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Zinssprung: USA legt vor – Druck auf EZB steigt

Die Zinsen in den USA steigen nun sehr schnell
Die Zinsen in den USA steigen nun sehr schnell ©Canva
Angesichts rasant steigender Preise hat die US-Notenbank Federal Reserve den Leitzins so stark angehoben wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr.
Inflation steigt auf 7 Prozent
Kredite werden teurer

Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell beschlossen am Mittwoch eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent. Experten hatten mit diesem aggressiven Schritt gerechnet, nachdem die Notenbank die Zinswende im März mit einer Erhöhung um einen Viertel Prozentpunkt eingeleitet hatte.

Inflation "viel zu hoch"

Fed-Präsident Powell sagte, es "unbedingt erforderlich", die Inflation zu senken. Diese sei "viel zu hoch" und schade Bürgern und Unternehmen. "Wir handeln rasch, um sie wieder zu senken", versprach Powell. Auch künftige Leitzinserhöhungen um einen halben Prozentpunkt seien "auf dem Tisch". Eine Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte werde aber nicht erwogen.

Die Fed warnte am Mittwoch, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führe zu einem zusätzlichen Preisdruck und beeinflusse die "wirtschaftliche Aktivität". Außerdem würden neue Lockdowns in China im Kampf gegen die Corona-Pandemie vermutlich zu weiteren Problemen bei den internationalen Lieferketten führen.

Weitere Anhebungen erwartet

Für die kommenden Monate erwarten Experten eine Serie weiterer kräftiger Anhebungen. An den Terminmärkten wird zum Jahresende fest mit einem Zinsniveau von mindestens 2,75 Prozent gerechnet.

Flankiert wird der Kampf gegen die Inflation von einem Abbau der in der Corona-Krise auf rund neun Billionen Dollar aufgeblähten Bilanz der Fed. Dieses Manöver soll im Juni starten, wie die Notenbank nun beschloss. Zunächst soll das Portfolio um bis zu 47,5 Milliarden Dollar pro Monat schrumpfen, ab September soll das Abbau-Tempo auf bis zu 95 Milliarden Dollar gesteigert werden.

Druck auf EZB steigt

Der entschlossene Kurs der Fed dürfte auch den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, die Kurswende hin zur Inflationsbekämpfung zu vollziehen. "Die Fed schreitet mutig voran", kommentierte der Chefvolkswirt der VP Bank Group in Liechtenstein, Thomas Gitzel. "Die EZB sollte den Staffelstab jetzt übernehmen und ebenfalls deutlich machen, dass im laufenden Jahr mehrere Zinsanhebungen zu erwarten sind", schrieb er. Die Fed stärke mit ihrer klaren Kommunikation ihre Glaubwürdigkeit, "die EZB verspielt sie hingegen", schrieb er. Der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, erklärte mit Blick auf EZB-Chefin Christine Lagarde, die EZB solle ein Beispiel an der Fed nehmen: "Frau Lagarde, so geht das!"

Europas Währungshüter haben bereits beschlossen, ihre milliardenschweren Anleihenkäufe schneller auslaufen zu lassen. Zudem brachten mehrere Mitglieder des EZB-Rats zuletzt eine erste Zinserhöhung im Juli ins Spiel. An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei ihr parken können, in diesem Jahr von minus 0,5 Prozent auf null Prozent anheben könnte. Der Leitzins, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, könnte dann 2023 angehoben werden.

Wilfried Hopfner zu steigenden Zinsen und Zinspolitik:

Inflation auf Rekordhoch

Die Inflation im Euroraum hatte im April ein Rekordhoch von 7,5 Prozent erreicht. In den USA, der weltgrößten Volkswirtschaft, wiederum lag die Teuerungsrate zuletzt bei 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Wilfried Hopfner über die aktuell steigende Inflation:

Anleger reagieren erleichtert

US-Anleger reagierten erleichtert auf den Fed-Entscheid. "Ein positives Zeichen ist, dass die heutige Zinsentscheidung einstimmig gefällt wurde", sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Es war im Vorfeld durchaus damit zu rechnen, dass einzelne Fed-Mitglieder für einen noch größeren 75 Basispunkte Schritt stimmen würden." Der Wall Street gab dies aber nur kurzzeitig Rückenwind. Die Leitindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 konnten ihre zwischenzeitlichen Gewinne nicht halten und lagen nach wenigen Minuten wieder auf dem Niveau kurz vor Bekanntgabe der Zinserhöhungen. Im Gegenzug näherte sich der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, nach einem Durchhänger wieder seinem jüngsten 19-1/2-Jahres-Hoch.

Größter Zinsschritt seit 22 Jahren

Die Fed reagiert mit dem größten Zinsschritt nach oben seit 22 Jahren auf die aus dem Ruder laufende Inflation. Die Teuerungsrate erreichte zuletzt mit 8,5 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Dadurch wird die Kaufkraft der Verbraucher geschmälert, womit eine gefährliche Lohn-Preisspirale in Gang kommen kann. Die Fed steht daher unter Zugzwang, dem Preisauftrieb entgegenzuwirken, indem der Preis des Geldes erhöht wird. Laut Powell will die Notenbank "zügig" zu einem neutralen Zinsniveau gelangen, das die Konjunktur weder ankurbelt noch bremst. Die Wirtschaft hatte zu Jahresbeginn überraschend einen Durchhänger und schrumpfte im ersten Quartal um aufs Jahr hochgerechnet 1,4 Prozent.

Schwieriger Balanceakt

"Die Fed tritt scharf auf die Bremse, um den hohen Inflationsdruck einzudämmen. Weitere Leitzinserhöhungen sind unterwegs, die mit der üblichen Wirkungsverzögerung die Konjunktur bremsen werden", prophezeit Ökonom Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe.

Die US-Notenbank stehe dieses Jahr vor dem Balanceakt die Rekordinflation mit einer restriktiveren Geldpolitik einzufangen, ohne Gefahr zu laufen die Konjunktur zu stark abzuwürgen, meint KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Eine solche "sanfte Landung" sei ein äußerst heikles Unterfangen, das der Fed in den vergangen 60 Jahren lediglich ein einziges Mal vollständig gelungen sei. Nach Ansicht der US-Finanzministerin und Vorgängerin Powells, Janet Yellen, braucht die Fed dafür neben Geschick auch Glück.

(APA)

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