Hunderte Menschen waren in den Haupthof des Wiener Museumsquartiers gekommen, um beim Auftakt Bestsellerautor Arno Geiger bei der Lesung seines im Frühjahr erschienenen Romans “Alles über Sally” zu lauschen.
“Es ist wunderbar, heute so viele Menschen zu sehen, die sich für Literatur interessieren”, begrüßte Museumsquartier-Direktor Wolfgang Waldner das Publikum. “Es zeigt, dass das Konzept, Literaturlesungen öffentlich und gratis zugänglich zu machen, aufgeht.” An sieben weiteren Donnerstagen bis 26. August lesen unter anderem Michael Köhlmeier und Paulus Hochgatterer.
“Bei so einem Festival ist es wie beim Schreiben: Man braucht Ideen und ein bisschen Mut”, sagte Geiger im Gespräch mit der FAZ-Literaturkritikerin Felicitas von Lovenberg. “Es ist nicht immer klar, ob es angenommen wird. Aber wenn es funktioniert, ist es großartig.” Spätestens seit seinem Bestsellerroman “Es geht uns gut”, für den Geiger 2005 den ersten Deutschen Buchpreis erhalten hatte, ist der 41-Jährige jedem bekannt. Er hat bereits mehrmals das Festival der österreichischen Literatur beehrt, “da hat es aber immer nur geregnet”, erzählt der Vorarlberger Autor auf der Bühne. Bei hervorragendem Wetter las er gestern zum ersten Mal nicht aus einer Neuerscheinung, sondern setzte den Abschluss seiner Lesetour zu “Alles über Sally”, einer Geschichte über eine Frau Anfang 50 und ihre “Ehe mit Verschleißerscheinungen”. “Er hat lange überlegt, ob er noch einmal aus dem Buch lesen soll”, so O-Töne-Festivalleiter Christoph Möderndorfer zur APA. “Umso zufriedener bin ich, dass er den Auftakt gemacht hat.”
“Ich sehe die Ehe nicht als Auslaufmodell, aber als nicht mehr einzig denkbares Modell”, so Geiger gestern. “Sally ist ein Beispiel gelungener Emanzipation, weil sie frei entscheiden kann.” Zum ersten Mal versetzt sich Geiger mit “Alles über Sally” in eine Frau, erzählt deren Unzufriedenheit in der Ehe mit ihrem Mann Alfred, einem Thrombosestützstrumpf tragenden “Waschlappen”. “Nur dort, wo es schiefgehen kann, ist auch Potenzial”, meinte Geiger. “Sich in eine Frau hineinzuversetzen ist für mich genauso schwierig wie in einen Mann, der nicht ich bin.” Von den Reaktionen sowohl weiblicher als auch männerlicher Leser sei Geiger überrascht gewesen: “Noch nie habe ich erlebt, dass Leser ihre eigenen Rollenbilder so stark in einen Roman tragen. Am Anfang hat mich das ganz schön irritiert.” Angst, den Erwartungen nicht zu entsprechen, hatte er jedoch nie: “Es ist mein bisher entspanntestes Buch, weil ich nun nichts mehr beweisen muss.”
Auf der Bühne gab er auch erstmals den Titel seines nächsten, bereits im Frühjahr 2011 erscheinenden Werks bekannt: “Der alte König in seinem Exil” ist ein Werk über seinen Vater, “auf das ich bereits viele Jahre gespart habe”.
Vor der insgesamt 51. Lesung des seit 2004 bestehenden Festivals gab es übrigens auch ein musikalisches Highlight. Trotz anfänglicher Skepsis überzeugte das Wienerlied-Duo “Die Strottern” die literaturinteressierten Besucher in Windeseile, Gelächter und begeisterter Applaus miteingeschlossen. So gaben Sänger und Violinist Klemens Lendl und Gitarrist David Müller auch literaturbezogene Lieder zum Besten: zwei ins Wienerische übertragene Texte von Wilhelm Busch beispielsweise, oder ein von Bestsellerautor Daniel Glattauer geschriebenes Lied. Ein gelungener Abend mit nur einem Manko: Kritikerin von Lovenberg, die sich “vorgenommen hatte, nichts vorwegzunehmen”, verriet auf der Bühne das Ende rund um Alfred und Sally. Schade eigentlich.
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