Zwölf-Kinder-Familie in Wien entfacht neue Sozialhilfe-Debatte

Die Diskussion über die Reform der Sozialhilfe hat am Montag nach einem "Krone"-Bericht über einen weiteren Einzelfall einer Großfamilie neuen Auftrieb erhalten. Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) erklärte gegenüber der APA, solche Beispiele würden zeigen, "dass das System völlig aus den Fugen geraten ist". Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) zeigte "Verständnis" für Unmut wegen hoher Auszahlungssummen, betonte gleichzeitig, man müsse einen "guten Weg" finden.
Fall einer Wiener Großfamilie bringt Reformdruck zurück
Im Mai wurde die Debatte durch einen Bericht der "Kronen Zeitung" zum Beispiel einer syrischen Großfamilie mit elf Kindern ausgelöst, die in Summe auf Sozialleistungen von rund 9.000 Euro kam. Ein neuer Bericht des Blattes vom Montag über eine "erste Familie" mit zwölf Kindern in der Sozialhilfe, die in Wien weiterhin Mindestsicherung genannt wird, veranlasste nun die Politik, neuerlich auf Reformdruck hinzuweisen. Laut dem Bericht soll auch die Zahl der Mindestsicherung beziehenden Familien ab fünf Kindern angestiegen sein, wie es mit Verweis auf (noch nicht offiziell publizierte) Daten der Stadt Wien heißt. Die Zahlen sind freilich überschaubar: Konkret geht es um ein Plus von 18 solcher Familien "innerhalb weniger Monate", die Gesamtsumme aller Mindestsicherungsbezieher in Wien liegt laut "Krone" hingegen bei mehr als 135.000.
ÖVP sieht System "völlig aus den Fugen geraten"
Kritisch sah das die ÖVP: "Genau solche Beispiele zeigen, dass das System völlig aus den Fugen geraten ist. Im Regierungsprogramm haben wir daher den Punkt festgehalten, dass die verfassungskonforme Anrechnung von Familienleistungen auf die Sozialhilfe geprüft wird", erklärte ÖVP-Ministerin Plakolm in einem Statement zur APA - und das habe man auch getan: "Laut Verfassungsdienst ist eine verfassungskonforme Anrechnung von Familienleistungen möglich. Wie konkret, werden die kommenden Verhandlungen zeigen." Mit Sozialleistungen sollten bereits alle Kosten für Kinder abgedeckt sein, so die Haltung Plakolms. "Daher ist es aus unserer Sicht nicht notwendig, noch mehr als 3.000 Euro oben drauf zu legen."
ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti erklärte in einer Aussendung, Sozialhilfe müsse "Anreize für Arbeit setzen" und dürfe "kein Dauereinkommen sein". Im Zuge der geplanten Reform der Sozialhilfe müsse deren Höhe in ganz Österreich vereinheitlicht und auf ein vernünftiges Maß beschränkt werden. Die Wiener ÖVP nahm den Bericht zum Anlass, die Wiener Stadt-Koalition zwischen SPÖ und NEOS zu kritisieren, die "nicht gehandelt" habe. Vor allem brauche es Anpassungen bei der Auszahlung an subsidiär Schutzberechtigte sowie die Staffelung der Kinderrichtsätze.
Sozialministerin kann Unmut verstehen
Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) zeigte in einem Statement Verständnis, warnte aber vor überzogenen Reaktionen: "Bei dieser Summe verstehe ich jeden, bei dem das für Unverständnis und Unmut sorgt. Wir müssen jetzt einen guten Weg finden, damit diese Summen in Zukunft nicht mehr ausgezahlt werden, aber die Menschen gleichzeitig nicht ins Bodenlose fallen."
Zur Umsetzung der geplanten Reform wurden laut Schumann zwei Arbeitsgruppen eingerichtet: Eine Gruppe zum Arbeitsmarktservice AMS (dieses soll laut den Plänen arbeitsfähige Sozialhilfe-Bezieherinnen und -Bezieher betreuen) und "Schnittstellen" in den Bundesländern; eine weitere Arbeitsgruppe für die Legistik, sagte die Ministerin gegenüber der Zeitung "heute".
Integrationskurse nicht für Österreicher
Bezüglich der Frage der geplanten "Integrationsphase" bzw. "Wartefrist", die auf Zuwanderer abzielt und während der nicht die volle Höhe der Sozialhilfe gewährt werden soll, betonte man im Sozialministerium einmal mehr die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Lösung. Die geplanten Integrationskurse sollen aber jedenfalls nicht auch für Österreicher und Österreicherinnen gelten: "Nein, natürlich wird das nicht so sein", so Schumann. Zu dieser Frage herrschte im September etwas Verwirrung in der ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition: Zwischenzeitlich hatte es aus dem Sozialministerium geheißen, dass diese "Integrationsphase" für alle Anwärter (auch für Österreicher) gelten soll - aus Gründen der Gleichbehandlung, später wurde diese Aussage zurückgenommen.
Dass die "Integrationsphase" verfassungskonform sein müsse, betonte Schumann am Montag neuerlich: Zur Frage von möglichen verfassungsrechtlichen Problemen und ob die die geplante Integrationsphase für Zuwanderer rechtlich halten wird - oder ob man vielleicht eine "Wartefrist" mit reduzierter Leistung für alle einziehen müsse, hieß es seitens Schumann: "Wir haben es mit einer extrem komplexen Materie zu tun. Wenn ich mich jetzt schon öffentlich festlege, wie die Einzelteile aussehen sollen, werden wir nie eine Reform hinbekommen. Wichtig ist, dass die Reform verfassungs- und EU-rechtlich hält."
Auch verwies sie darauf, dass 2019 die Sozialhilfereform unter Türkis-Blau vom Verfassungsgerichtshof "zurückgeworfen" wurde. Der VfGH sah 2019 die "Staffelung" der Sozialhilfe-Beträge für Kinder als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig an.
Plakolm verweist neuerlich auf die EU-Statusverordnung
Plakolm verwies wie schon zuvor auf die ab Mitte 2026 geltende EU-Statusverordnung. Demnach sei es rechtlich sehr wohl möglich, Sozialleistungen an Integrationsmaßnahmen zu knüpfen, erklärte sie bereits im September. "Wer bei uns leben will, muss Deutsch lernen, sich um einen Job bemühen und sich an unsere Werte und Gesetze halten", unterstrich sie nun am Montag. "Wer es nicht tut, wird sanktioniert." Mit dem verpflichtenden Integrationsprogramm werde "Integration vom Angebot zur Pflicht", Sozialleistungen gebe es erst nach drei Jahren - "und die volle Höhe Integrationsgeld gibt es nur, wenn alle Auflagen gewissenhaft erfüllt werden".
(APA/Red)
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