehr, verübt wurde, hatte der als rechtsradikal eingestufte Breivik in einem Schützenclub trainiert. Der Osloer Pistolenclub teilte am Mittwoch auf seiner Internetseite mit, dass Breivik von 2005 bis 2007 und erneut ab Juni 2010 Mitglied gewesen sein. Weiter hieß es in der Mitteilung: “Breivik hat als Mitglied an 13 organisierten Trainingseinheiten mit anderen sowie einem Wettbewerb teilgenommen.” Breivik habe sich “weder politisch bemerkbar gemacht noch in anderer Weise irgendwelche Verhaltensweisen als Vorwarnung für die zutiefst tragischen Ereignisse an den Tag gelegt.” Man habe ihn “mit sofortiger Wirkung” ausgeschlossen.

Unterdessen wurde neue Kritik am Vorgehen der norwegischen Polizei auf Utöya laut. Der Vater von zwei jugendlichen Teilnehmern des dortigen sozialdemokratischen Jugendlagers sagte der Zeitung “Fremover”, er sei von der Polizei abgewimmelt worden, als er sie über einen beunruhigenden Anruf seiner Tochter informiert habe. Die Beamtin habe ihm “absolut nicht geglaubt” und gesagt, dass sein Kind selbst anrufen solle.

Anti-Terror-Experten aus der EU und Norwegen beraten am Donnerstag in Brüssel über Konsequenzen aus den Anschlägen. Dabei soll es u.a. darum gehen, wie Bombenbau mit Alltags-Chemikalien erschwert werden kann.

Breivik ergab sich Polizei mit erhobenen Armen

Der mutmaßliche norwegische Doppel-Attentäter Anders Behring Breivik hat sich vor seiner Festnahme auf der Insel Utöya der Polizei ergeben, ohne eine Schuss auf die Beamten abzufeuern. Breivik habe die Beamten mit erhobenen Armen empfangen. Seine Waffen lagen zu dem Zeitpunkt rund 15 Meter hinter ihm. Das berichtete der Einsatzleiter auf Utöya vom vergangenen Freitag, Jacob Bjaertnes am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

Nächster Fauxpas von FPÖ-Politiker Königshofer

Die parteiinterne Schelte gegen den FPÖ-Abgeordneten Werner Königshofer zeigte nur kurz Wirkung: Zwar ist die Facebook-Seite mit den umstrittenen Postings nicht mehr erreichbar, dafür findet sich auf Königshofers Homepage ein Kommentar, in dem er die Fristenlösung in Relation zu den Anschlägen in Norwegen stellt. Königshofer wörtlich: „Im Angesicht dieser schrecklichen Ereignisse in Norwegen sollte man in ganz Europa einmal tiefgehender über den Wert des menschlichen Lebens nachdenken. Auch darüber, dass in Europa jedes Jahr Millionen ungeborener Kinder schon im Mutterleib getötet werden.“

Dies sei keine Mäßigung in seinem Sinne, meint FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer zum neuen Kommentar seines Parteikollegen im Gespräch mit derStandard.at. Hofer gibt an, dass er heute ein E-Mail an Königshofer gesandt habe, und ihn darin gebeten habe, seine Facebook-Seite in Ordnung zu bringen. Ein persönliches Gespräch sei noch nicht möglich gewesen, da Königshofer „auf Kur“ sei. Zu möglichen Konsequenzen sagt Hofer: „Ich hoffe, dass Besserung eintritt. Man kann mit Königshofer persönlich vernünftig sprechen. Ich hoffe, das fruchtet.“

Andreas Mölzer fordert Abrüstung der Worte

Der freiheitliche Europa-Abgeordnete Andreas Mölzer spricht sich nach den Anschlägen von Norwegen für eine Abrüstung der Worte aus. Über das “Manifest” des Attentäters von Norwegen sagt er im Gespräch mit derStandard.at: “Es ist ja nicht gesagt, dass alles, was der zusammenkopiert hat, grundsätzlich falsch sein muss.”

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Breivik war "einsamer Wolf"