Zuhause im Holz

Glück? Ein altes tschechisches Sprichwort sagt, wer dies erfahre, schaue dem Herrgott ins Fenster. Was immer es damit auf sich hat: von Fenstern ist die Rede – und solche hat das Holzhaus. Vergleichsweise kleine Öffnungen in einer Strickbauwand, regelmäßig gesetzt mittig in der geschlossenen Außenwand. Das darf betont werden, handelt es sich doch nicht um Fensterband, Panoramafenster oder festverglaste Außenwände, wie sie für moderne Bauten unerlässlich scheinen.
Das Sprichwort sagt schauen. Das ist eine besondere Art des Sehens, aufmerksam, gezielt, bewusst. Das Fenster wirkt so wie eine Linse, konzentriert den Blick – „ich sehe immer etwas Anderes, Neues, wo früher Panorama war“, so beschreibt der Bauherr eine der neuen Qualitäten. Umgekehrt fällt das Licht durch diese Fenster wie durch eine kleine Blende in den Raum, trifft auf ein Gegenüber, entfaltet Kontraste, setzt Akzente, wandert den ganzen Tag.
Zuvor bewohnte die junge Familie ein raumhaltig ausgebautes Dachgeschoss mit verglastem Giebel. Herausfordernd war er schon, der Wechsel von so einem Raum in die kleinen Zimmer von knapp 2 m Raumhöhe. Doch auch das wird heute als Qualitätsgewinn empfunden, verbringe man doch die Zeit mit den Kindern mehr auf dem Boden. Und die Türen der vier um den zentralen Ofen gelegenen Räume stehen immer offen, für die Kleinen ein idealer Rundlauf, für die Großen genug an Raumbeziehung.
Das Haus wurde vor rund 250 Jahren als Strickbau in Montafoner Tradition errichtet – sparsamst, mit dem anstehenden Material (Stein für die erdberührenden Bauteile, Fichtenstämme und –dielen für alles Weitere), das Wissen um elementare Lebensvorgänge verkörpernd. Es ist Teil eines dort üblichen Paarhofs, steht inmitten der Wirtschaftsflächen am steilen Hang, flach geneigter Giebel mit großem Dachüberstand zum Tal (und sensationeller Aussicht), im Kern von bescheidenen Außenmaßen (ca. 8 x 8 m, mit angebautem Schopf und gedecktem Eingang), zwei Geschosse, Dachboden.
Der Bauherr und Architekt des Umbaus hat hier Teile seiner Jugend verbracht, bevor man sich ein größeres Haus zulegte und das alte den Touristen überließ. Er war es, der es wieder ins Spiel brachte, als die eigene Familie wuchs und trotz anfänglicher Bedenken bestätigt die junge Mutter, die während der anstrengenden Umbauzeit mit der Jüngsten schwanger ging: „Heut’ will ich gar nichts anderes mehr – alles ist rechtzeitig fertig und gut geworden.“
Die Anpassung an heutige Anforderungen nahm einen Sommer in Anspruch; energetische Maßnahmen wurden in der „Sonderkategorie erhaltenswerte Bauten“ gefördert. Die Hülle blieb unverändert, lediglich marode Teile wurden gewechselt (zum einen die Fenster, heute wieder Kastenfenster mit außen kleinteiligem, einfach verglastem Doppelfl ügel, innen ungeteiltem Isolierglasfl ügel; zum andern Teile des Zugangvorbaus und des Schopfs). Die Außenwand erhielt umlaufend eine innere Vorsatzschale aus Holzfaserdämmung (12 cm) mit Weißtannenschalung, darin bündig eingesetzt die neuen Fenster. Der Dachboden ist oberseitig 2 x 12 cm druckfest gedämmt. Die Decken sind zum Teil durch neue Holzbalkenkonstruktionen ersetzt. Die neuen Dielenböden integrieren bei 6 cm Aufb au eine Fußbodenheizung als Ergänzung zum zentralen Kachelofen, der seinerseits diese Heizung speist. Einmal am Tag wird eingeheizt, „was nicht länger dauert als sich ordentlich die Zähne zu putzen“, so der Hausherr – den Rest erledigt intelligente Steuerungstechnik. Natürlich galt dem Klima besondere Aufmerksamkeit. Da kann das Holz seine Qualitäten ausspielen. Temperatur, Feuchtigkeit, Oberfl ächendiff erenzen werden abgepuff ert, Akustik und Geruch stimmen. „Das Haus hat keine Folie, keinen Estrich, kein Blech, keine Fliese“, betont der Architekt – besonders gern im Bad, das mit seinem einen Holzboden und Wänden aus Weißtanne und uralten Balken so manchen Kollegen zum Staunen gebracht hat. „Ich brauche weniger Zeit fürs Putzen im Bad als zuvor,“ ergänzt seine Frau, noch immer erstaunt.
„Man fragt sich viel bei so einem Haus, und je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr leuchtet ein“, sinniert der Bauherr; es treibt ihn um und lädt ihn ein, damit umzugehen. Noch nie habe er sich Gedanken über die Wand machen müssen, wenn er ein Bild aufh ängen will, die voller Spuren der Vergangenheit ist. Überhaupt die Wände: Die Gäste seien regelrecht angezogen von ihnen, berühren sie. Ob’s daran liegt, dass die kleinen Räume nie beengt wirken? Jedenfalls hält das Haus noch immer Rätsel bereit und also ist er mit ihm noch lange nicht fertig.
Daten & Fakten
Einfamilienhaus Brugger
Wohnfläche: 144 m2
Keller: 36 m2
BGF: 180 m2
Volumen: 405 m3
Grundstücksgröße: ca. 4500 m2
Planung: 01/2009 – 07/2010
Ausführung: 06/2009 – 08/2010
Bauweise
Wände: Keller und z. T. EG in Bruchsteinmauerwerk (Bestand) ansonsten Holz, massiv, „Strickbauweise” (Bestand), neue Innendämmung aus Holzfaserplatten, Wandverkleidungen in Weißtanne
Decken: z. T. Dielendecken (Bestand) neue Holzbalkendecken mit Trockenaufbau, Riemenböden und Deckenverkleidungen in Weißtanne,
Heizung: Kachelofen-Ganzhausheizung, Wärmeverteilung über Ofen, Kamin und Fußbodenheizung,
Fenster: Kastenfenster mit Läden, außen 1-fach – innen 2-fach verglast
Ausführung
Baumeister: Augustin Bitschnau, Schruns | Sanitär u. Wärmevert. (FBH): Alfred Schulz, D-Bad Saulgau
Ofen: Müller Ofenbau, Ludesch | Ofen-Technik: Energiewerkstatt Gebhard Keckeis, Nüziders
Spachtelung Außenwände: Alex´s Malerkiste, Dafins | Fensterbau: Kurt Bitschnau, Vandans | Innentüren/Einbaumöbel/Küche: Kurt Bitschnau, Vandans | Weißtannenhölzer: Profi holz, Hörbranz
Möbel: Reiter, Rankweil.
(Leben & Wohnen/ Florian Aicher)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Seit November 2011 zeichnet das vai für Projektauswahl und redaktionelle Gestaltung der Coverserie von Leben & Wohnen verantwortlich. Neu ist dabei, dem Titel der Beilage getreu, die Durchmischung von Wohnbauten mit anderen Bereichen des Lebens: Bildung, Soziales, Arbeit. Heute widmet sich die Geschichte dem glücklichen Schicksal eines Montafonerhauses.
Demnächst:
Architektur vorORT 85 – 27|01|2012
Kindergarten und Feuerwehr, Thüringerberg
Architektur: Bruno Spagolla
Bauherr: Gemeinde Thüringerberg
Treffpunkt: 17 Uhr, Thüringerberg
Das Objekt wurde bereits im November in Leben & Wohnen vorgestellt. Die vai Veranstaltungsreihe Architektur vorORT bietet nun für Interessierte die Gelegenheit das Gebäude mit Bauherr und Architekt zu besichtigen.
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