Zur Straße, hangaufwärts Richtung Nordosten, gibt das Gebäude nicht viel preis. Es ist unaufdringlich und einfach, nicht abweisend aber eben auch nicht sehr beredt. Rechts trägt der ziemlich flache Baukörper ein Obergeschoß als kubische Erweiterung. Etwas eingeschnitten ins durchgängige Fassadenvolumen aus Weißtannenlatten verbindet ein lang,gezogener Vorbereich die Garage mit der Eingangstür. Nur die Schiebeelemente zum Terrassenhof lassen etwas Licht und Sicht durch die Fugen. Hier zeigt sich, was es mit der Zurückhaltung auf sich hat: Es gilt, in aller Ruhe die aufregende Kulisse auf der Südseite des Hauses zu fassen und als „Wohnlandschaft“ in den gebauten Raum zu holen. Eine architektonische Herausforderung, die nur durch große Reduktion und formale Sicherheit von einem Gebäude bewältigt werden kann.
Wir stehen im Wohnraum des Hauses, der sich ohne trennende Wände von Ost nach West mit vollflächiger Verglasung Richtung Tal erstreckt. „Es sollte als EIN Raum spürbar sein“, sagt Architekt Matthias Hein und scheint selbst wie von Neuem überrascht vom großartigen Panorama. Es ist tatsächlich ein Raum geworden, eine gefühlte Wohnfläche, die sich bis übers Rheintal und weit in die Schweizer Berge auszudehnen scheint. Dieser Eindruck verdankt sich neben der tollen Lage auch sorgsamer Planung bis ins Detail. Dass beispielsweise die Untersicht der auskragenden Decke von innen nach außen trotz Dämmung und versteckter Jalousienkästen einfach „durchpfeift“, was einiger statischer und konstruktiver Tricks bedarf, trägt zu dieser gelungenen Inszenierung bei. Und selbstverständlich spielen auch Materialwahl und Möblierung eine große Rolle. Hein unterstreicht die hervorragende Leistung seiner Mitarbeiterin Magdalena Rauch, die für das Projekt verantwortlich war, aber auch die gute Zusammenarbeit mit dem Generalunternehmen. Alle haben bis zum schlüsselfertigen Projekt auf hochwertige Planung und Umsetzung geachtet.
Eigentlich hätte es ja gar kein Holzhaus werden sollen. In den Vorverhandlungen zum Bau wurde allerdings von den Behörden eine Holzfassade als Zugeständnis an die ländliche Umgebung gefordert (wenn schon kein Satteldach). Einfach Latten auf den geplanten Massivbau aufzuschrauben, kam aber für Architektenteam wie Bauherrschaft nicht in Frage. Stattdessen begab man sich auf „Holzbau-Exkursion“, um festzustellen, dass dieser Baustoff nicht unbedingt mit der Aura des Rustikalen daherkommen muss, sondern eben auch „modern“ sein kann. „Klare Linien, nichts Unnötiges, viel Licht“, so formulieren die Bauleute ihre Vorstellungen von einer solchen Architektur, „eben genau so, wie es jetzt geworden ist.“ Sie schätzen das Holz aber nicht nur seiner leichten und präzisen Raumformung wegen. Es sind vor allem die vielen sinnlichen Qualitäten, die dieses Material eingebracht hat: die natürliche Helligkeit, wie sich die Oberflächen anfühlen, die angenehme Akustik, der leicht harzige Duft, wenn die Sonne darauf scheint. Zudem wird das behagliche Klima hervorgehoben. Neben der wärmenden und feuchtigkeitsregulierenden Wirkung des Holzes trägt auch die Speichermasse des vollflächigen Estrichbodens zur guten Bauphysik bei.
Bei der räumlichen Konzeption des Projekts wurde darauf geachtet, dass es für alle Zwecke und alle Arten des Bewohnens funktioniert. Das untere Hanggeschoß, das sich nur talwärts großflächig öffnet, ist als Einliegerwohnung komplett abtrennbar. Im Wohnstockwerk gibt es ergänzend eine Dusche, sodass es, falls nötig, vollwertig barrierefrei benutzbar ist. Die oberste Etage erhielt eine geschickt um die Treppe organisierte Mehrzweckzone, deren Nutzung sich im Lauf der Zeit verändern kann wie die sich wandelnden Bedürfnisse einer Familie. Feiner Effekt: Es gibt kein „Stiegenhaus“, sondern einfach einen bequemen Raum mit Treppe, der abwechselnd als Studierzimmer, zum Bügeln, Lesen, Spielen, zur Büroarbeit dienen kann. Für dieses Zimmer rahmt ein breites Panoramafenster über die Nordecke des Hauses einen idyllischen Ausschnitt Wiese mit Bergahorn und Blutbuche, dahinter ein Stück Bodensee.
Daten & Fakten
Objekt: Haus J.-P., Dornbirn
Architektur: Hein Architeken, Bregenz; Projektleiterin: Magdalena Rauch; www.hein-arch.at
Statik: nerz kley partner, Dornbirn
Generalunternehmer: oa.sys baut, Alberschwende, Projektleiter: Dominik Baldauf
Grünraumplaner: Thomas Steinmann, Winterthur
Planung: 2011-2012
Ausführung: 2012-2013
Grundstücksgröße: 978m²
Nutzfläche beheizt: 261 m²
Bauweise: Holzständerbau; Keller als Hanggeschoß in wasserundurchlässigem Beton; Fußböden: geschliffenener Estrich, im Obergeschoss Holzdielen; Heizung mit Erdwärmepumpe; Fenster: Holz/Aluminium; Fassade: Weißtanne
Besonderheiten: abtrennbare Einliegerwohnung
Ausführung: Generalunternehmer, Baumeister, Zimmerer, Innenausbau: oa. sys, Alberschwende; Möbeltischler: Bachmann Muntlix; Fenster: Sigg, Hörbranz; Elektriker: prostorm, Schwarzenberg; Installateur: Lukas, Wolfurt; Estrich: Vigl & Strolz, Schoppernau; Raumgestalter: Thomas Bechtold, Muntlix; Küchenblock: Büchel, Hard; Außenanlangen: Fa. Moosbrugger, Hörbranz
Energiekennwert: 23 kWh/m² im Jahr
Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN.
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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