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ZIB2: Schallenberg strikt gegen Aufnahme von Moria-Migranten in Österreich

Immer wieder fragte der Moderator den Außenminister, wieso Österreich keine Flüchtlinge aufnehme.
Immer wieder fragte der Moderator den Außenminister, wieso Österreich keine Flüchtlinge aufnehme. ©Screenshot ZIB2 ORF - APA Videos
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat die Haltung der türkis-grünen Bundesregierung, keine Hilfe suchenden Menschen aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos in Österreich aufzunehmen, am Mittwochabend in der ORF-ZiB 2 unterstrichen.
Flüchtlingslager Moria am Tag danach
Moria in Flammen
So dramatisch sind die Zustände im Flüchtlingslager

Österreich biete aber "Hilfe vor Ort", sagte er, etwa bei "Bedarf an Zelten und Decken".

"Das Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein", meinte Schallenberg. Die EU dürfe nicht in die "alte Debatte" zurückfallen und über die Verteilung von Flüchtlingen reden. Zumal bei seinen Gesprächen mit griechischen Regierungsvertretern diese auch nicht gefordert worden sie. Er habe zudem aus dem Auslandskatastrophenfonds eine Million Euro an Hilfe angeboten.

Schallenberg befürchtet Kettenreaktion

Mit der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen, unterstütze man nur das Geschäft der Schlepper, argumentierte Schallenberg. "Wenn wir das Lager Moria räumen, ist es gleich wieder gefüllt", meinte er. Sende man Signale aus, dass es eine Hoffnung gebe, nach Europa zu gelangen, würden bald wieder Tausende Flüchtlinge an den Grenzen stehen. Etwa in Spielfeld. "Das würde eine Kettenreaktion auslösen und wir wären nicht mehr Herr der Lage". Die Frage, ob diese Haltung in der Migrationspolitik nicht zynisch sei, wies Schallenberg zurück. "Das ist eine Frage des Hausverstands".

Von dem Umstand, dass selbst konservative Politiker in Deutschland oder in Norwegen für die Aufnahme von Teilen der 13.000 Flüchtlinge aus Moria eintreten, zeigte sich Schallenberg wenig beeindruckt. "Das ist eine Minderheitenmeinung." Die EU-Kommission müsse nun ein Gesamtkonzept vorlegen, so der Außenminister. Leider gebe es bisher innerhalb der Europäischen Union "keine einheitliche Politik im Bereich Asyl und Migration". Diesbezüglich gebe es Verbesserungsbedarf, auch in den Bereichen "Handelspolitik und Entwicklungszusammenarbeit".

Migrationsforscher Knaus zur Aufnahme von Flüchtlingen:

ÖVP strikt gegen Aufnahme von Migranten

Die ÖVP bleibt auch nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Ägäis-Insel Lesbos bei ihrer Linie und lehnt die Aufnahme von Migranten aus Griechenland strikt ab. Österreich will aber Griechenland vor Ort mit allen Mitteln unterstützen. Das erklärten Innenminister Karl Nehammer und Alexander Schallenberg (beide ÖVP) bereits vor dem Ministerrat am Mittwochvormittag.

Die Position Österreichs decke sich mit jener der griechischen Regierung. Diese habe keine Aufnahme von Migranten verlangt und erwarte dies auch nicht, meinten Nehammer und Schallenberg. Die ÖVP lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen aus den EU-Ländern an der Außengrenze vehement ab.

Kein Platz für gewaltbereite Migranten

Nehammer sagte, dass er mit seinen Amtskollegen in Griechenland gesprochen habe und diese ihm berichtet habe, dass das Feuer gelegt worden sei und die Rettungskräfte behindert und angegriffen worden seien. Den dafür Verantwortlichen wolle man klar sagen: "Gewalt ist kein Mittel für den Eintritt in Europa. Gewaltbereite Migranten haben keine Chance auf Asyl in Europa." Diese Menschen "habe die Katastrophe bewusst ausgelöst und damit Menschenleben gefährdet".

Österreich werde keine Migranten aus Griechenland aufnehmen, sagten Nehammer und Schallenberg. Sie seien vielmehr darüber besorgt, dass Europa die falschen Signale sende. "Jede Bewegung weg von den Inseln wird von der Türkei und den Schleppern ausgenutzt", warnte Nehammer, der erst vor zwei Woche Griechenland besucht hatte und sich die Situation an der Grenze zu Türkei und in den Flüchtlingslagern persönlich angesehen hatte.

"Irreguläre Migranten"

"Die irregulären Migranten müssen in der Masse in Griechenland bleiben." Nehammer verwies einmal mehr darauf, dass Österreich alleine im heurigen Jahr 4.000 Frauen und Kinder aufgenommen habe und damit schon viel geleistet habe.

"Unsere Linie bleibt unverändert"

"Unsere Linie bleibt unverändert", versicherte auch Schallenberg. "Aber wir werden Hilfe vor Ort leisten und eine Million aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung stellen." Griechenland habe "keinerlei Wunsch geäußert, dass wir Menschen aufzunehmen". Die Kinder würden von der Insel aufs Festland gebracht und der Rest bleibe in Lesbos.

Grüne stellen Menschlichkeit in Vordergrund

Ganz anders lautete die Äußerung der Grünen Umweltministerin Leonore Gewessler: "Die Bilder aus Moria machen tief betroffen", meinte sie am Rande des Ministerrats. Es sei "ein Gebot der Menschlichkeit", dass es nun rasch Unterstützung der EU gebe und das Lager evakuiert werde. Die Position der Grünen sei klar und man führe auch entsprechende Gespräche, antwortete Gewessler auf die Frage, ob Österreich Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen soll.

Die Grüne Abgeordnete und außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic betonte, dass nun rasch geholfen und das "Elend" der Menschen in Moria beendet werden müsste. Anders als etwa die NEOS, die SPÖ oder auch die Wiener Grünen sowie zahlreiche Hilfsorganisationen forderte sie aber nicht explizit eine Aufnahme durch Österreich.

Hilfsorganisationen mit flammenden Appellen an Regierung

In Österreich sprachen sich alle Hilfsorganisationen - neben der Caritas, das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen (MSF), die Diakonie oder die Volkshilfe - für rasche Hilfe und die Aufnahme von Geflüchteten aus Moria aus. MSF, Caritas und das Österreichische Rote Kreuz richteten einen "dringenden" Appell an die Bundesregierung. "Wir haben wiederholt auf die furchtbare Situation auf den griechischen Inseln hingewiesen. Letzte Nacht ist das Pulverfass explodiert", so Margaretha Maleh, Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen (MSF) Österreich. "Wir können nicht länger zusehen" und "Was wir jetzt brauchen ist ein Korridor der Menschlichkeit", hieß es in einer gemeinsamen Aussendung der drei Organisationen.

In mehreren europäischen Städten, darunter auch in Wien, fanden am Mittwochabend unter dem Motto "Wir haben Platz!" Demonstrationen für die Aufnahme von Geflüchteten statt. Am Freitagabend ist eine Protestaktion in der Wiener Innenstadt unter dem Motto "Das ist Moria - Das ist Mord" geplant.

Athen ringt um Unterbringung für fast 13.000 obdachlose Migranten

Die bei dem Großbrand im griechischen Flüchtlingslager Moria obdachlos gewordenen, fast 13.000 Menschen sollen zunächst auf Schiffen und in Zelten unterkommen. Das kündigte Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarakis bei einem Besuch auf der Ägäisinsel an. Das Camp war in der Nacht auf Mittwoch in Flammen aufgegangen und fast vollständig abgebrannt.

Im Anschluss an seine Visite warnte Mitarakis die Migranten vor einer Missachtung des Gesetzes. "Das werden wir nicht dulden", sagte er mit Blick auf das Feuer. Die Regierung in Athen geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass einige Bewohner des völlig überfüllten Camps die Brände selbst gelegt haben - aus Angst aufgrund zunehmender Corona-Fälle und aus Protest gegen die Quarantäne, die deshalb über die Einrichtung verhängt worden ist.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Zahl der Infizierten bei 35 liege, bereits vergangene Woche wurde Moria nach Bekanntwerden des ersten Falles abgeriegelt. Manche Migranten hätten daraufhin das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Camp zu verlassen, um in Isolation gebracht zu werden, berichteten griechische Medien. Daraufhin brachen Unruhen aus.

Hunderte Bewohner des zerstörten Lagers versuchten in der Nacht, zu Fuß in Richtung des Hafens der Inselhauptstadt Mytilini zu fliehen. Dabei wurden sie jedoch von der Polizei gestoppt. Andere Flüchtlinge suchten in den Hügeln rund um das niedergebrannte Lager Zuflucht. Am Mittwoch saßen tausende Flüchtlinge auf der Straße von Moria nach Mytilini. "Was sollen wir jetzt tun? Wo können wir hingehen?", fragte Mahmut aus Afghanistan.

Keine Verletzten oder Toten nach Brand

Die einzige gute Nachricht des Tages konnte der Migrationsminister bis auf Weiteres bestätigen: Es seien keine Menschen verletzt, vermisst oder durch den Brand umgekommen. Der konservative griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (Nea Dimokratia) kritisierte am Mittwoch die "Haltung einiger Migranten", die allen Anzeichen nach Feuer gelegt und die Feuerwehr anschließend daran gehindert hätten, den Großbrand zu löschen. "Es kann keine Ausreden geben für gewalttätige Reaktionen aufgrund von Gesundheitskontrollen", sagte er mit Blick auf die Coronafälle und entsprechende Tests.

Mitsotakis: Kann nicht so weitergehen

Der Brand habe auch gezeigt, dass die Situation so nicht weitergehen könne, betonte Mitsotakis. Griechenland brauche die Hilfe der anderen EU-Staaten. Die Frage der Verteilung von Geflüchteten ist seit Jahren ein Streitthema und bisher ungelöst.

Im Namen der Europäischen Union versprach zunächst Innenkommissarin Ylva Johansson schnelle Hilfe. Sie habe zugestimmt, den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland zu finanzieren. Mitarakis bestätigte, die jungen Menschen sollten noch am Mittwoch abgeholt werden.

Auch andere europäische Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Norwegen, boten Griechenland Unterstützung an. Oslo will etwa 50 Menschen aufnehmen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erkälrte, dass sein Bundesland bis zu 1.000 Flüchtlinge aus Moria aufnehmen könne. Auch andere deutsche Bundesländer äußerten sich ähnlich, allerdings muss das Innenministerium in Berlin dem zustimmen. Zwar hat Deutschland in den vergangenen Monaten immer wieder Migranten umgesiedelt, der Brand sei aber kein Grund, die "bisherige Rechtsordnung infrage zu stellen", hieß es in Berlin.

UNO warnt vor Konflikten zwischen Flüchtlingen und Bewohnern

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) warnte vor Konflikten zwischen Flüchtlingen und Bewohnern von Lesbos. Lesbos selbst hat rund 85 000 Einwohner. Sie hätten nun Angst, was mit den Migranten geschehen werde - und auch, dass sich das Coronavirus unkontrolliert verbreiten könne, sagte der Bürgermeister von Ost-Lesbos, Stratos Kytelis, dem griechischen Staatssender ERT. Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert.

(APA) (Red.)

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