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Zwischen Freudentaumel und Kriegsangst

Wahlausgang in Taiwan weckt Hoffnungen auf neue Ära.

„Wir haben uns nicht von den Chinesen einschüchtern lassen“, triumphiert der 19-jährige Lo Hao. Trotz massiver Drohungen Pekings haben sich die Taiwanesen am Samstag für „seinen“ Kandidaten entschieden: Chen Shui-bian, der mit seinen Forderungen nach einem vom Festland unabhängigen Taiwan Peking ein Dorn im Auge ist. Lo schwenkt eine riesige Fahne vor dem Büro der siegreichen Partei des Demokratischen Fortschritts (DPP). Wie er strömten hundertausende Menschen auf die Straßen, um Chens Triumph zu feiern.

Die überschwänglichen Feiern sind typisch für das Land, in dem Politik nicht selten mit fanatischem Enthusiasmus betrieben wird. „Chens Sieg ist ein Beweis für die Integrität und den Mut des taiwanesischen Volkes“, sagt Yu Yin-lung, der Wahlkampfstratege der DPP.

Peking werde nicht vor einem Blutvergießen zurückschrecken, sollten sich die Taiwanesen bei der Wahl für einen Befürworter der Unabhängigkeit entscheiden, hatte der chinesische Regierungschef Zhu Rongji gedroht. Notfalls soll eine Wiedervereinigung der „abtrünnigen Provinz„ mit dem Mutterland mit Gewalt erzwungen werden. Allen Warnungen zum Trotz drängten die Taiwanesen am Samstag in Massen in die Wahllokale. 10.000 Staatsbürger reisten sogar eigens aus den USA an, um ihre Stimme abzugeben.

Die Stimmabgabe am Samstag war schließlich nicht irgendeine Wahl. Sie war erst die zweite direkte Präsidentschaftswahl und Beobachtern zufolge die erste, die als wirklich frei bezeichnet werden konnte. Zudem bestand zum ersten Mal eine wirkliche Chance, die seit mehr als einem halben Jahrhundert herrschende Regierungspartei Kuomintang abzulösen.

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