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Zweistaatenlösung: Vision für einen Palästinenserstaat neben Israel

Seit Jahrzehnten wird über eine Zweistaatenlösung gerungen.
Seit Jahrzehnten wird über eine Zweistaatenlösung gerungen. ©AFP
Die Zweistaatenlösung in Nahost gilt seit Jahrzehnten für eine Mehrheit der UNO-Mitgliedstaaten als erstrebenswerte Lösung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.
Großbritannien, Kanada und Australien erkennen Palästina an
500 Menschen bei Protest in Bregenz

Die Vision der friedlichen Koexistenz eines Palästinenserstaats mit Israel in gesicherten Grenzen ist nach dem brutalen Überfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Gazakrieg allerdings in weite Ferne gerückt.

Am Sonntag haben nun Großbritannien, Kanada und Australien offiziell einen Palästinenserstaat anerkannt. Portugal wollte diesen Schritt noch am Abend gehen, Frankreich und mehrere weitere Staaten folgen vermutlich am Montag. Ziel dabei ist es, inmitten des Gazakriegs dem Nahost-Friedensprozess neuen Schwung zu verleihen. Ein Überblick über die Geschichte des Ringens um einen Palästinenserstaat:

UNO-Teilungsplan 1947

Am 29. November 1947 sprach sich die UNO-Vollversammlung dafür aus, das damals britisch kontrollierte Mandatsgebiet Palästina in jeweils einen unabhängigen jüdischen und arabischen Staat aufzuteilen. Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle gestellt werden. Der Plan scheiterte jedoch an der Ablehnung der arabischen Staaten: Als Reaktion darauf erklärte eine Koalition mehrerer arabischer Länder Israel einen Tag nach seiner Staatsgründung am 14. Mai 1948 den Krieg.

Der Krieg ging mit einer massiven Flucht und Vertreibung der palästinensisch-arabischen Bevölkerung einher, betroffen waren rund 760.000 Menschen. Zugleich wurden mehr als 800.000 Juden aus den arabischen Ländern vertrieben oder flüchteten. Der Krieg infolge der Staatsgründung Israels wird von den Palästinensern als "Nakba" (Katastrophe) bezeichnet.

UNO-Beobachterstatus 1974

Palästinenserchef Yasser Arafat rief in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung zu einem multikonfessionellen Staat in ganz Palästina auf - und sprach damit Israel das Existenzrecht ab. Er sei "mit einem Olivenzweig in der einen und dem Gewehr des Freiheitskämpfers in der anderen Hand" gekommen, sagte er. Dennoch war sein Auftritt ein diplomatischer Erfolg: Wenige Wochen später erkannte die UNO-Vollversammlung das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und nationale Unabhängigkeit an. Die Palästinenserorganisation PLO erhielt Beobachterstatus.

Unabhängigkeitserklärung 1988

Während der ersten Intifada (arabisch für Aufstand) rief Arafat 1988 in Algier einseitig einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt aus. In der Unabhängigkeitserklärung fehlte die Definition des Staatsgebiets. Der Palästinensische Nationalrat präzisierte später, dass das von Israel besetzte Westjordanland mit Ostjerusalem und der Gazastreifen gemeint seien. Damit wurde indirekt das Existenzrecht Israels anerkannt.

Wenige Minuten nach der Ausrufung erkannte Algerien als erstes Land einen palästinensischen Staat an. Ein Großteil der arabischen Welt, China, Indien und die Türkei folgten. Auch die meisten Länder Afrikas und des Ostblocks erkannten Palästina an. Der Schritt hatte allerdings nur symbolische Bedeutung.

Oslo-Friedensprozess 1993

In langwierigen, zunächst geheimen Verhandlungen einigten sich Israel und die PLO auf die Einrichtung von palästinensischen Autonomiegebieten und einer Autonomiebehörde. Die Vereinbarung zwischen Israels damaligem Regierungschef Ytzhak Rabin und PLO-Chef Arafat galt als Meilenstein. Letztlich scheiterte der Prozess aber und ging in die zweite Intifada über, die von palästinensischen Anschlägen in Israel geprägt war.

Weitere Verhandlungsversuche zur Zweistaatenlösung

2000 und 2001 führten Arafat und Israels Ministerpräsident Ehud Barak unter direkter Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton Verhandlungen in Camp David und Taba, um eine endgültige Friedenslösung zu erreichen. Trotz weitreichender Zugeständnisse Israels kam aber keine Einigung zustande.

Die Gewalt der zweiten Intifada führte schließlich zu einem tiefen Misstrauen auf beiden Seiten. Ernsthafte Friedensverhandlungen gab es seitdem nur noch 2008 unter Israels Regierungschef Ehud Olmert.

UNO-Sicherheitsrat für Zweistaatenlösung 2002

Der UNO-Sicherheitsrat verabschiedete im März 2002 die UNO-Resolution 1397, in der er erstmals einen palästinensischen Staat erwähnt. Die Rede ist von der "Vision einer Region, in der zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen existieren".

UNO-Beobachterstatus 2012

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas beantragte 2011 die UNO-Vollmitgliedschaft für die Autonomiegebiete. Dies scheiterte an der ablehnenden Haltung der USA. Doch 2012 wurde erstmals die palästinensische Flagge am UNO-Hauptquartier gehisst: Die UNO-Vollversammlung verlieh den Palästinensern den offiziellen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.

Zunehmende Anerkennung in Europa

2014 wurde Schweden der erste europäische Staat, der als EU-Mitglied einen Palästinenserstaat anerkannte. Bulgarien, Zypern, Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien hatten dies allerdings bereits vor ihrem EU-Beitritt getan.

Die USA legten im April 2024 im UNO-Sicherheitsrat erneut ihr Veto gegen eine UNO-Vollmitgliedschaft der Palästinenser ein. Einen Monat später stimmte dann die UNO-Vollversammlung mit großer Mehrheit für zusätzliche Rechte der Palästinenser bei den Vereinten Nationen.

Norwegen, Spanien und Irland kündigten wenig später die Anerkennung eines Palästinenserstaats an. Inzwischen haben bereits mehr als 140 Länder einen palästinensischen Staat anerkannt.

Die jüngste Initiative zur Anerkennung eines Palästinenserstaats durch weitere Länder geht maßgeblich auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zurück. Neben Frankreich, Großbritannien und Portugal nannte ein Macron-Berater Andorra, Australien, Belgien, Kanada, Luxemburg, Malta und San Marino als weitere Staaten, die einen palästinensischen Staat anerkennen wollen.

(APA/AFP)

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