Zwischen Tradition und Hightech: 150 Jahre öffentlicher Verkehr im Schweizer Tourismus

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Tourismus und öffentlicher Verkehr sind in der Schweiz seit jeher eng miteinander verbunden. Ob Eisenbahnstrecke, Zahnradbahn, Dampfschiff oder Postauto – alle Errungenschaften in Technik und Infrastruktur dienten nie nur zum Wohle der eigenen Bevölkerung, sondern mehr noch zum Wohle derer, die sich aufmachten, um die Schweizer Kantone, ihre Seen, Alpen, Städte und Dörfer zu bereisen.
Als vor über 150 Jahren im Juni 1863 der britische Tourismus-Pionier Thomas Cook die erste Pauschalreise in die Schweiz veranstaltete, war das Land noch wenig industrialisiert und infrastrukturell kaum in der Lage, Massentourismus abzuwickeln. Nichtsdestotrotz brachen bereits damals auf Anhieb 60 unerschrockene Gäste aus London auf, die Schweiz zu erkunden – nach Genf, Chamonix, ins Berner Oberland und weiter nach Luzern und Neunburg. Zwar waren die größeren Städte zu diesem Zeitpunkt bereits ins europäische Eisenbahnnetz integriert – doch wer über den städtischen Tellerrand hinauswollte, musste auf Pferdekutschen und Maultiere umsteigen. Mit der Erweiterung des Bahnverkehrs und dem Bau von Straßen und Alpenpässen wurde die Schweiz in den Folgejahren immer zugänglicher – und endgültig zum Magnet für weltweiten Massentourismus. Ein weiterer Durchbruch erfolgte mit der Erfindung der Zahnradbahn – mit ihr konnten alsbald auch die steilsten Steigungen überwunden werden. Ein technischer Fortschritt, den sich die Schweizer Bahnkonstrukteure für die topographischen Eigenheiten ihres Landes zu nutzen machten. Man wollte hoch hinaus – bis auf die Gipfel der Alpen. So feierte am 21. Mai 1871 die Vitznau-Rigi Bahn ihre Premiere: Das in damaliger Währung mit 1.25 Millionen Franken extrem teure Bauprojekt machte sich mehr als bezahlt – ist doch der 1797 Meter hohe Rigi am Vierwaldstättersee noch immer einer der beliebtesten Ausflugsberge in der Schweiz, und die alte Zahnradbahn noch immer das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, in feinstem Ambiente den Gipfel zu erklimmen.
Neben den Bergen übten seit jeher auch die für ihre Wasserqualität berühmten Seen große Faszination auf Schweizreisende aus. Folglich wuchs nicht nur am Lande, sondern auch zu Wasser die Nachfrage nach komfortablen Massentransportmitteln stets an. Bereits am 18. Juni 1823 wurde das erste dampfbetriebene Passagierschiff der Schweiz, die “Guillaume Tell“, am Genfersee zu Wasser gelassen. Mit der Inbetriebnahme des Dampfschiffes “Stadt Luzern“ am Vierwaldstättersee 1837 wurde gar eine Art Konkurrenzkampf gefochten, in der es darum ging, welcher Kanton das komfortabelste, größte und luxuriöseste Schiff zu bieten hatte. Der Wettstreit führte zum Bau immer größerer und eindrucksvollerer Dampfschiffe – von denen heute immer noch fünf Stück im Einsatz sind. Die 1960 umgetaufte Schiffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersee (SGV) ist mittlerweile die größte Binnenreederei der Schweiz und verfügt sogar über eine eigene Werft.
Ein weiterer Meilenstein in der Planung des öffentlichen Verkehrsnetzes war die Einführung eines Fahrplansystems nach holländischem Vorbild. Erstmals eingesetzt im Sommer 1968 auf der stark frequentierten Zürichseelinie, trat das Taktfahrplan-System erstmals am 23. Mai 1982 schweizweit nun auch für alle Bahnlinien des Landes in Kraft – und hat auch heute, mehr als 40 Jahre später, nichts von seiner Präzision verloren: Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist so akkurat wie die Mechanik einer Schweizer Uhr.
Der öffentliche Verkehr weiß, Touristen zu begeistern – und das nicht nur wegen seiner Pünktlichkeit. Wer zwischen Tradition und Hightech verkehren möchte, findet bei einem Ausflug auf das Stanserhorn mit einer Fahrt durch die einheimische Bergbahngeschichte zum technologisch-historischem Reiseglück: Hier verkehrt zwischen Stans und der Mittelstation Kälti eine Oldtimer-Stanseilbahn, die 1893 eröffnet wurde und ihre Fahrgäste auch heute noch authentisch ins 19. Jahrhundert zurück zu versetzten weiß. An der historischen Mittelstation angekommen, gleiten die Besucher mit der neu eröffneten CabriO-Seilbahn danach übergangsfrei ins 21. Jahrhundert. Das futuristische Design mit offenem Obereck lässt den Reisenden den Gipfel von ganz neuen Seiten erblicken.
Eckpunkte des öffentlichen Verkehrs der Schweiz:
- 1823: «Guillaume Tell», 1. Dampfschiff zwischen Genf und Lausanne
- 1847: «Spanisch-Brötli-Bahn», 1. Bahnstrecke der Schweiz
- 1871: Vitznau-Rigi-Bahn, 1. Bergbahn der Welt
- 1889: Pilatusbahn, bis heute die steilste Zahnradbahn der Welt (48%)
- 1906: 1. Postauto-Linie von Bern nach Detligen
- 1982: Einführung des Taktfahrplans nach holländischem Vorbild
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