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Zahlen- und Begriffe-Gewirr in Sachen Asyl sorgt für Koalitionszank

ÖVP-Attacken gegen Kern - FPÖ fordert Kurz zu Ordnungsruf auf.
ÖVP-Attacken gegen Kern - FPÖ fordert Kurz zu Ordnungsruf auf. ©APA
Der Neustart der Koalition hat eine Rückkehr in alte Muster gebracht. Nachdem sich am Dienstag rund um den Ministerrat ein teils durch Missverständnisse ausgelöster Streit um die Asyl-Obergrenze zu entfachen begonnen hat, folgte am Mittwoch das wohl bekannte Hick-Hack zwischen SPÖ und ÖVP.
Flüchtlingszahlen: Uneinigkeit in Koalition

Der Hintergrund: die Koalition hatte sich noch unter Kanzler Werner Faymann (SPÖ) darauf festgelegt, dass spätestens beim Erreichen der Marke von 37.500 Asyl-Anträgen eine Notverordnung in Kraft gesetzt wird, mit der das Einbringen von Asylansuchen in Österreich deutlich erschwert wird. Bisher war man davon ausgegangen, dass hier einfach die gesammelte Zahl der Anträge herangezogen wird, was seit gestern nicht mehr so sicher ist.

Regierung zieht “Dublin-Fälle” ab

Denn statt der 22.000 eingelangten Anträge sprach Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag nach dem Ministerrat nur noch von 11.000. Diese Zahl bzw. eigentlich ein wenig mehr ergibt sich, wenn man Anträge auf Familiennachzug sowie Dublin-Verfahren abzieht, bei denen ein anderer Staat für den Fall zuständig ist. Nicht eingerechnete ist freilich, dass viele Dublin-Fälle letztlich doch in Österreich landen, weil andere Staaten die Asylwerber nicht zurücknehmen bzw. nach Ungarn derzeit gar nicht abgeschoben wird.

Doskozil mahnt Transparenz ein

Interessanterweise war die SPÖ dann sogar schneller in der Kritik an der neuen Zählung als der Koalitionspartner. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil meinte in den auflagestärksten Zeitungen des Landes, dass die Regierung besser beraten wäre, alle Zahlen zu veröffentlichen. “Wir müssen mit Zahlen sorgfältiger umgehen, sonst machen wir uns bei der Bevölkerung lächerlich”, wird Doskozil, der übrigens Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl als SPÖ-Vizeparteichef folgen soll, in der “Kronen Zeitung” zitiert.

Heute schob der Verteidigungsminister freilich die Verantwortung dem Innenministerium zu, da die Zahlen ja von dort stammten. Kerns Zählung hält er inhaltlich für nachvollziehbar.

ÖVP sieht Feuer am Dach

Feuer am Dach erkennt hingegen die ÖVP. Innenminister Wolfgang Sobotka hoffte, dass Kern nicht zu einem “Links-Ruck” ansetze. Dabei bezog er sich freilich darauf, dass Kern nach dem Ministerrat von 37.500 Asylberechtigten gesprochen hatte. Dies würde eine Zahl ähnlich der im vergangenen Jahr bedeuten und wäre nicht verkraftbar, war sich der Minister unter anderem mit ÖAAB-Obmann August Wöginger und ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald einig.

Allerdings dürfte es sich dabei, wie aus der SPÖ zu hören war, ohnehin nur um eine sprachliche Unschärfe gehandelt haben. Gemeint hatte Kern demnach 37.500 zum Asylverfahren Zugelassene, sprich eben alle, die nicht unter die “Dublin”-Vereinbarung fallen. Kanzleramtsminister Thomas Drozda betonte dann auch, dass der Kanzler ohnehin gestern klar gestellt habe, dass sich die Bundesregierung sofort mit der Frage der Sonderverordnung zum Asylgesetz auseinanderzusetzen habe.

Vom Innenministerium verlangte Drozda dann eine transparente Auflistung aller Zahlen. Die wird Sobotka morgen nachliefern. Da lädt der Innenminister zu einer Pressekonferenz zu dem Thema.

Wiener VP-Chef legt Kern Rücktritt nahe

Nicht gerade zur besseren Stimmung in der Koalition trug bei, dass sich mit den niederösterreichischen Landesrat Stephan Pernkopf sowie dem Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel zwei recht prominente Vertreter der Volkspartei deftig in Richtung Kanzler äußerten. Pernkopf unterstellte Kern “Zahlentricksereien”, Blümel, übrigens Vertrauter von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), meinte gar, der Kanzler könne gleich wieder “abdanken”, wenn er die Obergrenze aufweichen wolle.

FPÖ sieht Kurz am Zug

Freilich will die FPÖ auch die ÖVP nicht aus der Verantwortung lassen. Der außenpolitische Sprecher Johannes Hübner forderte Außenminister Kurz dazu auf, “die eigene Regierung zur Einhaltung der der Bevölkerung und den Nachbarn gegebenen Zusagen zu bewegen und die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Republik zu bewahren”. Für NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak wiederum zeigen die neuerlichen Streitigkeiten innerhalb der Regierung erneut, wie undurchdacht das kürzlich beschlossene Notverordnungsrecht sei.

(APA/Red.)

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