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Zeman: "Konfrontationslinie mit Österreich"

Der frühere tschechische Regierungschef Milos Zeman hat 2000 und 2001 nach eigenen Worten eine Konfrontationslinie gegenüber Österreich in der Sache des Atomkraftwerkes Temelin und der Benes-Dekrete befürwortet.

Sein Außenminister Jan Kavan habe sich für gemäßigteres Vorgehen ausgesprochen, was sich schließlich als richtig erwiesen habe. Dies gesteht Zeman in seinem kürzlich erschienen Memoiren-Buch „Wie ich mich in der Politik geirrt habe“ ein, wo er sich kurz auch mit den Beziehungen Tschechiens zu den Nachbarländern auseinandersetzt.

„Ich war eher Anhänger einer Konfrontationslinie, während Jan Kavan zu einem gemäßigteren Vorgehen ermunterte. Die nachfolgenden Treffen mit dem österreichischen Kanzler (Wolfgang Schüssel) in Zidlochovice (Südmähren), Melk und Brüssel – dort unter einer aktiven Vermittlungsteilnahme des EU-Kommissars Günter Verheugen – zeigten, dass Kavan recht hatte. Es gelang, die Probleme zu regeln“, schreibt Zeman wörtlich.

Er erinnert weiters daran, dass sich die tschechisch-österreichischen Beziehungen nach dem Eintritt von Jörg Haiders FPÖ in die Bundesregierung verschlechterten. Dazu hätten der Streit um die Benes-Dekrete – sie gelten als Grundlage der Vertreibung der Sudetendeutschen aus Tschechien nach 1945 – und besonders die Temelin-Frage beigetragen, die die Haider-Leute fleißig thematisiert hätten.

Der Streit um das südböhmische Akw brachte Zeman nach eigenen Angaben auch ein Problem mit seinem damaligen Vizepremier und späteren Nachfolger Arbeitsminister Vladimir Spidla ein, der heute EU-Kommissar ist. Dabei ging es um den tschechisch-österreichischen Vertrag hinsichtlich Temelin, der unter der Teilnahme Verheugens in Brüssel unterzeichnet wurde. „Es war ein Vertrag, der unseren völligen Sieg bedeutete. Deshalb war es wichtig, den Gegner nicht zu erniedrigen und ihm einen roten Teppich zum Rückzug zu legen. Spidla rief mich jedoch nach Brüssel an und drängte darauf, dass ich die Verhandlungen unterbreche, weil ich dem Kanzler zu viele Zugeständnisse gemacht habe, und nach Prag zurückkehre“, erinnert sich Zeman.

„Dies hätte einen unabwendbaren Bruch mit Österreich und eine Verschlechterung der Beziehungen mit der EU bedeutet, deren Kommissar uns ehrlich helfen wollte. Deshalb lehnte ich die Forderung Spidlas mit Begründung ab, dass ich als Premier die Verantwortung für diese Verhandlungen trage. Spidla rief nach meiner Rückkehr (nach Prag) eine geheime Regierungssitzung ein. Er stimmte dort als Einziger gegen meinen Bericht über die Verhandlungen in Brüssel, obwohl ich mit dem Rücktritt drohte für den Fall, dass der Bericht nicht angenommen wird“, so Zeman.

Zu den Benes-Dekreten schreibt der tschechische Ex-Premier, diese hätten auch eine Rolle in den Beziehungen zu Deutschland gespielt. Er habe sie als einen gültigen Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung betrachtet, gleichzeitig aber als erloschen, weil es keinen Grund gegeben habe, sie noch anzuwenden. Diese Position sei zu Beginn auch auf das Verständnis des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder gestoßen.

„Die spätere steigende Aggressivität der Sudetendeutschen Landsmannschaft rief dann Spannungen hervor. Als ich die Sudetendeutschen als fünfte Kolone von Adolf Hitler bezeichnete, löste unsere vom deutschen Kapital besetzte Presse einen Rummel aus. Die Ausbildung der Journalisten von ’Mlada fronta Dnes’ und weiterer Journalisten reichte einfach nicht einmal bis zum Elementarniveau, um zu bemerkten, dass es sich um eine Notoriété handelt, die 1946 als erster der niederländische Historiker de Jong erwähnt hatte“, so Zeman. Den Begriff „Notoriété“ erläutert er in einer Fußnote auf derselben Seite des Buches als eine „allgemein bekannte Tatsache, die man nicht beweisen muss“.

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