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Zusammenleben in einer verkehrsfreien Zone

©Wolfgang Schlocker
Bregenz - Die wundersame Verwandlung einer öden Industriebrache in ein attraktives Wohnquartier ist Dietrich | Untertrifaller mit der Wohnanlage Blumenegg in Bregenz gelungen.
Zusammenleben in verkehrsfreier Zone

In ihrer Jugend habe es hier noch nach Maggie gerochen, erinnert sich Susanne Gaudl, Partnerin im Büro Dietrich | Untertrifaller und mit Björn Osmann für die Entwicklung bzw. Realisierung der Wohnanlage Blumenegg verantwortlich. Heute erinnert nur mehr sehr vage der übermalte Schriftzug des Legendären Suppenwürzeherstellers an einem der zwei sanierten und revitalisierten Gebäude an dessen ehemalige Nutzung. Hat sich das rund 24.000 Quadratmeter große Gelände doch in den letzten drei Jahren nicht zuletzt seiner Nähe zum See bzw. zur Innenstadt wegen von einer vor sich hindämmernden Industriebrache zu einem attraktiven Wohnquartier gewandelt. Umfangreiche Machbarkeitsstudien gingen seit 2007 dem Bau der sechs vier- bis sechsgeschoßigen Wohnhäuser voraus, die in zwei Stufen seit 2013 errichtet wurden und seit Anfang des Jahres bezogen werden. 189, zwischen 25 und 120 Quadratmeter große Einheiten sind hier entstanden, gemeinnützige Mietwohnungen genauso wie Eigentumswohnungen und solche für betreutes Wohnen. Die soziale Durchmischung, die sich auf diese Weise ergibt, war den Bauherren sehr wichtig. Und sie scheint zu funktionieren, nicht zuletzt deshalb, weil anstelle von kleinen Privatgärten alle sechs Häuser letztlich barrierefrei in einem einzigen großen Garten bzw. rund um einen Platz stehen.

Sind doch alle Autos – die der Bewohner, genauso wie die der Besucher – unter die Erde in eine zentrale Tiefgarage mit 272 Stellplätzen verbannt. Was das Wohnen in Blumenegg für Kinder lustvoll und Eltern stressfrei macht, können die Kids hier doch gefahrlos auf den großen versiegelten Außenräumen der Anlage skaten, Rad fahren oder rollerbladen, auf Bäume kraxeln oder in den großzügig angelegten Spielanlagen schaukeln oder im Sand buddeln.

Gruppiert ist die Wohnanlage Blumenegg um das „Platzhaus“ mit Wohnungen für Menschen, die Betreuung brauchen, welche das nahe Sozialzentrum Mariahilf übernimmt. Die Einheiten sind 25 bis 30 Quadratmeter klein und absolut barrierefrei. Sie sind hell, die Grundrisse praktisch, jede besitzt einen Balkon. Im atmosphärisch angenehm mit einer größeren Raumhöhe ausgestatteten Erdgeschoß gibt es variabel trennbare Aufenthalts bzw. Gruppenräume. Hier kann gemeinsam gegessen, gespielt, gefeiert, sich unterhalten werden. Wenn es das Wetter zulässt, auch in dem durch große Sonnenschirme markierten Freibereich, der sich zu einem fast urbanen Platz hin orientiert.

Da die unterschiedlich genutzten architektonischen Relikte des ehemaligen Maggi-Areals Putzfassaden haben, sind auch die drei im Passivhausstandard von der Wohnbauselbsthilfe und der Alpenländischen Heimstätte errichteten Baukörper mit leistbaren Zwei- bis Vierzimmerwohnungen verputzt. Diese zwei Häuser sind extrem langgestreckt und charakterisiert durch je einen zweigeschoßigen Erker an einer der Schmalseiten. Die Rückseiten haben schlichte Lochfassaden, die der Sonne zugeneigten Fassaden sind durch rote bzw. grüne gläserne Balkonbrüstungen spielerisch akzentuiert. Farben, die sich im Inneren bei den Wohnungstüren wiederfinden.

Die drei rechts der Garagenabfahrt liegenden Häuser mit insgesamt 76 Eigentumswohnungen haben Niedrigenergiestandard. Auf den zwei freistehenden, deren Fassaden mit leicht glänzenden weißen, hinterlüfteten Platten verkleidet sind, sitzen etwas zurückgesetzt in Leichtbauweise errichtete Penthäuser. Das Wechselspiel der weißen Fassade mit den etwas tiefer liegenden dunkelbraunen Fensterbändern verleiht diesen Gebäuden ihre unverwechselbare Identität, formal reizvoll gebrochen durch die einheitlich grünen Jalousien. Auch im Inneren konnten Dietrich | Untertrifaller hier ihre durch Schnörkellosigkeit und Liebe zu puren Materialien sich auszeichnende Architekturphilosophie ausleben. Ein weiteres Haus ist anstelle des abgerissenen Blumeneggsaals an eines der drei stehengebliebenen historischen Gebäude angedockt. Die Höhenlinien des Altbaus sensibel weiterführend aus Betonfertigteilen gebaut.

Daten & Fakten

Objekt Wohnbebauung Blumenegg, Bregenz
Eigentümer/Bauherr i+R Wohnbau GmbH, Alpenländische Heimstätte, Wohnbauselbsthilfe
Generalplanung i+R Wohnbau GmbH, Lauterach www.ir-wohnbau.at
Architektur Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH Susanne Gaudl (Projektleitung) www.dietrich.untertrifaller.com
Statik Mader-Flatz ZT GmbH, Bregenz
Fachplaner Haustechnik: GMI, Dornbirn; Elektro: Daniel Brugger, Thüringen; Bauphysik: Lothar Künz, Hard; Landschaft: Rotzler-Krebs, Winterthur (CH)
Planung April 2010–Dezember 2015
Ausführung März 2013–April 2016
Grundstücksgröße 12.324 m²
Nutzfläche 11.654 m² (Wohnen und Gewerbe)
Wohnungen 189
Bauweise: Massivbauweise in Ziegel und Beton; hinterlüftete Fassade; Dach mit Kiesschüttung und Solaranlage; Innenwände: Ziegel und Trockenbau; Holzfenster; Sonnenschutz: Raffstore und Senkrecht-markisen; Heizung: Fußbodenheizung und kontrollierte Wohnraumlüftung
Besonderheiten: keine überirdischen Parkflächen für Autos
Ausführung i+R Wohnbau GmbH
Energiekennwerte: 8-10 kWh/m² im Jahr (Passivhäuser) 25-27 kWh/m² im Jahr (Niedrigenergiehäuser)
Baukosten 19 Mill. Euro

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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